Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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oder mit seinen trivialen Vertraulichkeiten verschonte, und während er seine drei anderen Töchter, Adelaide, Victoire und Sophie, Loque, Chiffe und Graille nannte, nannte er Louise von Frankreich Madame.17

      Seitdem der Marschall von Sachsen die Seele der Turenne und der Condé, und Maria Leczinska den Geist des Benehmens von Maria Theresia mit in das Grab genommen hatten, machte sich Alles klein um den verkleinerten Thron; da bildete Madame Louise, eine Frau von wahrhaft königlichem Charakter, welche vergleichungsweise heldenmüthig erschien, den Stolz des Hofes, der mitten unter seinem Rauschgold und seinen falschen Steinen nur noch diese kostbare Perle besaß.

      Wir sagen deshalb nicht, Ludwig XV. habe seine Tochter geliebt, Ludwig XV. liebte bekanntlich nur sich selbst. Wir behaupten nur, daß er größere Stücke auf sie hielt, als auf die Andern.

      Als er eintrat, sah er die Prinzessin allein mitten in der Gallerie, auf einen mit Blutjaspis und Lapis-lazuli incustirten Tisch gestützt.

      Sie war schwarz gekleidet; ihre schönen ungepuderten Haare verbargen sich unter einem dopelten Geschoße von Spitzen; minder streng als gewöhnlich, war ihre Stirne vielleicht trauriger als in andern Stunden. Sie betrachtete nichts um sich her, nur zuweilen ließ sie ihre schwermütigen Augen über die Portraite der Könige Europa’s laufen, an deren Spitze ihre Ahnen, die Könige von Frankreich, glänzten.

      Das schwarze Costume war die gewöhnliche Reisetracht der Prinzessinnen; es verbarg die langen Taschen, welche man zu jener Zeit trug, wie in den Zeiten der wirthschaftlichen Königinnen, und Madame Louise hatte an ihrem Gürtel, gehalten von einem goldenen Ringe, die zahlreichen Schlüssel ihrer Kisten und Schränke.

      Der König wurde sehr nachdenkend, als er sah, mit welchem Stillschweigen und besonders mit welcher Aufmerksamkeit man den Erfolg dieser Scene erwartete.

      Doch die Gallerie war so lang, daß sich die Zuschauer, an die beiden Enden gestellt, feinen Verstoß gegen die Discretion für die handelnden Personen zu Schulden kommen lassen konnten. Sie sahen, das war ihr Recht; sie hörten nichts, das war ihre Pflicht.

      Die Prinzessin ging dem König einige Schritte entgegen, nahm seine Hand und küßte sie ehrfurchtsvoll.

      »Man sagt, Sie wollen reisen, Madame?« fragte Ludwig XV. »Gehen Sie in die Picardie?«

      »Nein, Sire,« antwortete die Prinzessin.

      »Ah! ich errathe,« sprach der König, die Stimme erhebend; »Sie geben als Pilgerin nach Noirmoutiers.«

      »Nein, Sire,« erwiederte Madame Louise, »ich ziehe mich in das Kloster der Carmeliterinnen von Saint-Denis zurück, dessen Aebtissin ich sein kann, wie Sie wissen.«

      Der König bebte, aber sein Gesicht blieb ruhig, obgleich sein Herz wirklich erschüttert war.

      »O! nein,« sagte er, »nein, meine Tochter, nicht wahr, Sie werden mich nicht verlassen? Es ist unmöglich, daß Sie mich verlassen.«

      »Mein Vater, ich habe seit langer Zeit diesen Rückzug beschlossen, und Eure Majestät hat die Gnade gehabt, mich dazu zu bevollmächtigen; widerstehen Sie mir also nicht, mein Vater, ich bitte Sie darum.«

      »Ja, es ist wahr, ich habe diese Vollmacht ertheilt, doch nachdem ich lange gekämpft, wie Sie wissen. Ich habe sie ertheilt, weil ich immer hoffte, im Augenblick der Abreise würde Ihnen das Herz dazu fehlen. Sie können sich nicht in einem Kloster begraben; das sind vergessene Gebräuche; man tritt nur in das Kloster in Folge von Kummer oder Täuschungen des Glückes. Die Tochter des Königs von Frankreich ist nicht arm, so viel ich weiß, und wenn sie sich unglücklich fühlt, soll es Niemand erfahren.«

      Das Wort und der Geist des Königs erhoben sich immer mehr, je mehr er in der Rolle des Königs und Vaters vordrang, die ein Schauspieler nie schlecht spielt, wenn der Stolz zu dem einen Theile räth und das Bedauern den andern einflößt.

      »Sire,« antwortete Louise, welche die Erschütterung ihres Vaters wahrnahm und von dieser bei dem selbstsüchtigen Ludwig XV. so seltenen Gemüthsbewegung ebenfalls tiefer gerührt wurde, als sie es durchblicken lassen wollte, »Sire,– schwächen Sie meine Seele nicht dadurch, daß Sie mir Ihre Zärtlichkeit offenbaren. Mein Kummer ist kein gewöhnlicher Kummer, deshalb steht mein Entschluß über den Gewohnheiten unseres Jahrhunderts.«

      »Sie haben also Kummer?« rief der König mit einem Blitze des Gefühls, »Kummer, mein armes Kind!«

      »Grausamen, ungeheuren, Sire!« antwortete Madame Louise.

      »Ei! meine Tochter, warum sagten Sie mir das nicht?«

      »Weil es ein Kummer ist, den eine menschliche Hand nicht zu heilen vermag.«

      »Selbst nicht die eines Königs?«

      »Selbst nicht die eines Königs, Sire.«

      »Selbst nicht die eines Vaters?«

      »Eben so wenig, Sire, nein, eben so wenig.«

      »Sie sind fromm, Louise, und können Kraft in der Religion schöpfen.«

      »Noch nicht genug, Sire, und ich ziehe mich in ein Kloster zurück, um mehr zu finden. In der Stille spricht Gott zum Herzen des Menschen; in der Einsamkeit spricht der Mensch zum Herzen Gottes.«

      »Aber Sie bringen dem Herrn ein ungeheures Opfer, das nichts ausgleichen wird Der Thron Frankreichs wirft einen erhabenen Schatten auf die um ihn her erzogenen Kinder; genügt Ihnen dieser Schatten nicht?«

      »Der der Zelle ist noch tiefer, mein Vater, er erquickt das Herz, er ist sanft für die Starken, wie für die Schwachen, für die Demüthigen, wie für die Stolzen, für die Großen, wie für die Kleinen.

      »Glauben Sie denn irgend eine Gefahr zu laufen? Dann, Louise, ist der König da, um Sie zu beschützen.«

      »Sire, Gott beschütze zuerst den König!«

      »Ich wiederhole Ihnen, Louise, Sie lassen sich durch einen schlecht verstandenen Eifer irre leiten. Beten ist schön, aber nicht immer beten. Sie, die Sie so gut, so fromm sind, was brauchen Sie so viel zu beten?«

      »Nie werde ich genug beten, o mein Vater! nie werde ich genug beten, o mein König! um alles Unglück abzuwenden, das über uns einbrechen wird! Die Güte, welche mir Gott verliehen hat, die Reinheit, welche ich seit zwanzig Jahren unablässig zu läutern trachte, bilden, wie ich befürchte, noch nicht das Maß von Reinheit und Unschuld, dessen das Sühnopfer bedürfen würde.«

      Der König wich einen Schritt zurück, ’schaute Madame Louise erstaunt an und sagte:

      »Nie haben Sie so mit mir gesprochen. Sie verwirren sich, liebes Kind, der Ascetismus richtet Sie zu Grund.«

      »O, Sire! nennen Sie nicht mit diesem weltlichen Namen das wahrste und besonders das nothwendigste Opfer, das je eine Unterthanin ihrem König und eine Tochter ihrem Vater in dringender Noth dargebracht hat. Sire, Ihr Thron, dessen beschützenden Schatten Sie mir so eben stolz anboten, Ihr Thron wankt unter Stößen, die Sie noch nicht fühlen, die ich aber bereits ahne. Etwas Tiefes gräbt sich dumpf wie ein Abgrund, worein sich plötzlich die Monarchie versenken kann. Hat man Ihnen je die Wahrheit gesagt, Sire?«

      Madame Louise schaute umher, um zu sehen, ob Niemand sie zu hören vermöchte, und als sie bemerkte, daß Jedermann weit genug entfernt war, fuhr sie fort:

      »Nun wohl! ich kenne sie, ich, die ich unter dem Gewande einer barmherzigen Schwester zwanzigmal die düsteren Gassen, die ausgehungerten Mansarden, die Kreuzwege voll Seufzer besucht habe. In diesen Gassen, auf diesen Kreuzwegen, in diesen Mansarden, Sire, stirbt man vor Hunger und Kälte im Winter, vor Durst und Hitze im Sommer. Die Felder, die Sie nicht sehen, Sire, denn Sie fahren nur von Versailles nach Marly und von Marly nach Versailles, die Felder haben kein Korn mehr, ich sage nicht, um das Volk zu ernähren, sondern um die Furchen einzusäen, welche, verflucht durch irgend eine feindliche Macht, verschlingen und nicht zurückgeben. Alle diese Leute, denen es an Brod gebricht, murren dumpf, denn unbestimmte, unbekannte Gerüchte ziehen durch die Lust in der Abenddämmerung, in der Nacht, und sprechen ihnen von Eisen, von Ketten, von Tyranneien, und bei diesen Worten erwachen sie, hören sie auf, sich zu beklagen, und fangen an zu murren. Die Parlamente verlangen ihrerseits


<p>17</p>

 Loque Fetzen, Chiffe ein dünner, schlechter Zeug, Graille Krähe