Unwillig schüttelte sie den Kopf.
»Was denkst du denn? Eugen war nie eine Konkurrenz für dich«, versicherte sie mit Nachdruck. »Übrigens genauso wenig wie Grabmann.«
»Warum hast du Körber dann nicht erwähnt?«
»Weil er völlig unwichtig ist.«
»Hat er dir etwa nicht den Hof gemacht?«, platzte Daniel heraus.
Einen Moment lang starrte Fee ihren Mann an. Dann brach sie in haltloses Gelächter aus.
Er sah sie konsterniert an.
»Was denn? Was ist daran so lustig?«
Es dauerte einen Moment, bis sich Fee so weit beruhigt hatte, dass sie antworten konnte.
»Wenn ich jeder Frau, die dir während unserer Ehe nachgestiegen ist, einen Besuch abgestattet hätte, wäre ich heute noch beschäftigt«, erwiderte sie immer noch lachend und erzählte ihm von der Unterhaltung der beiden Schwestern, deren Zeugin sie unfreiwillig geworden war.
Als er das hörte, blitzten Daniels Augen auf.
»Das haben sie gesagt?« Geschmeichelt legte er den Arm um Fee. »Eigentlich kannst du schon ein bisschen stolz sein auf deinen Mann. Findest du nicht?«
Entrüstet schnappte Fee nach Luft.
»Das glaub ich jetzt nicht«, empörte sie sich. »Und was ist mit dir? Du könntest auch stolz sein, dass mich andere Männer attraktiv finden.«
»Bei dir ist das doch ganz was anderes«, verteidigte sich Daniel, als die Liege ein weiteres, gefährliches Ächzen von sich gab.
Ehe es sich die beiden versahen, machte es ›ratsch‹, der Stoff riss, und sie landeten unsanft auf dem Boden.
Nach dem ersten Schreck sahen sich Daniel und Fee an und brachen in albernes Gelächter aus. Es war ein befreites Lachen, das mit einem tiefen Blick in die Augen endete. Als Anneka ein paar Minuten später auf die Terrasse trat, um ihren Eltern von ihren Neuseeland-Plänen zu erzählen, fand sie sie in inniger Umarmung wieder. Derart beschäftigt mit sich selbst und ihrer Leidenschaft, die auch nach so vielen Jahren noch lichterloh brannte, hatten die beiden die Welt um sich herum vergessen. Unwillkürlich musste Anneka an Noah denken. Auch sie hatten sich einmal so begehrt. Doch anders als bei ihren Eltern waren diese Zeiten ein für alle Mal vorbei, und ohne den leisesten Anflug von Wehmut kehrte Anneka zur Landkarte in ihrem Zimmer zurück.
»Neuseeland?«, fragte Danny Norden, deutliches Missfallen in der Stimme. Er saß auf dem Balkon der Wohnung, die er sich mit seiner Freundin, der Bäckerin Tatjana Bohde teilte, und musterte seine älteste Schwester mit schmalen Augen. Es war ein herrlicher Sommerabend. Die Luft war mild, und die Straßen waren bevölkert. Von unten drangen Stimmengewirr und Musik herauf. Ein vorbeifahrender Roller machte die Illusion eines italienischen Abends perfekt.
»Wieso? Das ist doch irre!«, rief Tatjana aus der Küche, wo sie einen Vorspeisenteller vorbereitete. »Dann können wir sie besuchen. Da wollte ich immer schon mal hin.« Geschickt drapierte sie Selleriestifte in einer Kugel Gorgonzola-Creme. Tomaten-Mozzarella-Spieße, gegrilltes, eingelegtes Gemüse, Oliven und Parmesan komplettierten das leichte Abendessen. Dazu reichte sie ein Oliven-Brot, das sie extra aus der Bäckerei mitgenommen hatte. Nur sie selbst wusste, wie sie es schaffte, dass die Platte trotz ihrer Sehbehinderung aussah wie vom Feinkost-Italiener. Zufrieden mit ihrem Arrangement gesellte sie sich zu Anneka und Danny auf den Balkon und stellte Teller und Brotkorb auf den Tisch. »Wusstet ihr, dass die Neuseeländer einen Plan ausgeheckt haben, um eine vom Aussterben bedrohte Papageienart zu retten?«, fragte sie mit glänzenden Augen.
»Ich weiß, was du meinst. Ich hab eine Dokumentation über Neuseeland gesehen.« Anneka nickte mehrmals hintereinander. »Da wurde auch über die Kakapos und dieses Schutzprogramm berichtet. Wenn ich dort mein Berufsvorbereitungsjahr als Erzieherin absolviere, kann ich mir das an den Wochenenden und im Urlaub alles anschauen. Und nebenbei mein Englisch verbessern.« Sie griff nach einem Stück Sellerie, tauchte es in die Gorgonzola-Sauce und knabberte daran.
»Gibt es da keine gefährlichen Tiere?«, fragte Danny. Es war ihm anzusehen, dass er mit den Plänen seiner Schwester nicht einverstanden war. Das nahm nicht wunder, hatte sich sein Bruder Felix doch während der praktischen Pilotenausbildung in Arizona mit einem Tropenvirus infiziert und nur mit knapper Not überlebt. Seitdem hätte Danny seine Geschwister am liebsten zu Hause eingesperrt. »Irgendwelche Spinnen? Schlangen? Giftige Quallen?« Er ließ ein Salatblatt durch die Luft schwimmen, und
Anneka lachte. Gleichzeitig schüttelte sie den Kopf. Sie hatte sich bereits umfassend über das Land ihrer Träume informiert.
»Es gibt eine Spinnenart, die sogenannte Katipo. Sie lebt an der Nordküste zwischen Treibholz und Gräsern. Tropenkrankheiten gibt es übrigens auch nicht.« Sie zwinkerte ihm zu.
Wohl oder übel musste Danny einsehen, dass seine Ängste unbegründet waren.
»Und wann soll es losgehen?«
»Im Oktober.«
Tatjana klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen.
»Das ist ja bald! O Mann, am liebsten würde ich gleich mitkommen. Ich wollte schon immer mal wissen, wie Regenwald riecht und das Geräusch der gigantischen Wasserfälle hören. Und die neuseeländische Küche erst … O Mann, ich beneide dich so. Du wirst sehen: So ein Auslandsaufenthalt erweitert den Horizont enorm.« Sie drückte Annekas Hand und strahlte sie an.
Im Gegensatz zu seiner Freundin war Danny noch immer alles andere als begeistert.
»Was sagen denn Mum und Dad dazu?«, stellte er eine weitere Frage. Unvermutet landete er einen Volltreffer.
Anneka senkte den Kopf.
»Denen hab ich’s noch nicht gesagt«, murmelte sie. »Ich wusste bis vor ein paar Tagen ja selbst noch nicht, dass ich das Auslandspraktikum doch machen kann. Aber jetzt, nachdem ich reinen Tisch mit Noah und Jakob gemacht hab, hält mich nichts mehr auf.«
Danny lehnte sich zurück und musterte sie mit verkniffener Miene.
»Also, ich weiß nicht. Das klingt alles viel zu perfekt, um wahr zu sein. Bestimmt gibt es auch einen Haken. Wie sieht’s zum Beispiel mit …« Er wollte gerade mit der Aufzählung beginnen, als Tatjana ihm ins Wort fiel.
»Das ist mal wieder typisch! Nur ja nichts Neues ausprobieren, es könnte ja aufregend sein«, spottete sie.
»Damit bin ich bisher gut gefahren!« Danny dachte nicht daran, auf die Herausforderung einzugehen. »Mal abgesehen davon, dass du Aufregung genug bist in meinem Leben.«
»Oh, echt? Dabei hab ich mich gerade erst warmgelaufen.« Sie zwinkerte ihm zu und schob einen Tomaten-Mozzarella-Spieß in den Mund.«
Danny schnitt eine Grimasse.
»Wenn das so ist, komm ich mit nach Neuseeland.« Er wandte er sich an seine Schwester. »Braucht der Kindergarten einen fähigen Arzt?«
Mit blitzenden Augen wiegte Anneka den Kopf.
»Der arme Dad. Du kannst ihn doch nicht auch noch verlassen. Zuerst Wendy, dann ich, und jetzt kommst du auch noch daher. Mal abgesehen von Felix, der sich im Kindersanatorium vergnügt.«
»Und dort die Teenager aufmischt, der alte Schwerenöter.« Danny schmunzelte, ehe seine Gedanken weiter eilten. »Wendy kommt ja morgen schon wieder.« Er griff nach der Flasche Bier. »Ich bin gespannt, ob sie überhaupt noch Lust auf Arbeit hat. Neulich am Telefon klang sie superentspannt.«
Tatjana winkte ab.
»Ach, sobald sie hinter dem Tresen am Schreibtisch sitzt, ist sie wieder in ihrem Element.«
»Schon möglich. Auf jeden Fall werden wir sie morgen früh mit allen Ehren