»Laßt den Herold von England eintreten,« erwiderte der König erstaunt, aber ruhig.
Heinrich machte ein Zeichen; der Dauphin und die Prinzen stellten sich um ihn, und um die Prinzen die übrigen Mitglieder des Rathes. Der Herold, den nur zwei Wappenträger begleiteten, wurde eingeführt. Er verbeugte sich vor dem König, der von dem Stuhle, auf dem er sitzen blieb, nur leicht den Kopf senkte.
Der Herold sprach sodann:
»Marie, Königin von England und von Frankreich, dem König Heinrich von Frankreich. Dafür, daß er Verbindung und Freundschaft mit den englischen Protestanten, den Feinden unserer Religion und unseres Staates, unterhalten, und daß er ihnen Schutz und Beistand gegen die gerechten, an ihnen ausgeübten, Verfolgungen angeboten und versprochen hat, erklären Wir, Marie von England, Heinrich von Frankreich den Krieg zu Wasser und zu Land. Und zum Zeichen dieser Aufforderung werfe ich, Edward Flaming, Herold von England, meinen Schlachthandschuh hier auf die Erde.«
Auf eine Gebärde des Königs hob der Vicomte d’Ermès den Handschuh von Sir Flaming auf. Heinrich sprach sodann einfach und kalt zu dem Herold:
»Ich danke!«
Hierauf machte er das prachtvolle Halsband los, das er trug, ließ es ihm durch Gabriel übergeben und fügte mit einem neuen Zeichen des Kopfes bei:
»Ihr könnt Euch nun entfernen.«
Der Herold verbeugte sich tief und ging hinaus. Einen Augenblick nachher hörte man abermals die englischen Trompeten erschallen und nun erst brach der König das Stillschweigen.
»Mein Vetter von Montmorency,« sagte er zum Connetable, »mir scheint, Ihr habt Euch ein wenig zu sehr beeilt, uns den Frieden und die gute Gesinnung der Königin Marie zu versprechen. Dieser angeblich den englischen Protestanten verliehene Schutz ist ein frommer Vorwand, der die Liebe unserer Schwester von England für ihren jungen Gemahl, Philipp II., verbirgt. Der Krieg mit den beiden Gatten, es sei! ein König von Frankreich fürchtet ihn nicht mit Europa, und wenn uns die Grenze der Niederlande ein wenig Zeit läßt, uns zu besinnen . . . Nun! was gibt es denn? Was ist denn wieder, Florimond?«
»Sire,« sprach der Huissier eintretend, »ein außerordentlicher Eilbote vom Herrn Gouverneur der Picardie mit dringenden Depechen.«
»Ich bitte, seht ein wenig nach, was es ist, Herr Cardinal von Lothringen,« sagte der König mit freundlichem Tone.
Der Cardinal kehrte mit den Depechen zurück, die er Heinrich übergab.
»Ah! ah! meine Herren,« sprach der König, nachdem er einen Blick darauf geworfen hatte. »Das sind ganz andere Nachrichten. Die Heere von Philipp II. versammeln sich in Givet, und Herr Gaspard von Coligny meldet uns, der Herzog von Savoyen stehe an ihrer Spitze. Ein würdiger Feind! Euer Neffe, Herr Connetable, meint, die spanischen Truppen werden Mézières und Rocroy angreifen, in der Absicht, Marienburg zu vereinzeln. Er verlangt in aller Eile Hilfe, um diese Plätze zu beschützen und gegen die ersten Angriffe Stand zu halten.«
Die ganze Versammlung gerieth in Bewegung und erhob sich halb.
»Herr von Montmorency,« sprach der König ruhig und lächelnd, »Ihr seid heute in Euren Weissagungen nicht glücklich. »Marie Von England schweigt,« sagtet Ihr, und wir haben ihre Trompeten erschallen hören. »Philipp II. hat Furcht, und die Niederlande sind ruhig,« fügtet Ihr bei. Der König von Spanien hat aber nicht mehr Furcht als wir, und Flandern rührt sich gehörig, wie mir scheint. Ich sehe, daß offenbar die klugen Verwalter den kühnen Generalen den Vortritt überlassen müssen.«
»Sire,« erwiderte Anne von Montmorency, »ich bin Connetable von Frankreich, und der Krieg kennt mich noch besser als der Frieden.«
»Das ist richtig, mein Vetter,« versetzte der König, »ich sehe auch mit Vergnügen, daß Ihr Euch an Bicoque und Marignan erinnert, und daß die kriegerischen Ideen wieder zu Euch zurückkehren. Zieht also Euer Schwert aus der Scheide, ich freue mich darüber. Ich wollte nichts Anderes mehr sagen, als daß wir nur daran denken dürfen, den Krieg zu machen, und ihn gut und glorreich zu machen. Herr Cardinal von Lothringen schreibt an Euren Bruder, Herrn von Guise, daß er auf der Stelle zurückkomme. Die inneren und Familienangelegenheiten muß man nothwendig vertagen, und was die Heirath von Frau von Angoulême betrifft, Herr von Montmorency, so werden wir wohl daran thun, glaube ich, die Dispense des Papstes abzuwarten.«
Der Connetable machte eine Grimasse, der Cardinal lächelte, Gabriel athmete.
»Auf, meine Herren,« fügte der König bei, der seine ganze Trägheit abgeschüttelt zu haben schien, »auf, wir müssen uns sammeln, um alles Ernstes so wichtige Dinge zu überlegen. Die Sitzung ist für diesen Morgen aufgehoben, doch heute Abend findet eine zweite statt. Diesen Abend also, und Gott beschütze Frankreich!«
»Es lebe der König!« riefen einstimmig die Mitglieder des Rathes.
Und man trennte sich.
XII.
Ein doppelter Schelm
Der Connetable verließ den König sorgenvoll. Meister Arnauld du Thill fand sich auf seinem Wege und rief ihm mit leiser Stimme.
Dies geschah in der großen Gallerie des Louvre.
»Was gibt es denn?« sagte der Connetable, »ah! Ihr seid es, Arnauld? Was wollt Ihr von mir? Ich bin heute nicht in der Laune, Euch anzuhören.«
»Ja, ich begreife,« versetzte Arnauld, »der gnädigste Herr ist ärgerlich über die Wendung, welche der Plan einer Heirath zwischen Madame Diana und Monseigneur Franz nimmt.«
»Woher weißt Du das, Bursche? Aber was liegt mir daran, daß man es weiß, der Wind ist auf Regen und für die Guise, das ist sicher.«
»Doch der Wind wird morgen auf schön Wetter und für die Montmorency sein,« sprach der Spion, »und wenn sich heute der König dieser Heirath widersetzt, so wäre der König morgen für dieselbe. Nein, das neue Hinderniß, das Euch den Weg versperrt, gnädigster Herr, ist wichtiger und kommt anderswoher.«
»Und woher kann ein Hindernis? kommen, das wichtiger wäre, als die Ungnade oder nur die Kälte des Königs?«
»Von Frau von Angoulême zum Beispiel,« antwortete Arnauld.
»Du hast etwas auf jener Seite gerochen, mein feiner Spürhund?« sprach der Connetable, indem er sich ihm offenbar begierig näherte.
»Was dachte denn der gnädigste Herr, wozu ich die abgelaufenen vierzehn Tage angewendet haben sollte.«
»Es ist wahr, man hat lange nicht mehr von Dir sprechen hören.«
»Weder unmittelbar noch mittelbar, gnädigster Herr,« versetzte Arnauld stolz, »Ihr macht mir zum Vorwurf, ich sei zu oft in den Meldungen der Runden der Nachtwachen und der Polizei aufgeführt, doch mir scheint, ich habe seit zwei Wochen vernünftig und geräuschlos gearbeitet.«
»Das ist abermals wahr« sprach der Connetable, »ich staunte, daß ich nicht in das Mittel treten mußte, um Dich Verlegenheiten zu entreißen, Schurke, der Du trinkst, wenn Du nicht spielst, und der Unzucht fröhnst, wenn Du Dich nicht schlägst.«
»Und der lärmende Held der letzten vierzehn Tage war nicht ich, sondern ein gewisser Stallmeister des neuen Kapitäns der Leibwachen, des Vicomte d’Ermès, ein Mensch Namens Martin-Guerre.«
»In der That, ich erinnere mich dessen, Martin-Guerre hat die Stelle von Arnauld du Thill auf der Meldung eingenommen, die ich jeden Abend durchsehen muß.«
»Wer zum Beispiel wurde eines Abends völlig betrunken von der Nachtwache aufgehoben?« fragte Arnauld.
»Martin-Guerre.«
»Wer hat in Folge eines Streites im Spiel, wegen Würfeln die man als falsch erkannt, dem schönsten Gendarmen des Königs von Frankreich einen Degenstich gegeben?«
»Ja, abermals Martin-Guerre.«
»Wer ist gestern ertappt worden, als er die Frau von Meister Gorju, dem Kleinschmied, zu verführen suchte?«
»Immer