»Was ist das?« fragte der zuletztgenannte Herr. »Mr. Fish, wollen Sie wohl die Güte haben, sich darum zu kümmern?«
Mr. Fish bat um Verzeihung, nahm Toby den Brief ab und überreichte denselben mit großer Ehrfurcht dem gnädigen Herrn.
»Vom Ratsherrn Cute, Sir Joseph.«
»Ist das alles? Habt Ihr weiter nichts, Mann!« fragte Sir Joseph.
Toby verneinte.
»Ihr habt keine Rechnung oder Forderung an mich? Mein Name ist Bowlen, Sir Joseph Bowlen; irgendeiner Art von irgend jemand, habt Ihr,« sagte Sir Joseph. »Wenn Ihr eine habt, überreicht sie. Mr. Fish hat das Scheckbuch neben sich liegen. Ich lasse nichts auf das neue Jahr übertragen. Alle Rechnungen werden in diesem Hause mit dem Schluß des alten berichtigt, so daß, wenn der Tod meinen Lebensfaden –«
»Zerschneiden sollte«, half Mr. Fish ein.
»Abtrennen sollte, Sir«, entgegnete Sir Joseph mit großer Schärfe – »dann würden meine Angelegenheiten, hoff’ ich, in vollkommener Ordnung gefunden werden.«
»Mein teurer Sir Joseph!« entgegnete die Dame, die bedeutend jünger war als der Herr. »Wie Sie mich erschrecken!«
»Mylady Bowlen«, entgegnete Sir Joseph, dann und wann gleichsam wie in der großen Tiefe seiner Bemerkung versinkend, »zu dieser Zeit des Jahres sollten wir an uns selbst – denken. Wir sollten nach unseren Rechnungen sehen. Wir sollten fühlen, daß jede Rückkehr einer so wichtigen Periode in den menschlichen Angelegenheiten Geschäfte von höchster Bedeutung zwischen den Menschen und seinem – und seinem Bankier mit sich bringt.«
Sir Joseph sprach diese Worte, als ob er die volle Verantwortung für das empfände, was er sagte, und er wünschte, daß selbst Trotty Gelegenheit haben sollte, durch eine solche Rede gebessert zu werden. Vielleicht war dies sein Zweck, weshalb er das Siegel des Briefes immer noch nicht aufbrach und Trotty sagte, daß er eine Minute warten solle.
»Sie wünschten, Mylady, Mr. Fish sollte –« bemerkte Sir Joseph.
»Mr. Fish hat es gesagt, glaub’ ich«, entgegnete seine Gemahlin nach dem Briefe blickend. »Doch, Sir Joseph, ich kann es bei alledem nicht unterlassen, denk’ ich. Es ist so sehr teuer.«
»Was ist teuer?« fragte Sir Joseph.
»Dieses Liebeswerk. Man hat nur zwei Stimmen für einen Beitrag von fünf Pfund. Wirklich schauderhaft!«
»Mylady Bowlen«, entgegnete Sir Joseph, »Sie setzen mich in Erstaunen. Richtet sich die Wollust der Empfindung nach der Anzahl der Stimmen oder rechnet nicht vielmehr ein ehrliches Gemüt der Anzahl der Bewerber und der tugendhaften Sinnesart derselben? Ist es nicht ein Vergnügen der reinsten Art, zwei Stimmen unter fünfzig Leuten zur Verfügung zu haben?«
»Für mich nicht, das gestehe ich«, entgegnete die Lady. »Es verdrießt einen. Außerdem kann man sich seine Bekanntschaft nicht verpflichten. Freilich, Sie sind des armen Mannes Freund, Sir Joseph. Sie denken anders.«
»Ich bin des armen Mannes Freund«, versetzte Sir Joseph mit einem Blicke auf den anwesenden Mann. »Das kann man mir zum Vorwurf machen. Das ist mir zum Vorwurf gemacht worden. Doch mir liegt an keinem andern Titel.«
»Der Himmel segne den edlen Herrn!« dachte Trotty.
»Ich stimme zum Beispiel mit Cute hierin nicht überein«, sagte Sir Joseph den Brief vor sich haltend. »Ich stimme mit der Partei Filer nicht überein, genug, ich stimme mit keiner Partei. Mein Freund, der arme Mann, hat mit dergleichen nichts zu schaffen und dergleichen hat nichts mit ihm zu schaffen. Mein Freund, der arme Mann, in meinem Kreise, ist meine Sache. Kein Individuum und keine Körperschaft hat ein Recht, sich zwischen meinen Freund und mich zu drängen. Das ist die Basis, auf die ich mich stelle. Ich sage: ›Mein guter Mann, ich will dich wie ein Vater behandeln.‹«
Toby hörte sehr bewegt zu und fing an sich behaglicher zu fühlen, »Du hast es einzig und allein mit mir zu tun, mein guter Mann«, fuhr Sir Joseph fort, indem er zerstreut Toby ansah; »einzig und allein mit mir und brauchst dich dann dein Lebenlang um nichts zu sorgen. Du brauchst dir nicht die Mühe zu nehmen, über etwas selber nachzudenken. Ich will schon für dich denken; ich weiß, was dir gut ist; ich bin beständig dein Vater. Das ist die Ordnung einer allweisen Vorsehung! Der Zweck deiner Schöpfung besteht nicht darin, zu schwelgen und zu schlemmen und deine Freude wie ein unvernünftiges Tier in Essen und Trinken zu setzen« – Toby dachte reuevoll an seine Kaldaunen – »sondern daß du die Würde der Arbeit fühlst. Gehe hinaus, Mann, in die heitere Morgenluft und – und – dort bleibe. Lebe sparsam und mäßig, sei gottesfürchtig, übe dich in der Selbstverleugnung, erziehe deine Familie mit so gut wie nichts, bezahle deine Abgaben so pünktlich wie die Uhr schlägt, sei gewissenhaft in deinen Geschäften (ich gebe dir ein gutes Beispiel; du wirst Mr. Fish, meinen Geheimsekretär, immer mit einer vollen Geldkasse finden), dann wirst du in mir immer einen Freund und Vater finden.«
»Nette Kinder, in der Tat, Sir Joseph!« sagte die Lady mit einem Schauder. »Rheumatismus, Fieber, krumme Beine, Asthma und alle Arten von schrecklichen Krankheiten!«
»Mylady«, entgegnete Sir Joseph feierlich, »nichtsdestoweniger bin ich des armen Mannes Freund und Vater. Nichtsdestoweniger soll er von mir Unterstützung erhalten. Jedes Quartal soll er zu Mr. Fish kommen. Alle Neujahrstage will ich mit meinen Freunden auf seine Gesundheit trinken. Einmal alle Jahre wollen wir, meine Freunde und ich, mit tiefer Empfindung eine Rede an ihn halten. Einmal in seinem Leben mag er vielleicht öffentlich, in Gegenwart der ganzen Gesellschaft, selbst etwas empfangen – eine Kleinigkeit von einem Freunde. Und wenn er, von diesen Anreizungsmitteln und der Würde der Arbeit nicht mehr aufrecht gehalten, in sein stilles Grab sinkt, dann, Mylady« – hier blies Sir Joseph die Nasenflügel auf – »will ich unter denselben Bedingungen der Freund und Vater seiner Kinder sein.«
Toby war auf das tiefste ergriffen.
»O, Sie haben eine dankbare Familie, Sir Joseph!« sagte seine Gemahlin.
»Mylady«, versetzte Sir Joseph ganz majestätisch, »Undankbarkeit ist die Erbsünde dieser Klasse. Ich erwarte keinen anderen Dank.«
»Ach, von Natur böse!« dachte Toby. »Nichts rührt uns!«
»Was ein Mensch tun kann, tue ich«, fuhr Sir Joseph fort. »Ich tue meine Schuldigkeit als des armen Mannes Freund und Vater und suche seinen Geist zu bilden, indem ich ihm bei jeder Gelegenheit die eine große sittliche Lehre, die diese Klasse nötig hat, einpräge, nämlich: gänzliche Abhängigkeit von mir. Sie haben mit sich selber – mit sich selber gar nichts zu schaffen. Wenn ihnen gottlose, ränkesüchtige Menschen etwas anderes sagen, und sie werden ungeduldig und unzufrieden und lassen sich ein aufrührerisches Benehmen und schwarzen Undank zuschulden kommen – was unzweifelhaft der Fall sein wird – selbst dann bin ich immer noch ihr Freund und Vater. Es ist so angeordnet. Es liegt in der Natur der Dinge!«
Bei diesem großen Gedanken machte er des Ratsherrn Brief auf und las denselben.
»Sehr artig und aufmerksam, das ist wahr!« rief Sir Joseph aus. »Mylady, der Ratsherr ist so liebenswürdig, mich daran zu erinnern, daß er ›die ausgezeichnete Ehre‹ – sehr gütig – gehabt habe, mich in dem Hause unseres beiderseitigen Freundes, des Bankier Deedles, zu treffen; und er ist so gütig zu fragen, ob es mir angenehm wäre, wenn Will Fern eingesteckt würde.«
»Höchst angenehm!« entgegnete Lady Bowley, »Der Schlimmste von allen. Er hat hoffentlich einen Raubanfall verübt?«
»Nun,