Herd und Schwert. Fritz Skowronnek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fritz Skowronnek
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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den Feind klein.«

      Leider aber wollte ihr System nicht verfangen, so niedlich ihre Töchter auch waren, und so schmachtende Blicke sie auch in unbewachten Momenten auf den jungen Gutsherrn warfen.

      Der war freilich, so wie sich für jeden Gastgeber gehört, die Liebenswürdigkeit selbst, aber – gegen alle, und das, war ja gerade, was so zum Verzweifeln war.

      Zum Glück blieb die Strawischke nicht mit Ihrer Enttäuschung allein, sondern sie wurde von allen Müttern heiratsfähiger Töchter geteilt, so dass sich allmählich die Zahl der Einladungen, denen der Herr von Berg ausgesetzt war, immer mehr und mehr verringerte.

      Und das zur Freude des jungen Gutsherrn, der kein großer·Freund von großen Bekanntschaften war, sondern sich am glücklichsten fühlte, wenn er mit sich oder ein paar gleichgestimmten Seelen allein war.

      Ja, das ließ sich gut sagen: »gleichgestimmte Seelen«. Woher aber die nehmen? Und da traf es sich gut, dass eines Tages ein Brief kam.

      »Ja, lieber Freund, ist es denn wahr, dass du seit so geraumer Zeit so ganz in unserer Nähe bist, und nichts hast von dir hören lassen? Ist es dem großen Gutsherrn vielleicht nicht bekannt, dass drüben, über der Grenze, ein anderer Gutsherr sitzt, der sich unter sechstausend Banausen mopst und sich nach einer Menschenseele sehnt, die ihn versteht? Ist deine Ehe mit Frau Musika schon getrennt, oder schmachtest du schon in anderen, weniger geistigen, aber dafür umso süßeren Ehefesseln? Das muss ich alles sehen; dem allem muss ich auf den Grund kommen. Mache dich daher gefasst, dass ich dich nächstens einmal überrumple. Heute aber schicke ich gleichzeitig mit diesem meinem Geschreibsel noch meine Visitenkarte an dich ab. Kola.«

      Ja, wahrhaftig, an Nikolai von Roth hatte Kurt von Berg eine ganze Ewigkeit nicht gedacht, am allerwenigsten in der letzten Zeit.

      Wieso und warum, das war ihm selber nicht klar, jetzt aber freute er sich auf den kommenden Besuch, und das umso mehr, als die Visitenkarte, die Nikolai von Roth abgeschickt hatte, sich als ein schönes dickbauchiges Cello entpuppte, auf dem Kola ein Meister war, während er nach dem Tod der Tante seine Geige arg vernachlässigt hatte.

      Jetzt aber suchte er sie hervor, und er streichelte sie mit seiner Hand und mit seinen Blicken, gleich als wollte er ihr das Unrecht abbitten, das er an ihr getan hatte.

      Ja, ja, Frau Musika, jetzt kehrt der Sünder reuig wieder zu dir zurück! Er nahm die köstliche Geige behutsam aus Ihrem Kasten, legte sie an seine Schulter an und ließ durch einen Griff seiner Finger ihre Saiten erklingen. Dann strich er mit feinem Bogen darüber hinweg und entlockte ihnen die süßen, herrlichen, langentbehrten, zitternden, schwingenden Töne.

      Wie ein Rausch kam es über ihn, wie eine Erfüllung.

      Ton an Ton reihte sich ihm wie in herrlicher Schönheit; alles, was in seiner eigenen Seele verborgen lag, legte er in die Seele des Holzes; tongewordene Träume entströmten dem herrlichen Instrumente. Alle Sehnsuchten des Herzens klangen wie ein Strom lockenden Werbens heraus.

      Lockenden Werdens und sieghaften Wollens, denn was er spielte, war zum Liebesliede geworden.

      Auf dem Korridor draußen lauschte der alte Jons und spitzte die Ohren. So etwas hatte er noch nicht gehört, so lange das Haus stand. Unten in der Küche, bis zu der die nie gehörten Klänge unbestimmt und verschwommen herunterklangen, legte die Köchin, die alte Maria ihren Kartoffelnapf weg, und die Dore, die gerade Zwiebeln schnitt, begann mit tränenden Augen und schluchzender Stimme zu singen:

      »Ach Gott, ach Gott, wie ist mir arg,

      Mein Schatz der ist in Königsbarg.«

      Oben aber, in des Herrn Zimmer, legte dieser seine Geige weg; der verklärte Ausdruck blieb aber noch eine ganze Weile auf seinen Zügen liegen.

      Zwei Tage später kam Nikolai von Roth.

      Frisch, rot, pausbäckig und mit lachenden Augen wie immer.

      »Na du,« rief er dem ihn erwartenden Freunde zu, »du kannst mir gestohlen werden. Seit einem halben Jahr ist er hier und lässt nichts von sich hören, und nur dem Zufall muss man es danken, wenn man’s erfährt. Ist das die Freundschaft? Dann dank’ ich allergehorsamst dafür. So, und damit wir wenigstens unser Trio beisammen haben, habe ich den da, meinen Bruder, gleich mitgenommen. Und das,« – und er wies auf einen jungen, blassen, sehr elegant und geschniegelt aussehenden jungen Mann mit kleinem, sorgsam gepflegten Schnurrbärtchen – »das ist mein Sekretär, Herr von Iwolski. Na, ihr werdet euch ja kennen lernen, denn so schnell bringst du uns nicht wieder weg.«

      Er sprach in der offenen, lebhaften Art, die seinem Wesen entsprach, aber mit dem eigentümlichen, getragenen, breiten Tone der Balten.

      Kurt von Berg schüttelte ihm freudig die Hände, ebenso Bogdan von Roth, der ihm auch ein lieber Bekannter war, wenn er ihm auch nicht so nahe stand wie Nikolai. Den Sekretär aber begrüßte er mit jener entgegenkommenden Zurückhaltung, die jedem Fremden gegenüber angebracht ist. Die Bratsche und die Violine standen schon bereit.

      »Ne, lieber Junge,« sagte aber Nikolai von Roth. »Erst essen. Wir haben nämlich einen mordsmäßigen Appetit nach dieser Fahrt. Es sind doch zweihundert Werst, die wir zurückgelegt haben, und der Frühling liegt uns überdies noch in allen Gliedern. Außerdem weißt du ja, die Seele des Menschen liegt in unserem Magen. War es nicht Kuno Fischer, der uns das gelehrt hat? Nein? Nu, dann war es ein anderer.« und er schob seinen Arm in den seines Freundes und ließ sich von ihm in das Esszimmer führen.

      Speisesaal konnte man es füglich wohl nennen.

      Die Frühstückstafel war schon gedeckt. Mit Kennermiene wurde sie von Nikolai von Roth überflogen.

      »Ja,« sagte er, »das tut’s. Da wollen wir einmal auf russische Art frühstücken, nicht wahr, Timofei Simonowitsch?«

      »Wie ist das?« fragte der Sekretär, an den diese Worte gerichtet waren.

      Herr von Roth lachte.

      »Da ist er ein Russe und ich, ein Deutscher, muss ihm das erst erklären: ein russisches Frühstück fängt früh an und ist abends noch nicht zu Ende. So wollen wir’s halten. Stimmt’s?«

      »Wenn die Vorräte reichen, warum nicht?« sagte Herr von Berg lachend.

      Das Frühstück zog sich zwar nicht ganz so in die Länge, wie Nikolai von Roth das vorausgesagt hatte, reichte aber doch ziemlich weit in den Tag hinein und war zweifellos das anregendste und gemütlichste, das Kurt von Berg bisher in seinem neuen Heime zu sich genommen hatte, denn es ging plötzlich in das Mittagessen über.

      Man hatte über tausenderlei Dinge gesprochen, Berliner Erinnerungen ausgetauscht und über Musik und Weiber gesprochen.

      Hauptsächlich natürlich über Musik.

      »Ja,« sagte Kola, »dass dir die hier fehlt, das begreif’ ich. Ich finde es nur spaßhaft, dass du ausgerechnet auf mich warten musstest, um dich ihrer wieder zu erinnern. Aber freilich, wenn einem das Pusten und Prusten des Dampfpflugs, wenn einem der Takt der klappernden, schlagenden Dreschflegel, wenn einem der Milchstrom der Kühe zur Musik geworden ist, dann ist es ja möglich, die Kunst zu vergessen. Ich aber bin nur Bauer von sechs bis acht – von sechs Uhr früh bis abends um acht, mein’ ich natürlich, und bin es, frag’ nur die da, mit Stolz und mit Leidenschaft; dann aber zieh’ ich den Bauernkittel oder den Gutsherrnrock aus und werde wieder Salonmensch und Künstler. Ach, Künstler! Weißt du noch, Kurt wie wir davon geträumt haben, als Künstler die Welt zu durchzieh’n? Du, Bogdan und ich? Und wie wir eine vierte gesucht haben, die mit uns zieht? Aber wer weiß, wozu das gut ist, dass es nicht so geworden ist. Im Übrigen siehst du in uns hier«, und er zeigte auf sich, Bogdan und Herrn von Iwolski, »das Fleisch und Bein gewordene Trio: Ich immer noch a11egro vivace, ma non troppo, Bogdan das Andante und unser lieber Herr Sekretär hier das Adagio molto moderato

      »Sind Sie denn auch musikalisch?« wandte sich Herr von Berg an Herrn von Iwolski.

      »Es gibt keinen Russen,« antwortete dieser, »der es nicht wäre. Aber ich spiele nicht.«

      »Gar nichts?«

      »Nein.«

      »Dann