»Nun?«
»Wißt Ihr nicht (und das würde mich wundern, denn das Gerücht ist auch nach Frankreich gekommen), wißt Ihr nicht, daß die Liebe zu den Mauren dieser Familie angeboren ist? Der König kann ihrer nicht mehr entbehren, wie man versichert. Er hat Mauren als Räthe, Mauren als Aerzte, Mauren als Leibwachen, und endlich Maurinnen als . . . Liebschaften.«
»Schweige, Meister Musaron, und mische Dich nicht in die Angelegenheiten des Königs Don Pedro, eines sehr großen Fürsten und Bruders meines erhabenen Freundes.«
»Bruder! Bruder!« murmelte Musaron, »ich habe sagen hören, es sei dies eine von den maurischen Brüderschaften, welche früher oder später mit dem Stricke oder mit dem Säbel endigen. Ich will lieber Guillonnet, der die Ziegen im Thale von Andorre hütet und dabei singt:
Auf dem Berge sitzt der Hirte,
Schauet traurig in die Fern',
zum Bruder haben, als Don Pedro von Castilien. Das ist meine Ansicht.«
»Es kann wohl Deine Ansicht sein, doch es ist die meinige, daß Du nicht ein Wort mehr diesem beifügst. Wenn man Gastfreundschaft von den Leuten verlangt, so ist es doch das Wenigste, daß man nicht schlimm von ihnen spricht.«
»Wir kommen nicht zu Don Pedro von Castilien, da wir zu Don Federigo, dem Herrn von Coimbra in Portugal, kommen,« erwiderte der wunderliche Musaron.«
»Zu dem Einen oder zu dem Andern,« sprach der Ritter, »schweige, ich will es haben.«
Musaron nahm sein weißes Beret mit rother Eichel ab und verbeugte sich mit einem höhnischen Lächeln, das seine langen, ebenholzschwarzen Haare verbargen, die aus seine magern, dunkelbraunen Wangen herabfielen.
»Wenn Eure Herrlichkeit ausbrechen will, so ist ihr unterthänigster Diener zu ihrem Befehl,« sagte er nach einem kurzen Stillschweigen, »Das mußt Du Dein Pferd fragen,« erwiderte Mauléon. »Jeden Falls, wenn es nicht weiter ziehen will, lassen wir es, wo es ist, und wenn der Abend kommt und es die Wölfe heulen hört, wird es schon allein nach der Stadt gehen.«
Und in der That, als ob das Thier, das den Namen, den ihm der Knappe gab, dem Thale verdankte, wo es geboren war, die Drohung gehört hätte, erhob es sich behender, als man hätte denken sollen, und bot seinem Herrn seinen noch ganz von Schweiß triefenden Widerrist.
»Aufgebrochen also,« sprach Agenor.
Und er setzte sich wieder in Marsch und hob zum zweiten Male das Helmvisir auf, das er beim Vorbeiziehen des Mauren herabgelassen hatte.
Wenn der Araber da gewesen wäre, so hätte nun sein durchdringender Blick durch die Oeffnung des Helmes ein Gesicht edel und schön, ganz erhitzt, ganz bestaubt, aber voll Charakter, einen sichern Blick, seine, schlaue Lippen, Zähne weiß wie Elfenbein, ein Kinn noch ohne Hart, aber von jener kräftigen Formung, welche den hartnäckigen Willen andeutet, sehen können.
Es war im Ganzen ein junger und schöner Ritter, dieser Messire Agenor von Mauléon, und dies konnte er sich wohl selbst sagen, wenn er sich' in der glatten Oberfläche seines Schildes spiegelte, den er wieder aus den Händen von Musaron genommen hatte.
Dieser Halt von einem Augenblick hatte den zwei Pferden wieder einige Kraft gegeben. Sie zogen daher mit ziemlich raschem Schritte aus ihrem Wege weiter, der ihnen fortan aus eine untrügerische Weise durch das aus dem Palaste flatternde Banner des Großmeisters von San Ingo angedeutet wurde.
Während sie so fortritten, sah man die Einwohner trotz der Hitze des Tages aus, den Thoren hervorkommen. Man hörte die Trompeten erschallen, und das Glockenspiel der Thürme breitete seine freudigen vibrirenden Töne in der Luft aus.
»Hätte ich Musaron vorangeschickt,« sprach Agenor zu sich selbst, »so könnte ich wahrhaftig glauben, dieser ganze Lärmen, diese ganze Feierlichkeit finden mir zu Ehren statt. Aber so schmeichelhaft ein solcher Empfang für meine Eitelkeit wäre, so muß ich doch all' dieses Geräusch einer andern Ursache zuschreiben.«
Musaron aber, der in diesem ganzen Lärmen offenbare Zeichen der Heiterkeit erblickte, erhob munter das Haupt, da er lieber von freudigen Leuten, als von traurigen empfangen werden wollte.
Die zwei Reisenden hatten sich nicht getäuscht, Es herrschte eine große Aufregung in der Stadt, und wenn das Gesicht der Einwohner nicht gerade die lächelnde Maske der Freude an sich trug, welche ihnen das Läuten der Glocken und die Fanfaren der Trompeten zu befehlen schienen, so w« ihre Physiognomie wenigstens die von Leuten, in deren Mitte eine wichtige und unerwartete Neuigkeit vorgefallen ist.
Agenor und sein Knappe hatten nicht nöthig, nach dem Weg zu fragen, denn sie brauchten nur der Menge zu folgen, die nach dem Hauptplatze der Stadt eilte.
In dem Augenblick, wo sie das Gedränge durchschnitten, um aus den Platz zu kommen, und während Musaron, um seinen edlen Herr, der ihm folgte, einen Weg zu bahnen, rechts und links Hiebe mit dem Peitschenstiel austheilte, sahen sie plötzlich vor sich, von hohen Palmbäumen und von buschigen, in der Richtung, die ihnen an Tagen des Sturms der Seewind gab, geneigten Sycomoren beschattet, den prächtigen maurischen Alcazar sich erheben, der für den König Muhamed erbaut worden war und nun dem jungen Eroberer, Don Federigo, als Wohnung diente.
So sehr sie sich aber auch beeilten, um an Ort und Stelle zu kommen, so blieben doch Agenor und sein Knappe in Bewunderung vor dem weiten, launenhaften Monument, das ganz mit der feinsten steinernen Spitze gestickt, ganz mit marmorenen Mosaiken incrustirt war, welche breite Platten von Topas, von Saphir und von Lapislazuli zu sein schienen, die irgend ein Baumeister von Bagdad für einen Palast von Feen oder von Huris gefaßt hätte. Der Occident, und selbst derjenige Theil des Occidents, den man, in Beziehung aus Spanien, den Süden von Frankreich nennt, kannte noch nichts Anderes, als seine romanischen Kathedralen, oder seine antiken Brücken und Bogen, hatte aber keinen Begriff von jenen Ohrgewölben und Kleezügen von Granit, welche der Orient hundert Jahre später an die Fronte der Kathedralen und an die Spitze der Thürme zeichnen sollte. Er bot also einen herrlichen Anblick, der Alcazar von Coimbra, selbst für unsere unwissenden und barbarischen Altvorderen, welche in jener Zeit die arabische und italienische Civilisation, die sie später bereichern sollte, verachteten.
Während sie so unbeweglich und in Betrachtung verharrten, sahen sie durch die zwei Seitenpforten des Palastes zwei Truppen von Leibwachen und Pagen, Maulthier und Pferde an der Hand führend, herauskommen.
Diese zwei Truppen, welche jede einen Viertelkreis beschrieben, vereinigten sich, indem sie das Volk zurücktrieben und vor der Mittelthüre, zu der man ans einer Treppe von zehn Stufen hinausstieg, einen großen Platz, dessen eine Seite die Facade des Palastes bildete, leer ließen. Die Mischung des blendenden Luxus von Afrika mit der strengeren Eleganz der occidentalen Tracht verlieh diesem Schauspiel einen unwiderstehlichen Zauber, dessen Einfluß auch Agenor und sein Knappe unterlagen, als sie einerseits das Gold und den Purpur aus Sattel und Zeug der arabischen Pferde schimmern sahen und die Kleider der maurischen Reiter gewahrten, und andererseits die Seide und die getriebene Arbeit, und besonders jenen fränkischen Stolz, so zu sagen, in die Haltung der Rosse incrustirt erblickten.
Was das Volk betrifft, so rief es, als es dieses ganze Schauspiel sich entwickeln sah: »Es lebe!« wie es dies beim Anblicke aller Schauspiele thut.
Plötzlich erschien das Banner des Großmeisters von San Jago unter dem hohen, im Kleezug ausgehauenen Gewölbe, das die Mittelpforte des Alcazar bildete; begleitet von sechs Leibwachen und getragen von einem mächtigen Kriegsmann, wurde dieses Banner im Mittelpunkte des leeren Raumes ausgepflanzt.
Agenor begriff, daß Don Federigo irgend eine Prozession durch die Straßen halten, oder eine Reise von einer Stadt zur andern zu machen im Begriff war, und er fühlte sich, trotz der Dürftigkeit seiner Börse, versucht, sich nach irgend einem Gasthaus zu begeben, wo er seine Rückkehr abwarten könnte, denn er wollte die Anordnung des Auszuges nicht durch seine lästige Gegenwart stören.
Doch in demselben Augenblick sah er durch eines von den Seitengewölben die Vorhut des maurischen Häuptlings und dann, stets geschaukelt aus