»Herr« … murmelte Margarethe, ihre Augen unwillkürlich ebenfalls nach dem Cabinet wendend, während der Bearner, da er seine List gelungen sah, in den Bart lachte.
»Hört also, was ich thun will,« fuhr er fort, indem er sich den Anschein gab, als bemerkte er die Unruhe der jungen Frau gar nicht, »ich will …«
»Herr,« rief Margarethe aufstehend und den König beim Arme fassend, »erlaubt, daß ich Athem schöpfe die Aufregung, die Hitze, ich ersticke …«
Margarethe war wirklich bleich und zitterte, als ob sie zu Boden sinken wollte.
Heinrich eilte auf ein in gehöriger Entfernung liegendes Fenster zu und öffnete es. Dieses Fenster ging auf den Fluß.
Margarethe folgte ihm.
»Stille! Stille! Sire! aus Schonung für Euch,« murmelte sie.
»Ei! Madame, versetzte der Bearner, »auf seine Weise lächelnd, »habt Ihr mir nicht gesagt, wir wären allein.«
»Ja, Herr, wißt Ihr aber nicht, daß man mittelst eines durch die Decke oder durch eine Wand geschehenen Rohres Alles hören kann?«
»Gut, Madame, gut,« sprach lebhaft und ganz leise der Bearner. »Ihr liebt mich nicht, aber Ihr seid eine redliche Frau.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Ich will damit sagen, daß Ihr, wenn Ihr fähig wäret, mich zu verrathen, mich hättet fortfahren lassen, da ich mich allein verrieth. Ihr habt mich zurückgehalten. Ich weiß nun, daß Jemand hier verborgen ist, daß Ihr eine ungetreue Gattin, aber eine getreue Verbündete seid, und für diesen Augenblick,« fügte der Bearner lächelnd bei, »bedarf ich offenherzig gestanden, mehr der Treue in der Politik, als in der Liebe.«
»Sire,« murmelte Margarethe ganz verwirrt.
»Gut, gut, wir sprechen von Allem dem später, wenn wir uns einander besser kennen werden,« sagte Heinrich.
Dann zuckte er die Achseln und fuhr fort:
»Athmet Ihr jetzt freier, Madame?«
»Ja, Sire, ja,« murmelte Margarethe.
»In diesem Fall,« verfehle der Bearner, »will ich Euch nicht länger belästigen. Ich war Euch nur meine Achtungsbezeigung und ein freundschaftliches Zuvorkommen schuldig. Wollt Beides, wie ich es biete, von gutem Herzen annehmen. Legt Euch nieder, und gute Nacht.«
Margarethe schlug zu ihrem Gemahl ein Auge, glänzend von Dankbarkeit auf, reichte ihm ebenfalls die Hand und sprach:
»Es ist abgemacht.«
»Politisches Bündniß frei und redlich?« fragte Heinrich.
»Frei und redlich.«
Dann ging der Bearner nach der Thüre, mit dem Blicke Margarethe wie bezaubert nach sich ziehend. Als der Vorhang zwischen ihnen und dem Schlafgemache niedergefallen war, sprach Heinrich rasch und mit leiser Stimme:
»Ich danke, Margarethe, ich danke! Ihr seid eine wahre Tochter von Frankreich. Ich scheide ruhig. In Ermangelung Euerer Liebe wird mir wenigstens Euere Freundschaft nicht entgehen. Ich zähle auf Euch, wie ihr auf mich zählen könnt. Gott befohlen, Madame!«
Und Heinrich küßte die Hand seiner Frau, während er dieselbe sanft drückte. Dann kehrte er mit schnellem Schritte in seine Wohnung zurück. Im Corridor aber sagte er zu sich selbst:
»Wer Teufel ist bei ihr? ist es der Königs ist es der Herzog von Alençon? ist es der Herzog von Guise? ist es ein Bruder? ist es ein Liebhaber? ist es das Eine und das Andere? In der That, es thut mir jetzt beinahe leid, daß ich mir von der Baronin die Zusammenkunft erbeten habe. Da aber mein Wort verpfändet ist, und Dariole mich erwartet… gleich viel;… ich fürchte, sie wird ein wenig dadurch verlieren, daß ich durch das Schlafgemach meiner Gemahlin gegangen bin, denn Ventre-saint-gris! diese Margot, wie sie mein Schwager, Karl IX. nennt, ist ein bewunderungswürdiges Geschöpf.
Mit einem Schritte, in dem sich ein leichtes Zögern verrieth, stieg Heinrich von Navarra die Treppe hinauf, welche zu den Gemächern von Frau von Sauves führte.
Margarethe war ihm mit den Augen gefolgt, bis er verschwand, und dann in ihr Zimmer zurückgekehrt.
Sie fand den Herzog an der Thüre des Cabinets. Dieser Anblick verursachte ihr beinahe einen Gewissensbiß.
Der Herzog war ernst, und seine gefaltete Stirne deutete bittere Gedanken an.
»Margarethe ist heute neutral,« sprach er, »Margarethe wird in acht Tagen feindselig sein.«
»Ihr, Ihr habt gehört?« versetzte Margarethe.
»Was sollte ich in dem Cabinet thun?«
»Und Ihr findet, »daß ich mich anders benommen habe, als sich die Konigin von Navarra benehmen mußte?«
»Nein, aber anders, als sich die Geliebte des Herzogs von Guise zu benehmen hatte.
»Mein Herr,« antwortete die Königin, »ich kann meinen Gemahl nicht lieben, aber Niemand ist berechtigt, von mir zu verlangen, daß ich ihn verrathe. Sprecht ehrlich, würdet Ihr die Geheimnisse der Prinzessin von Porcian, Euerer Gemahlin, verrathen?«
»Gut, gut, Madame,« versetzte der Herzog, den Kopf schüttelnd. »Ich sehe, daß ihr mich nicht mehr liebt, wie in den Tagen, wo Ihr mir erzähltet, was der König gegen mich und die Meinigen anzettelte.«
»Der König war der Starke, und Ihr waret die Schwachen. Heinrich ist der Schwache und ihr seid die Starken. Ich spiele immer dieselbe Rolle, wie Ihr seht.«
»Nur geht Ihr von einem Lager in das andere über.«
»Das ist ein Recht, welches ich erlangte, indem ich Euch das Leben rettete.«
»Wohl, Madame, und da man, wenn man sich trennt, unter Liebenden Alles das zurückgibt, was man sich zuvor geschenkt hat, so werde ich Euch ebenfalls das Leben retten, und wir sind quitt.«
Und der Herzog verbeugte sich und ging ab, ohne daß Margarethe auch nur eine Geberde machte, um ihn zurückzuhalten.
Im Vorzimmer fand er Gillonne, die ihn bis in das Zimmer des Erdgeschosses führte, und in dem Graben seinen Pagen, mit welchem er in das Hotel Guise zurückkehrte.
Während dieser Zeit stellte sich Margarethe, in Träume versunken, an ihr Fenster.
»Welch eine Hochzeitnacht!« murmelte sie, »der Gemahl flieht mich und der Geliebte verläßt mich!«
In diesem Augenblick ging auf der andern Seite des Grabens ein von der Tour de Bois zurückkehrender Schüler, die Faust auf der Hüfte, vorüber und sang:
Pourquoi doncques quand je veux
Ou mordre tes beaux cheveux,
Ou baiser ta bouche aimée,
Ou toucher à ton beau sein,
Contrefais-tu la nonnain
Dedans un cloitre enfermée?
Pourquoi gardes-tu tes yeux
Et ton sein delicieux,
Ton front, ta lèvre jumelle?
En veux-tu baiser Plutou,
Là-bas après que Caron,
T’aura mise en sa nacelle?
Après ton dernier trépas,
Belle, tu n’auras là-bas
Qu’une bouchette blêmie;
Et quand, mort, je te verrai,
Aux ombres je n’avouerai
Que jadis tu fus ma mie!
Doncques tandis que tu vis,
Change, maîtresse, d’avis,
Et ne m'épargne ta bouche
Car au jour ou tu mourras
Lors tu te repentiras
De m’avoir été farouche.