Jane Eyre. Шарлотта Бронте. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Шарлотта Бронте
Издательство: Bookwire
Серия: 99 Welt-Klassiker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954180196
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wa­ren er­wach­sen oder ei­gent­lich schon über die al­ler­ers­te Ju­gend hin­aus; das Ko­stüm klei­de­te sie schlecht und gab selbst der hüb­sche­s­ten un­ter ih­nen ein son­der­bar ab­sto­ßen­des Aus­se­hen.

      Ich be­trach­te­te sie noch, und dann und wann auch die Leh­re­rin­nen, von de­nen kei­ne ein­zi­ge mir be­son­ders ge­fiel, denn die Be­hä­bi­ge hat­te et­was ge­wöhn­li­ches, die Dunkle sah sehr trot­zig aus, die Frem­de hef­tig und gro­tesk und Miss Mil­ler, das arme Ding, sah blau­rot und ab­ge­härmt und über­ar­bei­tet aus – da plötz­lich, als mei­ne Bli­cke noch von ei­nem Ge­sicht zum an­de­ren wan­der­ten, er­hob die gan­ze Schu­le sich gleich­zei­tig und wie auf Kom­man­do, als hät­te eine ein­zi­ge Sprung­fe­der sie alle in die Höhe ge­schnellt.

      Was war denn ge­sche­hen? Ich hat­te kei­nen Be­fehl ver­nom­men – ich war ganz be­stürzt. Be­vor ich mich noch ge­sam­melt und ori­en­tiert hat­te, sa­ßen die Klas­sen schon wie­der. Da sich jetzt aber alle Bli­cke auf ei­nen Punkt rich­te­ten, so folg­ten auch die mei­nen je­ner Rich­tung – und fie­len auf die Dame, wel­che mich am vor­her­ge­hen­den Abend emp­fan­gen hat­te. Sie stand am Ka­min, am un­te­ren Ende des Zim­mers, an je­dem Ende des­sel­ben be­fand sich näm­lich ein Ka­min­feu­er. Ernst und ru­hig mus­ter­te sie die bei­den Rei­hen der Mäd­chen. Miss Mil­ler nä­her­te sich ihr und schi­en eine Fra­ge zu tun. Nach­dem sie die Ant­wort er­hal­ten, ging sie an ih­ren Platz zu­rück und sag­te laut:

      »Auf­se­he­rin der ers­ten Klas­se, ge­hen Sie und ho­len Sie den Glo­bus.«

      Wäh­rend die­se Wei­sung be­folgt wur­de, ging die Dame, wel­che be­fragt wor­den war, lang­sam durch das Zim­mer. Ich glau­be, mein Or­gan der Ehr­er­bie­tung muss stark ent­wi­ckelt sein, denn noch heu­te er­in­ne­re ich mich des Ge­fühls von stau­nen­der Be­wun­de­rung, mit wel­chem ich ih­ren Schrit­ten folg­te. Jetzt im hel­len Ta­ges­licht sah sie schlank, groß und statt­lich aus. Brau­ne Au­gen mit wohl­wol­len­dem, kla­rem Blick und fein ge­zeich­ne­te Wim­pern, wel­che sie um­ga­ben, ho­ben die schne­ei­ge Wei­ße ih­rer Stirn noch be­son­ders her­vor. Nach der Mode je­ner Zeit, wo we­der glat­te Schei­tel, noch lan­ge Schmacht­lo­cken en vo­gue wa­ren, trug sie ihr schö­nes, dun­kel­brau­nes Haar in kur­z­en, di­cken Lo­cken an den Schlä­fen zu­sam­men­ge­fasst. Ihre Klei­dung, eben­falls nach der Mode des Ta­ges, be­stand aus dun­kel-vio­let­tem Tuch mit ei­ner Art von spa­ni­schem Be­satz aus schwar­zem Sam­met. Eine gol­de­ne Uhr (Uhren wur­den in je­nen Ta­gen noch nicht all­ge­mein ge­tra­gen) hing an ih­rem Gür­tel. Um das Bild voll­stän­dig zu ma­chen, muss der Le­ser sich noch fei­ne, vor­neh­me Züge hin­zu­den­ken, eine blei­che, aber kla­re Ge­sichts­far­be, eine statt­li­che Hal­tung und Ge­stalt – und dann hat er, so deut­lich wie Wor­te ihn zu ge­ben ver­mö­gen, einen rich­ti­gen Be­griff von dem Äu­ße­ren der Miss Tem­ple – Ma­ria Tem­ple, wie ich spä­ter ein­mal in ei­nem Ge­bet­bu­che las, wel­ches mir an­ver­traut wur­de, um es in die Kir­che zu tra­gen.

      Die Obe­rin oder Vor­ste­he­rin von Lo­wood (denn die­ses Amt be­klei­de­te die Dame) nahm ih­ren Sitz vor ei­nem Glo­bus ein, der auf ei­nem der Ti­sche stand, rief die ers­te Klas­se auf, sich um sie zu sam­meln, und be­gann dann, eine Un­ter­richts­stun­de in Geo­gra­fie zu ge­ben. Die nie­de­ren Klas­sen wur­den von den Leh­re­rin­nen auf­ge­ru­fen: Re­pe­ti­tio­nen in der Welt­ge­schich­te, Gram­ma­tik u.s.w. Dies dau­er­te eine Stun­de. Dann folg­te Arith­me­tik und Schreib­un­ter­richt, und Miss Tem­ple gab ei­ni­gen der grö­ße­ren Mäd­chen Mu­sik­stun­de. Die Dau­er je­der Un­ter­richts­stun­de wur­de nach der Uhr be­mes­sen. End­lich schlug es zwölf. Die Vor­ste­he­rin er­hob sich:

      »Ich habe ei­ni­ge Wor­te an die Schü­le­rin­nen zu rich­ten«, sag­te sie.

      Der Tu­mult, wel­cher stets nach Been­di­gung der Schul­stun­den ein­zu­tre­ten pflegt, hat­te sich be­reits er­ho­ben, aber er leg­te sich so­fort beim Klan­ge ih­rer Stim­me. Sie fuhr fort: »Ihr habt heu­te Mor­gen ein Früh­stück ge­habt, wel­ches ihr nicht es­sen konn­tet, ihr müsst hung­rig sein – ich habe be­foh­len, dass für euch alle ein Ga­bel­früh­stück von Brot und Käse auf­ge­tra­gen wird.«

      Die Leh­re­rin­nen rich­te­ten Bli­cke auf sie, wel­che das größ­te Er­stau­nen ver­rie­ten.

      »Es soll auf mei­ne Verant­wor­tung ge­sche­hen«, füg­te sie hin­zu, ge­wis­ser­ma­ßen in ei­nem er­klä­ren­den Tone für die Da­men; gleich dar­auf ver­ließ sie das Zim­mer.

      Brot und Käse wur­den als­bald her­ein­ge­bracht und ver­teilt, zum größ­ten Er­göt­zen und zur höchs­ten Be­frie­di­gung der gan­zen Schu­le. Und nun er­ging die Or­der: »In den Gar­ten!« Jede Schü­le­rin setz­te einen gro­ben, häss­li­chen Stroh­hut mit Bän­dern von bun­tem Ka­li­ko auf und band einen Man­tel von grau­em Fries um. Ich wur­de in glei­cher Wei­se equi­piert, und dem Stro­me fol­gend mach­te ich mei­nen Weg in die fri­sche Luft hin­aus.

      Der Gar­ten war ein wei­ter Plan, der mit so ho­hen Mau­ern um­ge­ben war, dass er je­den Blick in die Au­ßen­welt un­mög­lich mach­te; eine über­dach­te Ve­ran­da zog sich an der einen Sei­te ent­lang, und brei­te Kies­we­ge um­schlos­sen einen Mit­tel­raum, der in un­zäh­li­ge, klei­ne Bee­te ab­ge­teilt war. Die­se Bee­te wa­ren den Schü­le­rin­nen zum Be­bau­en und zur Pfle­ge über­ge­ben, und je­des Beet hat­te eine Be­sit­ze­rin. Ohne Zwei­fel wa­ren sie sehr hübsch, wenn sie mit blü­hen­den Blu­men be­deckt wa­ren, aber jetzt ge­gen Ende des Mo­nats Ja­nu­ar bo­ten sie dem Auge nur ein Bild der win­ter­li­chen Zer­stö­rung und des trau­ri­gen Ver­falls. Es durch­schau­er­te mich, als ich so da­stand und um­her­blick­te. Der Tag war der Be­we­gung im Frei­en durch­aus nicht güns­tig, es war kein or­dent­li­cher Re­gen, der al­les durch­näss­te, son­dern ein di­cker, gel­ber, her­abrie­seln­der Ne­bel. Der Bo­den un­ter un­se­ren Fü­ßen war durch den gest­ri­gen Re­gen noch gänz­lich durch­weicht. Die kräf­ti­ge­ren un­ter den Mäd­chen lie­fen um­her und be­lus­tig­ten sich mit fröh­li­chen Spie­len: aber un­ter der Ve­ran­da stand eine gan­ze Schar blei­cher, ma­ge­rer Ge­stal­ten, die ängst­lich zu­sam­men­kro­chen, als such­ten sie hier Schutz und Wär­me. Oft er­tön­te aus ih­rer Mit­te, als der dich­te Ne­bel ih­nen fast bis auf die Haut drang, ein hoh­ler, bö­ses ver­kün­den­der Hus­ten.

      Bis jetzt hat­te ich noch mit nie­mand ge­spro­chen und nie­mand schi­en mir son­der­li­che Be­ach­tung zu schen­ken, ganz ein­sam stand ich da; aber an die­ses Ge­fühl der Ver­ein­sa­mung war ich ja ge­wöhnt, es be­drück­te mich nicht mehr als sonst. Ich lehn­te mich ge­gen einen Pfei­ler der Ve­ran­da, zog mei­nen grau­en Man­tel fest um mich zu­sam­men und in­dem ich ver­such­te, die Käl­te, die mich von au­ßen schmerz­te, und den un­be­frie­dig­ten Hun­ger, der von in­nen an mir nag­te, zu ver­ges­sen, gab ich mich ganz der Be­schäf­ti­gung hin, zu be­ob­ach­ten und nach­zu­den­ken. Mei­ne Re­fle­xio­nen wa­ren zu un­be­stimmt und zu frag­men­ta­risch, als dass sie ei­ner Er­wäh­nung ver­dien­ten. Ich wuss­te noch kaum, wo ich mich ei­gent­lich be­fand. Ga­tes­head und mein bis­he­ri­ges Le­ben schie­nen in ei­ner un­er­mess­li­chen Fer­ne zu ver­schwin­den, die Ge­gen­wart war selt­sam und vag und von der Zu­kunft wag­te ich nicht, mir ir­gend ein Bild zu ma­chen. Ich blick­te in dem klös­ter­li­chen Gar­ten um­her, dann zum Hau­se hin­auf. Es war ein großes Ge­bäu­de, des­sen eine Hälf­te grau und alt er­schi­en, wäh­rend die an­de­re ganz neu war. Die­ser neue