Tief unter allen diesen Orten, die wir genannt haben, sind die abscheulichen Löcher. die man Freischenken nennt.
Es gibt sieben in Paris:
,Zur Schwarzen Katze Rue de la Vieille Draperie, in der Cité;
Zum Weißen Kaninchen, dem Gymnase gegenüber;
Zu den Sieben Billards, in der Rue de Bondy; Hotel d’Angleterre, Rue Saint-Honoré, der Cirette gegenüber;
Bei Paul Niquet, Rue aux Fers;
Bei Baratte, in derselben Straße.
Endlich bei Bordier, an der Ecke der Rue Aubry-le-Boucher und der Rue Saint-Denis.
Zwei von diesen Freischenken haben Specialitäten.
Die Schwarze Katze vereinigt besonders die Diebe à la carouble und à la fourline; das Weiße Kaninchen die charrieurs, die scionneurs und die vantarniers.
Oh! Man beruhige sich. wir werden uns nicht in einen Rothwälsch-Dialog einlassen und ein Buch machen, das man nur mit Hälfe des schändlichen Wörterbuchs von Bicêtre und der Conciergerie verstehen kann.
Wir entledigen uns im Gegentheil, um nicht mehr darauf zurückzukommen, aller dieser ekelhaften Ausdrücke, die uns eben so sehr als unsern Lesern widerstreben würden.
Sagen wir also rasch, was die Diebe à la carouble und à la fourline, die charrieurs, die scionneurs und die vantarniers sind.
Die Diebe à la carouble sind Diebe mit falschen Schlüsseln.
Die Diebe à la fourline sind Leute, welche Börsen, Uhren, Schnupftücher aus den Taschen stehlen.
Die charrieurs sind diejenigen. welche bei den Wechslern unter dem Vorwande eintreten, sie wollen Stücke mit dem Bildniß dieses oder jenes Königs, mit dieser oder jener Jahreszahl wählen. und während die die verlangten Stücke wühlen, für fünfzig Franken davon in jeden Aermel schieben.
Die scionneurs sind diejenigen, welche mit einem Schnupftuche oder einem Stricke den Hals einer Person umwickeln, die sie bestehlen wollen, und sie auf ihre Schultern laden, während ihre Genossen sie durchstören.
Die vantarniers endlich sind diejenigen, welche nur zu stehlen, bei Nacht, mit Hilfe von Strickleitern durch die Fenster einsteigen.
Die fünf anderen Freischenken sind ganz einfach Sammelplätze von Dieben aller Kategorien.
Um diese ganze Bevölkerung von freigelassenen Galeerensklaven, von Betrügern, von Freudenmädchen, von Dieben aller Art, von Banditen jeder Gattung zu überwachen, hat ein Arrondissement nur sechs Inspectoren und einen Friedensbeamten; die Stadtsergenten sind noch nicht geschaffen und werden es erst 1828 durch Herrn von Belleyme.
Diese Inspectoren thun den Dienst in bürgerlicher Tracht.
Jede von ihnen verhaftete Person wird zuerst nach dem Saint-Martin-Saale, das heißt nach dem Depot geführt; hier hat man gegen sechzehn Sous für die erste Nacht und gegen zehn Sous für die anderen Nächte ein Recht auf ein besonderes Zimmer. Von da werden die Männer nach der Force oder nach Bicêtre, die Mädchen nach den Madelonettes in der Rue des Fontaines. Beim Temple, die Diebinnen nach Saint-Lazare in der Rue de Faubourg Saint-Denis geschickt.
Die Hinrichtungen finden auf der Grève statt.
Herr von Paris2 wohnt in der Rue des Marais Nr. 43.
Die erste Frage. die der Leser an sich selbst macht, oder die er an uns machen würde, wenn wir ihm nicht entgegen kämen, ist: »Da die Polizei weiß, wo die Diebe zu nehmen sind, warum nimmt sie dieselben nicht?«
Die Polizei kann nur auf frischer That verhaften, das Gesetz ist in diesem Punkte positiv, und die Diebe aller Klassen wissen das wohl.
Könnte die Polizei anders verhaften, als mit der Hand in der Tasche, so brauchte sie, da sie fast Alle kennt, nur ihr Garn in allen Winkeln und Höhlen von Paris auszuwerfen, und es gäbe keine Diebe mehr, oder in jedem.Falle so wenig, daß es nicht der Mühe werth wäre, sich darüber zu beklagen.
Heute besteht keine von diesen Freischenken mehr: die einen sind bei den Abbrüchen Verschwunden, welche die Verschönerung von Paris nothwendig machte die sondern sind geschlossen, erloschen, todt.
Bordier allein ist am Leben geblieben; doch die Freischenke von 1827 ist ein eleganter Laden von Spezereiwaaren geworden, wo man getrocknete Früchte, Confituren und seine Liqueurs verkauft, und hat nichts mehr von der unsauberen Höhle, in welche wir unsere Leser zu führen genötigt sind.
II
Die Cavaliere der Halle
Wir haben unsere Leser schon darauf aufmerksam gemacht, das erste Blatt unseres Buches trage das Datum der Fastnacht vom Jahre der Gnade 1827 an sich.
Nur berührte dieser Tag der äußersten Tollheit seine letzte Stunde: es sollte Mitternacht schlagen.
Drei junge Leute gingen Arm in Arm die Rue Saint-Denis hinab; zwei von ihnen trällerten die Hauptmotive der Quadrillen, die sie im Colyssée gehört, wo sie die ersten Stunden der Nacht zugebracht hatten; der Dritte beschränkte sich darauf, daß er spielend in den goldenen Knopf eines Stöckchens biß.
Die zwei Trällernden trugen die Livree des Tages und die Verkleidung jener Zeit.
Der Dritte, derjenige, welcher nicht sang, der in der Mitte zwischen den zwei Andern ging. der der Aelteste von den Dreien zu sein schien, oder wenigstens der Ernsthafteste. der seine zwei Freunde um einen Kopf überragte und, wie gesagt. in den Knopf seines Stockes biß, – war in einen von den braunen Tuchmänteln mit Sammetkragen gehüllt, wie man sie zu jener Zeit trug, heute aber nur noch an den Giebeln der Werte von Chateaubriand und Byron sieht.
Dieser kaut aus einer Künstler-Soirèe, welche in der Rue Sainte-Appoline stattgefunden hatte.
Unter seinem Mantel war er bekleidet mit schwarzen langen Hosen, die ein nerviges Bein mit feinen Gelenken hervorheben, und an seinem zierlichen Fuße trug er einen durchbrochenen seidenen Strumpf und einen lackierten Escarpin; militärisch zugeknöpft, – obschon es sichtbar war, daß der Mann durchaus in keiner Beziehung zur Armee stand. – ließ sein schwarzer Frack oben und unten nur die äußersten Enden einer weißen Piquéweste vorschauen; sein Hals spielte bequem in einer Binde von schwarzem Atlaß. und sein Kopf, dessen Haare sich von Natur kräuselten, war bedeckt mit einem von jenen abgeplatteten Hüten, die man auf dem Ball unter dem Arme trug und, wenn man wegging, bis auf die Ohren eindrückte, eine Kopfbedeckung, die man Claque-Hut nannte.
Hätten die spärlichen Wanderer. welche zu dieser Stunde der Rue Saint-Denis folgten, den Mantel aufheben können, in den sich der Unbekannte drapiere, dessen Anzug wir in diesem Augenblicke beschreiben, sie würden sich versichert haben. daß dieses unter dem Knöchel zugeknöpfte und wie Tricot anliegende Beinkleid. dieser Frack mit dem eleganten Schnitt und den anmuthig fallenden Schößen. diese Weste von englischem Piqué mit ciselirten goldenen Knöpfen offenbar aus dem Magazin von einem der ausgezeichnetsten Schneider des Boulevard de Gand kamen und für einen von den jungen Modeherren verfertigt werden waren. die man zu jener Zeit noch Dandys nannte, während man sie heute mit dem schon ein wenig abgenutzten Namen Löwen bezeichnet.
Und dennoch schien derjenige, welcher diese Kleidung trug, entfernt nicht die Prätension zu haben, für einen Elegant gelten zu wollen; es genügte in der That, ihn einen Moment anzuschauen. um die Gewißheit zu erlangen, daß man vor den Augen nicht das hatte, was man einen Mann nach der Mode nennt: er hatte in seinem ganzen Wesen etwas, was eine zu große Unabhängigkeit der Bewegungen offenbarte, um auf eine von den Gliederpuppen, welche Sklaven der Falten ihrer Halsbinde oder der Steife ihres Kragens sind, anwendbar zu sein. Sodann hatten sich seine Hände, als widerstrebte ihnen diese fashionable Fessel, bei seinem Abgange aus der Soirèe eiligst der Handschuhe entledigt, was am Zeigefinger der Rechten einen von den dicken Ringen zu sehen erlaubte, welche, genannt Ringe à la chevalièr als Siegel dienten, mochten sie nun mit einer persönlichen Devise oder