»Armer Perrot!« sprach nun der Graf.
Er ließ sich nicht einmal herab, ein Wort des Vorwurfs gegen Frau Diana beizufügen, obgleich er Zeit hatte, bis ihm das Sacktuch im Mund befestigt war. Vielleicht befürchtete er auch, seinen braven Stallmeister noch mehr zu gefährden. Doch Perrot ahmte leider seine Klugheit nicht nach und sprach, sich voll Entrüstung an Frau Diana wendend:
»Gut, Madame, Ihr bleibt wenigstens im Treubruch nicht auf halbem Wege stehen! Der heilige Peter verleugnete seinen Gott dreimal; doch Judas verrieth ihn nur ein einziges Mal. Ihr habt Euren Geliebten seit einer Stunde dreimal verraten. Judas war allerdings nur ein Mensch, und Ihr seid eine Frau und eine Herzogin!«
»Packt diesen Menschen!« rief Frau Diana wüthend.
»Packt diesen Menschen!« wiederholte der Graf von Montansier.
»Ah! ich bin noch nicht gefangen!« rief Perrot.
Und er nahm einen verzweifelten Anlauf, sprang bis zu Herrn von Montgommery, fing an dessen Bande mit einem Dolch zu durchschneiden und rief ihm zu:
»Helft Euch, gnädiger Herr, und laßt uns unser Leben theuer verkaufen.«
»Doch er hatte kaum Zeit, ihm den linken Arm frei zu machen, denn er konnte sich nur unvollständig vertheidigen, während er die Stricke des Grafen zu durchschneiden suchte. Von allen Seiten umringt und bedrängt, warf ihn ein gewaltiger Streich, den er zwischen die Schultern erhielt, zu den Füßen seines Herrn, und er fiel bewußtlos und wie todt nieder.«
III.
Das die Blutflecken nie ganz verschwinden
»Was hierauf vorging, wußte Perrot nicht.
Als er wieder zu sich kam, war der erste Eindruck, den er empfand, ein Eindruck der Kälte. Er sammelte seine Gedanken, öffnete die Augen und schaute umher: es war immer noch finstere Nacht. Er fand sich auf dem nassen Boden ausgestreckt und ein Leichnam lag an seiner Seite. Bei dem Schimmer der kleinen Lampe, welche beständig in der Nische der Bildsäule der Jungfrau brannte, erkannte er, daß er auf dem Cimetière des Innocents4 war. Der Leichnam neben ihm war der der Wache, welche Herr von Montgommery getödtet hatte. Ohne Zweifel hatte man meinen armen Mann auch für todt gehalten.
Er versuchte es, aufzustehen; doch nun erwachte der furchtbare Schmerz seiner Wunden. Indem er jedoch alle seine Kräfte mit übermenschlichem Muthe zusammenraffte, gelang es ihm, sich zu erheben und einige Schritte zu thun. In diesem Augenblick zerstreute der Schein einer Stocklaterne den tiefen Schatten, und Perrot sah zwei Männer von unheimlichem Aussehen, welche Grabscheiter und Hauen bei sich hatten, herbeikommen.
»Man hat uns gesagt, unter der Bildsäule der Jungfrau,« sprach einer von den Beiden.
»Hier sind unsere Männer,« versetzte der Andere, als er den Soldaten erblickte. »Doch nein, es ist nur Einer.«
»Suchen wir den Andern.«
Die Todtengräber leuchteten mit ihrer Laterne auf dem Boden umher. Doch Perrot hatte die Kraft gehabt, sich hinter ein Grab zu schleppen, das ziemlich entfernt von dem Orte war, wo sie suchten.
»Der Teufel wird unsern Mann geholt haben,« sagte einer von den Todtengräbern, der ein scherzhafter Mensch zu sein schien.
»Oh!« entgegnete der Andere, »sprich keine solche Dinge zu dieser Stunde und an diesem Orte.«
Und er bekreuzte sich mit allen Zeichen des Schreckens.
»Es ist offenbar nur Einer,« sprach der erste Todtengräber. »Was läßt sich da machen? Bah! begraben wir immerhin diesen; wir sagen, der Andere sei entwichen, oder man habe vielleicht schlecht gezählt.«
Sie fingen an ein Grab zu graben, und Perrot, der sich allmälig schwankend entfernte, hörte den heitern Todtengräber zu seiner Freude sagen:
»Ich bedenke, wenn wir gestehen, daß wir nur einen Leichnam gefunden und nur ein Grab gemacht haben, so wird uns der Mann vielleicht nur fünf Pistolen statt zehn geben. Wäre es vielleicht nicht das Beste für unsern Vortheil, wenn wir die seltsame Flucht des zweiten Leichnams verschweigen würden?«
»In der That!« entgegnete der fromme Todtengräber. »Wir sagen nur, wir haben das Geschäft gethan, und das ist dann nicht gelogen.«
Perrot hatte indessen, nicht ohne tödtliche Schwächen, die Rue Aubry-le-Boucher erreicht. Da sah er den Karren eines Gärtners vorüberkommen, der vom Markte zurückkehrte, und er fragte den Führer, wohin er ginge.«
»Nach Montreuil,« antwortete der Mann.
»Es wäre sehr gutherzig von Euch, wenn Ihr mich auf den Rand Eures Karrens bis zur Ecke der Rue Geoffroy-Lasnier, bei der Rue Saint-Antoine, wo ich wohne, sitzen ließet.«
»Steigt auf,« sprach der Gemüsegärtnern.
Perrot machte so ohne zu große Anstrengung den Weg der ihn von seinem Hause trennte, und dennoch glaubte er mehr als zehnmal während der Fahrt vom Leben in den Tod hinüberzugehen. Endlich in der Rue Geoffroy-Lasnier hielt der Wagen an.
»Hollah! Freund, Ihr seid zu Hause,« rief der Gemüsegärtner.
»Ich danke! mein braver Mann,« sagte Perrot.
»Er stieg ab, stolperte fort, und war genöthigt, sich an der nächsten Wand zu halten, die er traf.
»Der Kamerad hat einen Schluck über Durst getrunken,« sprach der Bauer, »es lebe der Rausch!« rief er und ging, ein Trinklied trällernd, seines Weges.
Perrot brauchte eine Stunde, um von der Rue Saint-Antoine in die Rue des Jardins zu gelangen. Zum Glück sind die Januarnächte lang! er begegnete doch Niemand und kam gegen sechs Uhr nach Hause.
Trotz der Kälte, gnädiger Herr, hatte mich die Unruhe die ganze Nacht am offenen Fenster gehalten. Beim ersten Ruf von Perrot lief ich an die Thüre und öffnete ihm.
»Stille, bei Deinem Leben!« sagte er, »hilf mir in unser Zimmer hinaufsteigen, aber hüte Dich vor jedem Schrei, vor jedem Wort.«
»Er schritt fort, unterstützt von mir, die ich, obschon ich ihn verwundet sah, doch seinem Verbote gemäß nicht zu sprechen wagte und nur in der Stille weinte. Als wir oben waren, und ich ihm seine Kleider und seine Waffen abgenommen hatte, bedeckte das Blut des Unglücklichen meine Hände, und seine Wunden erschienen mir breit und gähnend. Er kam meinem Ausruf durch eine gebieterische Geberde zuvor und nahm auf dem Bett die Stellung, die ihn am wenigsten leiden machte.
»Gib mindestens zu, daß ich einen Wundarzt holen lasse,« sagte ich schluchzend.
»Unnöthig!« erwiderte er, »Du weißt, daß ich mich ein wenig auf die Kunst der Aerzte verstehe. Eine von meinen Wunden, die unter dem Hals, ist tödtlich, und ich glaube, ich würde schon nicht mehr leben, wenn nicht etwas Stärkeres als der Schmerz mich aufrecht erhalten, und wenn nicht Gott, der die Mörder und Verräther bestraft, mein Ende um einige Stunden verlängert hätte, damit ich seinen zukünftigen Plänen diene. Bald wird mich das Fieber fassen, und Alles wird abgemacht sein. Kein Arzt in der Welt vermag etwas hiergegen.«
»Er sprach mit peinlicher Anstrengung. Ich flehte Ihn an, ein wenig zu ruhen.
»Du hast Recht,« sagte er, »ich muß meine letzten Kräfte schonen. Gib mir nur Schreibzeug.«
»Ich brachte ihm was er verlangte. Doch er hatte nicht bemerkt, daß ihm durch einen Degenstoß die rechte Hand gerissen worden war. Er, schrieb, auch sonst nur mit Schwierigkeit, und er mußte Feder und Papier wegwerfen.
»Nun, so werde ich sprechen,« sagte er, »und Gott wird mich leben lassen, bis ich vollendet habe. Denn wenn dieser gerechte Gott die drei Feinde meines Herrn in ihrer Macht oder in ihrem Leben schlägt, was die vergänglichen Güter der Bösen sind, so muß Herr von Montgommery durch seinen Sohn gerettet werden können.«
»Hierauf, gnädiger Herr,« fuhr Aloyse fort, »hierauf erzählte mir Perrot die ganze traurige Geschichte, die