Daran gewöhnt, wie ein Tier gepeinigt und gehetzt zu werden, duckte sich der Junge, als ihn der Chemiker ansah, und erwiderte den Blick bösartig und hob den Arm, wie um einen erwarteten Schlag abzuwehren.
»Ich beiße«, sagte er, »wenn Sie mich schlagen.«
Vor wenigen Minuten noch hätte dem Chemiker bei einem Anblick wie diesem das Herz geblutet. Jetzt sah er kalt und teilnahmslos hin und fragte mit einer heftigen Anstrengung, sich auf etwas zu besinnen, den Jungen, was er hier suche und woher er käme.
»Wo ist die Frau?« antwortete das Kind. »Ich will zu der Frau.«
»Zu welcher Frau?«
»Zu der Frau, die mich hergebracht und an das große Feuer gesetzt hat. Sie war so lange fort, daß ich sie suchen gegangen bin, und da habe ich mich verlaufen. Ich will nichts von Ihnen. Ich will zu der Frau.«
Er machte plötzlich einen Satz, um zu entkommen. Als das dumpfe Klatschen seiner nackten Füße auf dem Boden schon dicht vor der Portiere ertönte, erwischte ihn Redlaw noch bei seinen Lumpen.
»Lassen Sie mich los!« knirschte der Junge, sich windend, und fletschte die Zähne. »Ich hab Ihnen nichts getan, lassen Sie mich los. Ich will zu der Frau!«
»Das ist nicht der rechte Weg, hier ist's näher«, sagte Redlaw, immer noch bemüht, sich auf etwas zu besinnen, das ihm beim Anblick dieses schrecklichen Geschöpfs in die Erinnerung kommen wollte. »Wie ist dein Name?«
»Ich habe keinen.«
»Wo wohnst du?«
»Wohnen? Was ist das?« Der Knabe schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht, sah ihn einen Augenblick an, dann stellte er ihm ein Bein und wollte sich losreißen:
»Lassen Sie mich los! Ich will zu der Frau.«
Der Chemiker führte ihn zur Tür. »Hier entlang«, sagte er und betrachtete ihn noch immer verwirrt, aber voll Widerwillen und Abscheu. »Ich will dich zu ihr führen.«
Die scharfen Augen des Kindes wanderten im Zimmer umher und erspähten auf dem Tisch die Überreste des Mahles.
»Geben Sie mir etwas davon«, sagte er lüstern.
»Hat sie dir noch nichts zu essen gegeben?«
»Morgen bin ich doch wieder hungrig. Man ist doch jeden Tag hungrig.«
Als er losgelassen war, sprang er auf den Tisch zu wie ein kleines Raubtier, riß Brot und Fleisch an seine zerlumpte Brust und sagte: »So. Jetzt führen Sie mich zu der Frau.«
Voll Abscheu vor seiner Berührung winkte der Chemiker ihm schroff zu, er solle ihm folgen.
Schon war Redlaw fast zur Tür draußen, da blieb er bebend stehen.
»Die Gabe, die ich dir verliehen, sollst du verbreiten, wo du gehst und stehst.«
Die Worte des Gespenstes wehten im Winde, und der Wind wehte sie ihm eiskalt entgegen.
»Ich will heute abend nicht hingehen«, murmelte er leise, »ich will heute abend nirgendwo hingehen. Junge, geh diesen langen gewölbten Gang hinab, an der großen dunklen Tür vorbei, in den Hof! – Dort wirst du das Feuer durch das Fenster sehen!«
»Das Feuer der Frau?« fragte der Junge. Der Chemiker nickte. Und die nackten Füße sprangen davon. Redlaw kam mit der Lampe zurück, verriegelte rasch die Tür und setzte sich in seinen Stuhl, das Gesicht mit den Händen bedeckend, wie jemand, der sich vor sich selbst fürchtet.
Denn jetzt war er wirklich allein. Allein, allein!
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