»Wohin willst du?«, rief das Mädchen ihr nach.
Anneka drehte sich noch einmal um.
»Zu meinem Freund. Wir haben eine Verabredung zum Spieleabend.« Sie sahen sich an und brachen gleichzeitig in Lachen aus.
»Klingt spannend«, stellte Josephine fest.
»Finde ich auch.« Anneka zwinkerte ihr zu. »Sag Titus schöne Grüße von mir.« Ein letztes Lächeln voller Verbundenheit, und dann war Josy allein mit sich und ihren Gedanken und guten Vorsätzen. Dank Anneka gab es eine neue Chance für sie und Titus, und sie wollte aus ihren Fehlern lernen und ihren Teil dazu beitragen, dass ihre Liebe eine Zukunft hatte.
*
»Du kannst jetzt zu ihm.« Schwester Nadine hatte ihr Versprechen gehalten und winkte Josephine mit sich. »Er ist vor ein paar Minuten aufgewacht. Wundere dich nicht, wenn er nicht mit dir redet. Das ist normal nach solchen Eingriffen. Falls ihr Hilfe braucht, sagst du einfach einer Schwester Bescheid.« Sie half Josy in einen sterilen Kittel und setzte ihr eine Haube auf. »Hübsch siehst du aus«, scherzte sie.
»Wahrscheinlich trennt er sich direkt von mir, wenn er mich so sieht.«
Über diese Befürchtung konnte Nadine nur lachen.
»Im Augenblick hat er ganz andere Sorgen«, versprach sie. »Und ich bin ganz sicher, dass die Freude darüber, dich zu sehen, alles andere überwiegt.« Sie wollte Josephine schon in den Wachraum schicken, als ihr noch etwas einfiel. »Ach ja, und bitte keine Krisengespräche am Krankenbett. Aufregung ist das Letzte, was der junge Mann jetzt brauchen kann.«
»Ich geb mir Mühe«, versprach Josy feierlich und trat durch die Tür.
Titus lag gleich am Eingang in einem Bett. Durch Wandschirme war es von den anderen Patienten getrennt. Er schien zu schlafen. Vor Aufregung schlug Josephine das Herz bis zum Hals.
»Hallo, Titus«, sagte sie leise.
Er öffnete die Augen und musterte sie eine gefühlte Ewigkeit, ohne die geringste Regung zu zeigen. Mit jeder Minute sank Josys Mut, und sie hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als das Wunder doch noch geschah: Titus lächelte.
Dieses kleine Zeichen gab ihr neuen Auftrieb.
»Danny und Anneka haben gesagt, dass ich unbedingt kommen soll.«
Schüchtern stand sie neben seinem Bett und wagte kaum, ihn anzusehen. »Dabei weiß ich ja noch nicht mal, ob du mich überhaupt noch sehen willst.« Ihre Stimme war rau vor Aufregung. Sie räusperte sich, ehe sie fortfuhr. »Ich erzähl dir, dass ich dich liebe, aber dann vertrau ich dir nicht und mach dir ständig Vorwürfe.« Josy konnte seinem Blick nicht länger standhalten und senkte den Kopf. Verlegen kaute sie auf ihrer Unterlippe, als sie spürte, wie er nach ihren Fingern tastete und schließlich ihre Hand nahm. »O, Titus, ich hab’s jetzt endlich kapiert. Ich versprech dir, dass ich mich nicht mehr so blöd benehmen werde. Wir müssen uns nicht jeden Tag sehen. Jeder von uns soll auch noch ein eigenes Leben haben, damit wir nicht irgendwann mal aus Langeweile einen Spieleabend veranstalten.«
Da er nicht sprechen konnte, schnitt er eine Grimasse. Josy kicherte, ehe sie wieder ernst wurde.
»Ich hab in den letzten Tagen wirklich viel über uns nachgedacht … na ja, eigentlich mehr über mich«, gestand sie. »Über meine blöde Eifersucht …«
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Danny Norden kam herein. Als er Josy sah, lächelte er und nahm sich vor, seiner Schwester bei nächster Gelegenheit zu ihrer Entscheidung zu gratulieren.
»Schön, dich zu sehen.« Er nickte ihr freundlich zu, ehe er an Titus‘ Bett trat. »Na, wie geht’s dir, Sportsfreund?«
Der hielt die Hand hoch und zeigte mit Mittel- und Zeigefinger ein V.
»Das bedeutet Sieg«, übersetzte Josephine die Zeichensprache.
»Vielen Dank, aber so alt bin ich noch nicht.« Danny lachte und wollte sich wieder an seinen Patienten wenden, als Josy ihn davon abhielt. Sie hatte noch etwas auf dem Herzen, was sie unbedingt loswerden musste.
»Ich will mich noch entschuldigen für meinen Auftritt in der Praxis«, murmelte sie zerknirscht und wagte es kaum, ihren Freund anzusehen. Was mochte Titus nur von ihr denken, wenn er das erfuhr? Aber es nützte nichts. Wenn sie eine echte Chance haben wollte, musste sie in den sauren Apfel beißen und reinen Tisch machen. »Es war ziemlich blöd von mir, mit einem Anwalt zu drohen. Mein Vater hat mich ausgelacht und gesagt, dass ich endlich erwachsen werden soll.«
»Da hat er nicht so unrecht«, gab Danny freundlich, aber bestimmt zurück.
»Ich weiß es ja. Und ich gelobe wirklich Besserung. Das hab ich auch schon Titus gesagt. Nicht wahr?« Sie schickte ihrem Freund einen flehenden Blick.
Sein Lächeln war Antwort genug, und erleichtert atmete Josephine auf.
»Er wird in der nächsten Zeit ein bisschen wortkarg sein«, warnte Danny schmunzelnd.
»Das ist mir alles egal«, erklärte Josy innig. Sie beugte sich über ihren Freund. »Hauptsache, du wirst wieder gesund.«
»Dafür stehen die Chancen überraschend gut.« Danny Norden war auch gekommen, um seinen Patienten über die Prognose zu informieren. »Ich hab vorhin die Ergebnisse aus dem Labor bekommen. Der erste Verdacht hat sich entgegen allen Erwartungen nicht bestätigt.«
Zum Zeichen seiner Erleichterung stieß Titus ein tiefes Seufzen aus. Josephine musterte ihn mit Tränen in den Augen.
»Dann muss ich dich eigentlich nur noch eines fragen.« Sie sah hinunter auf ihre ineinander verschlungenen Finger. Die ganze Zeit hatte Titus ihre Hand nicht losgelassen. War das ein gutes Zeichen? Sie musste es herausfinden. Jetzt. Sofort. »Gibst du uns noch eine Chance? Darf ich dir beweisen, dass ich mich wirklich ändern kann?« Ihre leise Stimme zitterte. Sie wagte kaum zu atmen, als sie spürte, wie sich eine Hand in ihren Nacken legte und sie nach unten zog.
Als sich die Lippen der beiden zu einem innigen Versöhnungskuss fanden, wandte sich Danny ab und schlich aus dem Zimmer. Das, was er noch zur Behandlung zu sagen hatte, konnte bis morgen warten. Auch für ihn wurde es Zeit, endlich nach Hause zu gehen. Plötzlich sehnte er sich danach, der Frau seines Herzens wieder einmal zu zeigen, wie sehr er sie liebte und brauchte.
»Nanu, bist du der neue Frühstücksdirektor?«, begrüßte Felicitas Norden ihren Mann, als sie an diesem Sonntagmorgen in die Küche kam, wo Daniel mit Wasserkocher und Frenchpress hantierte.
»Lenni sitzt am Laptop. Sie hat keine Zeit.« Daniel küsste Fee beiläufig, ehe er sich wieder dem Kaffee zuwandte. »Wie viele Löffel Kaffeepulver sind jetzt schon drin?«
Sie musterte die Glaskanne mit Kennerblick.
»Ungefähr drei.« Mit Kennerblick bemerkte Fee auch den Brotkorb, der auf der neben einem gut bestückten Tablett auf der Theke stand. Sie fischte das Randstück heraus und biss hinein. »Was macht Lenni denn am Computer?«
»Sie will das Zeitschriftensortiment ausbauen.« Lennis Lebensgefährte Oskar kam herein und griff nach dem Tablett. »Ich weiß wirklich nicht, ob das unbedingt sein muss.«
Fee folgte ihm ins Esszimmer, um ihm beim Tischdecken zu helfen.
»Die Konkurrenz schläft nicht. Tatjana will mehr Kunden in den Laden locken.