»Oh! Herr von Montmorency!« versetzte der Dauphin schauernd.
»Seid unbesorgt, gnädigster Herr,« sprach der Rath des Prinzen, »wir werden nicht nöthig haben, zu diesem Aeußersten zu greifen. Die durch die Abwesenheit des Grafen veranlaßten Gerüchte werden sich von selbst legen. Die Freunde werden sich trösten und rasch vergessen, und Herr von Montgommery wird, wenn er will, von dem Augenblick an, wo er für die Welt todt ist, für das Gefängniß leben.«
»Hat er nicht einen Sohn?«
»Ja, ein Kind von wenigen Jahren, dem man sagt, man wisse nicht, was aus seinem Vater geworden, und das, ist es einmal groß, seine eigenen Interessen seine eigenen Leidenschaften haben, und eine fünfzehn bis zwanzig Jahre alte Geschichte nicht mehr zu ergründen suchen wird.«
»Alles dies ist richtig und gut zusammengefaßt,« sprach Frau von Poitiers, »ich neige mich, ich billige und bewundere.«
»Ihr seid in der That zu gut,« versetzte Montmorency äußerst geschmeichelt, »ich sehe, daß wir ganz geschaffen sind, um uns zu verstehen.«
»Doch ich billige nicht und bewundere nicht!« rief der Dauphin, »ich mißbillige im Gegentheil und widersetze mich.«
»Mißbilligt, gnädigster Herr, und Ihr werdet Recht haben,« sagte Herr von Montmorency, »mißbilligt, aber widersetzt Euch nicht; tadelt, aber laßt gewähren. Alles dies geht Euch nichts an, und ich übernehme die ganze Verantwortlichkeit vor den Menschen und vor Gott.«
»Nur wird fortan ein Verbrechen zwischen uns bestehen, nicht wahr?« versetzte der Dauphin, »und Ihr werdet mehr als mein Freund, Ihr werdet mein Mitschuldiger sein.«
»Oh! solche Gedanken seien fern von mir!« rief der schlaue Minister. »Doch Ihr sollt Euch eben so wenig dadurch gefährden, daß Ihr den Schuldigen bestraft, als dadurch, daß Ihr ihn bekämpft. Wollt Ihr, daß wir dem König, Eurem Vater, Meldung machen?«
»Nein, nein; mein Vater darf von Allem dem nichts erfahren,« sagte der Dauphin rasch.
»Meine Pflicht,« erwiderte Herr von Montmorency, »würde mich jedoch verbinden, ihn davon in Kenntniß zu setzen, gnädigster Herr, wenn Ihr beharrlich glaubtet, die Zeit ritterlicher Handlungen daure noch fort. Doch übereilen wir nichts, wenn Ihr es wünscht, und lassen wir unsern Rath durch die Zeit reisen. Versichern wir uns nur der Person des Grafen, was eine nothwendige Bedingung für unsere weiteren Pläne ist, wie diese auch sein mögen, und verschieben wir auf später jede förmliche Entschließung über diesen Gegenstand.«
»Es sei!« sagte der Dauphin, dessen schwacher Wille mit Eifer diesen vorgeblichen Aufschub ergriff. »Herr von Montgommery wird so Zeit haben, von einer ersten unbedachten Aufwallung zurückzukommen, und ich werde mit Muße das überlegen können, was mir mein Gewissen und meine Würde zu thun befehlen.«
»Kehren wir also in den Louvre zurück, gnädigster Herr, und beurkunden wir dort unsere Gegenwart,« sprach Herr von Montmorency. »Ich werde ihn Euch morgen wieder schicken, Madame,« sagte er, sich mit einem Lächeln an Frau von Poitiers wendend, »denn ich konnte sehen, daß Ihr ihm in einer wahren Liebe zugethan seid.«
»Aber ist Seine Hoheit der Dauphin auch davon überzeugt?« versetzte Diana, »und hat er mir das so wenig von mir vorhergesehene Unglück dieses Zusammentreffens verziehen?«
»Ja, Ihr liebt mich . . . furchtbar, in der That, Diana!« erwiderte der Dauphin nachdenkend, »ich bedarf des Glaubens zu sehr, um zu zweifeln, und hätte der Graf auch wahr gesprochen, so sah ich doch zu sehr an dem Schmerz, der sich meiner bemächtigte, als ich Euch verloren zu haben mir einbildete, daß Eure Liebe für mein Dasein fortan nothwendig ist, und daß, wenn man Euch liebt, dies für das ganze Leben geschieht.«
»Ah! möchtet Ihr wahr sprechen,« rief Diana mit einem leidenschaftlichen Ausdrucke, indem sie die Hand küßte, die ihr der Prinz zum Zeichen der Versöhnung reichte.
»Vorwärts, gehen wir ohne Verzug,« sagte Herr von Montmorency.
»Auf Wiedersehen, Diana.«
»Auf Wiedersehen mein Herr,« sprach die Herzogin, indem sie diese beiden Worte mit einem Ausdruck voll unsäglichen Zaubers trennte.
Sie geleitete ihn bis zu der Schwelle des Zimmers zurück. Während der Dauphin die Treppe hinab stieg, öffnete Herr von Montmorency wieder die Thüre des Sprechzimmers, wo Herr von Montgommery immer noch bewacht und gefesselt lag, und sprach sich an den Anführer der Reiter wendend:
»Ich werde Euch sogleich einen von meinen Leuten schicken, der Euch von dem unterrichten soll, was Ihr mit Eurem Gefangenen zu machen habt. Bis dahin überwacht alle seine Bewegungen und verliert ihn nicht eine Minute aus dem Blick. Ihr haftet mir mit Eurem Leben für ihn.«
»Sehr wohl, gnädigster Herr,« antwortete der Reiter.
»Ueberdies werde ich wachen,« sagte von der Thüre aus, wo sie stehen geblieben war, Frau von Poitiers.
Alle entfernten sich und Perrot hörte in seinem Verstecke nichts mehr, als den regelmäßigen Tritt der im Innern des Sprechzimmers aufgestellten Wache, welche die Thüre hütete, während ihre Kameraden den Gefangenen bewachten.«
II.
Eine unnütze Aufopferung
Nachdem Aloyse einige Augenblicke ausgeruht hatte, denn sie konnte, kaum athmen bei der Erinnerung an diese traurige Geschichte, faßte sie wieder Muth und beendigte ihre Erzählung mit folgenden Worten:
»Es schlug ein Uhr Morgens in dem Augenblick, wo der Dauphin und sein wenig bedenklicher Mentor sich entfernten. Perrot sah, daß sein Herr rettungslos verloren war, wenn er dem Boten von Herrn von Montmorency Zeit ließ, zu erscheinen. Es war ihm nicht entgangen, daß Herr von Montmorency weder ein Losungswort noch irgend ein Zeichen genannt hatte, woran man seinen Abgesandten zu erkennen vermochte. Nachdem er ungefähr eine halbe Stunde gewartet hatte, um das Zusammentreffen von Herrn von Montmorency mit dem Boten wahrscheinlich zu machen, verließ Perrot sachte sein Versteck, ging mit aufgehobenem, Fuße einige Stufen der Treppe hinab, stieg sodann diese wieder hinauf, indem er seine Tritte im Gegentheil scharf hörbar machte, und klopfte an die Thüre des Sprechzimmers.
Der Plan, den er freiwillig gefaßt hatte, war kühn, hatte aber gerade wegen dieser Kühnheit Chancen des Gelingens.
»Wer da?« fragte die Wache.
»Ein Abgesandter des gnädigsten Herrn von Montmorency.«
»Oeffne,« sprach der Anführer der Truppe zu der Wache.
Man öffnete, Perrot trat keck, den Kopf hoch, ein.
»Ich bin der Stallmeister von Herrn Charles von Manssol, der, wie Ihr wißt, im Dienste von Herrn von Montmorency steht. Wir kamen von der Wache im Louvre ab, mein Herr und ich, als wir auf der Grève Herrn von Montmorency in Begleitung eines großen, tief in seinen Mantel gehüllten jungen Mannes begegneten. Herr von Montmorency erkannte Herrn von Manssol und rief ihn. Nachdem sie einige Augenblicke mit einander gesprochen hatten, befahlen sie mir, hierher in die Rue du Figuier zu Frau Diana von Poitiers zu gehen. Ich werde, sagten sie, hier einen Gefangenen finden, über welchen mir Herr von Montmorency Instructionen gab, die ich zu vollziehen habe. Ich verlangte zu diesem Behuf einige Mann Escorte, doch er sagte mir, es wären hier schon Bewaffnete genug, und ich sehe in