Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman. Karin Bucha. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Серия: Karin Bucha Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959796712
Скачать книгу
Ich habe doch Huberts Wagen gesteuert. Wir hatten beide zuviel getrunken. Es sollte schnell gehen, denn ich mußte um Mitternacht meinen Dienst im Krankenhaus antreten. Hubert hat mir den Wagen zur Verfügung gestellt. Aber zuvor sollte ich ihn heimfahren.« Er starrt aus glasigen Augen auf seine Schwester, die hochaufgerichtet vor ihm steht. Jetzt scheinen sich seine Gedanken zu verwirren. »Nun – und da – und da geschah es – das Unglück. Der Baum – ich sah ihn immer näher kommen – Hubert – der Schlag muß nicht richtig geschlossen gewesen sein. Hubert lag quer vor dem Baum – kein Leben – nur Blut. Da bin ich geflohen – hinein ins Krankenhaus-Romberg –« Er macht eine fahrige Handbewegung. »Ich habe es ihm gesagt.«

      Im Nu steht sie neben ihm, rüttelt ihn an den Schultern. »Was hast du ihm gesagt?« schreit sie ihn an.

      »Daß – ich – ihn – umgebracht – habe«, lallt er und greift erneut zum Glas.

      Zorn steigt wie eine heiße Welle in ihr empor. Sie schlägt ihm das Glas aus der unsicheren Hand, daß es am Boden zerschellt.

      »Du bist verrückt und betrunken.« Verächtlich wendet sie sich von ihm ab und wandert unablässig umher, vor sich hingrübelnd. Schließlich verhält sie vor ihm den Schritt. »Du wirst jetzt dein Zimmer aufsuchen und deinen Rausch ausschlafen.«

      »Geht nicht«, erwidert er widerspenstig. »Muß – ins Krankenhaus –«

      »In diesem Zustand? Man soll dich wohl gleich einsperren?« höhnt sie. Sie zerrt ihn aus dem Sessel und zwingt ihn, neben ihr die Treppe empor zu gehen. Jetzt ist er willig wie ein Kind. Sie bringt ihn in sein Zimmer, das in der Villa immer für ihn bereitsteht. Er wirft sich aufs Bett und läßt sich gehorsam die Schuhe ausziehen. Keine Minute dauert es, dann ist er eingeschlafen.

      Kopfschüttelnd sieht sie auf ihn hinab. Eine furchtbare Nacht. Eine aufregende Nacht und Martin ist darin verstrickt. Romberg hat sie alle in der Hand, sie und auch Martin.

      Sie ist auch völlig erschöpft und sucht ihr Zimmer auf. Aber sie legt sich nicht schlafen. Sie setzt sich im Dunkeln an das offene Fenster und grübelt und grübelt.

      Irgendwie muß sie die Dinge wieder zurechtbiegen, irgendwie, aber noch ist ihr schleierhaft, auf welche Weise.

      *

      Schluckweise trinkt Doktor Romberg den Kaffee, den Sybilla Sanders gebraut hat und dessen Aroma den ganzen Raum durchzieht. Er hält die Augen geschlossen und liegt weit im Sessel zurückgelehnt, die Beine vorgestreckt. Jedes Glied entspannt er, und Doktor Sanders unterbricht mit keinem Wort die wohltuende Stille.

      Wie schön, daß Sie da sind! Hat er es wirklich gesagt? Oder gaukeln ihr das nur die Phantasie und die eigenen Wünsche vor?

      Vor allem das dumme, liebende Herz?

      Wie schön, daß Sie da sind! Herrgott! Wie töricht man sich benimmt, und man ist doch kein Backfisch mehr. Aber man ist auch gar nicht richtig jung gewesen. Ein Elternhaus – ohne Mutter mit einem ehrgeizigen Vater, der sie zwar sehr liebt, aber bei dem sie hat hart arbeiten müssen. Die Schule, das Studium und anschließend die Arbeit im Robert-Koch-Krankenhaus. Und darin ihr Schicksal, das Doktor Romberg heißt und der nicht sie, sondern eine andere liebt.

      Der kaum Notiz von ihr nimmt, falls sie nicht gemeinsam am Operationstisch stehen. Aber da ist sie für ihn nur eine gut arbeitende Maschine. Kein junges liebendes Weib, das sich nach Zärtlichkeiten sehnt wie jede andere Frau.

      Die letzten Stunden haben ihm arg zugesetzt. Sie spürt es mit dem fein ausgebildeten Instinkt der liebenden Frau. Ein liebendes Herz ist wie ein zartbesaitetes Instrument, das auf den leisesten Anschlag reagiert. Etwas hat ihn erschüttert, hat ihn irgendwie gewandelt. Sie sieht es an seiner völligen Erschöpfung. Ihr ist das Herz schwer. Richtig weh tut es ihr. Wie wundervoll mußte es sein, zu ihm gehen zu dürfen, ihm über das dunkle Haar zu streichen, ganz sanft und, behutsam. Kein Wort würde sie sagen, nur wissen sollte er, daß sie da ist, daß sie immer für ihn da ist, selbst wenn er sie nicht bemerkt.

      Ihre Augen hängen mit einem verzweifelten Ausdruck an seinen müden, geliebten Zügen. Im gleichen Augenblick hebt er die Lider, und sofort wendet sie den Kopf, beugt ihn tief über die Kanne und sagt gleichmütig:

      »Noch eine Tasse, Herr Doktor?«

      Er nickt nur, aber er lächelt ein wenig dabei. Er sieht auf ihre Hände, die ihm den braunen Trank in die Tasse gießen. Schöne, schmale, feingliedrige Hände. Chirurgenhände. Merkwürdig! Er war nie recht begeistert von einer Chirurgin. Aber bei ihr ist ihm gar nicht recht zum Bewußtsein gekommen, daß sie eine Frau ist. Sie steht an Können und Zuverlässigkeit einem Manne bestimmt nicht nach. Heute hat er erstmals bemerkt, daß sie wunderschöne klare Augen hat von einer faszinierenden Farbe. Diese Frau wird niemals lügen sinnt er weiter – und empfindet die sie umgebende Stille angenehm.

      Langsam kehren seine Kräfte zu-rück und damit auch das klare Denken.

      »Danke«, sagt er und nimmt die Tasse aus ihrer Hand. »Der Kaffee tut gut. Sie verstehen, ihn zuzubereiten. »Er blickt auf seine Uhr am Handgelenk. »Man müßte noch einmal nach dem Patienten auf Zimmer 22 sehen. Wollen Sie mich begleiten? Oder soll ich Doktor Müller wecken lassen?« Seine Stirn legt sich in Falten. Ärgerlich stößt er hervor: »Dieser Freytag, kommt total betrunken zum Dienst. Man müßte es eigentlich dem Professor melden, wenn man nicht einen so fatalen Geschmack auf der Zunge hätte. Er ist nun einmal Beckers Protektionskind. Was meinen Sie, Doktor Sanders?«

      Sie steht schon auf den Beinen. »Ich fühle mich wieder ganz frisch, Herr Doktor, und begleite Sie gern. Und wegen Freytag?«

      Er trinkt hastig seine Tasse leer und öffnet vor ihr die Tür. Gemeinsam gehen sie den Gang entlang. »Wegen Freytag würde ich auch nichts unternehmen. Er ist jung«, entschuldigt sie ihn. »Er hat Glück, daß Becker zum Ärztekongreß in Paris ist. Ich glaube, das würde selbst er nicht durchgehen lassen«, setzt sie mit feinem Lächeln hinzu.

      »Ich werde ihm den Kopf gehörig waschen und es dabei bewenden lassen«, entschließt er sich. »Es ist an sich eine unangenehme Angelegenheit und dürfte bei einem pflichtbewußten Arzt nicht vorkommen. Aber…« von der Seite her wirft er ihr einen kurzen Blick zu: »Sie haben ihn glänzend vertreten.«

      Ihre plötzlich glühenden Wangen sieht er nicht mehr, denn er hat schon die Klinke der Tür zum Zimmer 22 in der Hand.

      »Kommen Sie«, fordert er sie leise auf, und behutsam treten sie ein.

      Schwester Sieglinde erhebt sich von ihrem Stuhl am Bett des Kranken. Sie hat das Nachtlicht gegen das Bett hin noch abgeschirmt, so daß den Operierten kein Schein trifft.

      »Alles in Ordnung«, flüstert die Schwester, und Romberg nickt. Er nimmt des Kranken Hand, fühlt den Puls und macht ein zufriedenes Gesicht. Er winkt Sybilla Sanders zu sich und läßt sie ebenfalls den Puls fühlen.

      »Gut!« sagt sie. Romberg flüstert Schwester Sieglinde zu, daß sie weiterhin Wache halten soll, und dann verlassen die beiden Ärzte das Zimmer.

      Sie kehren ins Ärztezimmer zurück und nehmen ihre Plätze wieder ein.

      »Wollen Sie sich nicht ein paar Stunden hinlegen?« wendet sich Sybilla an den Arzt. »Mir scheint, wir bekommen Ruhe für den Rest der Nacht.«

      »War eine tolle Nacht«, nimmt er das Gespräch auf und reicht ihr sein Zigarettenetui. »Sechs Unfälle, die reinste Kettenreaktion. Kann sein, der letzte war der Schluß. Aber müde bin ich jetzt nicht mehr. Das macht der starke Kaffee. Doch wenn Sie sich zurückziehen wollen?«

      »Bestimmt nicht!« Sie schüttelt dazu noch heftig den Kopf, um ihre Worte zu unterstreichen, und errötet dann. War das nicht zu spontan? Muß er ihr nicht von der Stirn ablesen, daß sie diese Stunde des Alleinseins mit ihm, die so selten und deshalb überaus kostbar für sie ist, mit vollem Herzen genießt?

      Aber er merkt nichts davon. Er

      hat selbst das Bedürfnis nach Un-

      terhaltung. Er fürchtet sich vor dem

      Alleinsein, weil dann die Gedan-

      ken