»So ist es, wenn man in freier Luft spricht. Messire Jehan Froissard,« sagte lachend Espaing von Lyon, »das sind Werte, die Euch Eure Abtei kosten werden.«
»Bei der heiligen Messe! Herr Ritter,« sprach Froissard, »ich glaube, ich habe meinen Mann gefunden, und Ihr kennt die Geschichte.«
»Ihr täuscht Euch nicht,« erwiderte der Ritter, »Niemand weiß sie und kann sie besser wiederholen als ich, seit dem Augenblick, wo er den Mongat von Lourdes getödtet, bis zu dem, wo ihm die Faust abgeschlagen worden ist.«
»Und was wird es mich kosten?« fragte Froissard, der, so neugierig er war, die Geschichte zu hören, doch zu bedauern anfing, daß er seine Abtei als Preis geboten.
»Es wird Euch acht Tage kosten, Messire,« erwiderte der unbekannte Ritter, »und selbst während dieser acht Tage werdet Ihr kaum Zeit haben, Alles, was ich Euch sage, aus Pergament niederzuschreiben.«
»Ich glaubte, der Bastard von Mauléon habe geschworen, diese Geschichte nie bekannt werden zu lassen,« entgegnete Froissard.
»Bis er einen Chronikschreiber, würdig, sie aufzuzeichnen, gefunden hätte; und nun, Messire Jehan, ist kein Grund mehr vorhanden, sie zu verbergen.«
»Warum schreibt Ihr sie dann nicht selbst?« fragte Froissard.
»Weil ein Hinderniß obwaltet,« entgegnete lächelnd der Ritter.
»Und welches?« fragte Messire Espaing von Lyon.
»Dieses,« sprach der Ritter, indem er mit der linken Hand die Hand seines rechten Aermels aushob und aus den Tisch meinen verstümmelten Arm legte, der in einer eisernen Zange endigte.
»Jesus!«
rief Froissard vor Freude zitternd, »solltet Ihr es sein?«
»Der Bastard von Mauléon in Person, den Einige auch Agenor mit der eisernen Hand nennen.«
»Und Ihr werdet mir Eure Geschichte erzählen?« fragte Froissard mit der Angst der Hoffnung.
«Sobald wir zu Nacht gespeist haben,« antwortete der Ritter.
»Gut,« sprach Froissard sich die Hände reibend, »Ihr sagtet die Wahrheit, Messire Espaing von Lyon, Monseigneur Gaston Phöbus wird warten.«
Und an demselben Abend, nachdem sie gespeist, hielt der Bastard von Mauléon sein Versprechen und fing an, Messire Jehan Froissard nachfolgende Geschichte zu erzählen, die wir aus einer Handschrift genommen haben, ohne uns eine andere Mühe zu geben, als in die dritte Person eine Erzählung zu setzen, welche in der ersten geschrieben war.
Zweites Kapitel.
Wie der Bastard von Mauléon auf dem Wege von Pinchel nach Coimbra einen Mauren traf, den er nach dem Wege fragte und der vorüberzog, ohne ihm zu antworten
>An einem schönen Morgen des Monats Juni 1361 hätte derjenige, welcher bei einer Hitze von vierzig Graden sich ins Freie zu wagen nicht bange gehabt haben würde, auf der Straße von Pinchel nach Coimbra in Portugal eine Gestalt, für deren Schilderung die Leute unserer Tage uns Dank wissen werden, einherziehen sehen können.
Es war nicht ein Mann, sondern eine völlige Rüstung, bestehend aus einem Helm, einem Panzer, Armschienen und Beinschienen, mit der Lanze im Arm, der Tartsche am Hals, Alles überragt von einem rothen Federbusch, über den die Lanzenspitze noch empor stand.
Diese Rüstung saß im Gleichgewicht aus einem Pferde, von dem man nur die schwarzen Beine und das entstammte Auge erblickte, denn es verschwand wie sein Herr unter seiner Kriegswappnung, welche mit einer weißen, mit rothem Tuche eingefaßten Schabracke bedeckt war. Von Zeit zu Zeit schüttelte das edle Thier den Kopf und wieherte mehr aus Zorn, als aus Schmerz; dies geschah, wenn eine Bremse unter die Falten der schweren Decke geschlüpft war und es seinen gierigen Stich fühlen ließ.
Was den Reiter betrifft, der steif und fest in den Bügeln hielt, als ob er an den Sattel genietet wäre, so schien er seinen Stolz darein zu setzen, daß er der glühenden Hitze Trotz bot, die vom kupfernen Himmel herabfiel, die Lust entzündete und das Gras vertrocknete. Viele, welche Niemand deshalb der Weichlichkeit beschuldigt hätte, würden sich erlaubt haben, das vergitterte Visir, zu öffnen, welches das Innere des Helmes in eine Badewanne verwandelte; doch aus der unempfindlichen Haltung und aus der edlen Unbeweglichkeit des Ritters ersah man, daß er selbst in der Wüste die Stärke seines Temperaments und seine Abhärtung gegen die Strapazen des Kriegerstandes zur Schau trug.
Wir haben gesagt die Wüste, und in der That, die Gegend, durch die der Ritter zog, verdiente wohl diesen Namen. Es war eine Art von Thal, gerade tief genug, um aus dem Weg, dem der Ritter folgte, die glühendsten Sonnenstrahlen zusammenzudrängen. Schon seit mehr als zwei Stunden war die Hitze, die man hier empfand, so groß, daß das Thal seine beharrlichsten Bewohner verloren hatte; die Hirten und die Herden, welche am Morgen und am Abend an seinem doppelten Abhange erschienene um ein paar Halme gelben, dürren Grases zu suchen, hatten sich hinter die Hecken und Gebüsche geflüchtet, und schliefen im Schatten. So weit das Auge reichen konnte, hätte man auch vergebens einen Reisenden gesucht, der kühn und unempfindlich genug gegen die Flamme gewesen wäre, um diesen Boden zu betreten, welcher aus der Asche von der Sonne vertrockneter Felsen zu bestehen schien. Das einzige lebende Thier, das bewies, daß ein Geschöpf in einem solchen Ofen leben konnte, war die Grille, oder vielmehr die Taufende von Grillen, welche, zwischen den Kieselsteinen sitzend, an den Grashalmen angeklammert, oder auf einem von Staub weißen Olivenzweige sich ausbreitend, die scharfe, eintönige Fanfare von sich gaben, die ihr Triumphgesang war, durch welchen sie die Eroberung der Wüste verkündigten, wo sie als alleinige Souverains herrschten.
Mit Unrecht haben wir behauptet, vergebens hätte das Auge am Horizont einen andern Reisenden gesucht, als denjenigen, welchen wir zu schildern unternahmen, denn hundert Schritte hinter ihm kam eine andere Gestalt, nicht minder seltsam, als die erste, obgleich von einem ganz verschiedenartigen Typus: es war ein Mann von ungefähr dreißig Jahren, dürr, gebückt, bronzirt, mehr hockend, als reitend auf einem Pferde so mager als er, und auf dem Sattel schlummernd, woran er sich angeklammert hielt, ohne irgend eine von den Sorgen, welche seinen Gefährten wach hielten, sogar ohne die Sorge, seinen Weg zu erkennen, die er offenbar demjenigen überließ, welcher weiser oder mehr dabei interessirt war, sich nicht zu verirren.
Ohne Zweifel am Ende überdrüssig, seine Lanze so hoch zu tragen und sich so steif im Sattel zu halten, hielt der Ritter an, um sein Visir aufzuschlagen und dem Dampfe Durchgang zu lassen, der aus seiner eisernen Umhüllung in seinen Kopf aufzusteigen anfing; doch ehe er diese Bewegung ausführte, schaute er umher wie ein Mensch, der entfernt nicht der Ansicht ist, der Muth sei minder schätzbar, wenn er von einer geziemenden Dose von Klugheit begleitet werde.
Bei dieser Rundbewegung sah er seinen sorglosen Gefährten, und indem er ihn aufmerksam anschaute, bemerkte er, daß er schlief.
»Musaron!« rief der geharnischte Ritter, nachdem er zuvor sein Helmvisir ausgeschlagen hatte, »Musaron, wache auf, Taugenichts, oder bei dem kostbaren Blute von San Jago! wie die Spanier sagen, Du kommst nicht nach Coimbra mit meinem Felleisen, sei es nun, daß Du es unter Weges verlierst, oder daß es Dir die Diebe stehlen. Musaron! wirst Du denn immer schlafen, Bursche?«
Doch der Knappe, denn dies war der Grad, den bei dem Ritter derjenige einnahm, welchen er angeredet hatte, der Knappe, sagen wir, schlief zu tief, als daß ihn der einfache Lärmen der Stimme erweckt hätte; der Ritter bemerkte also, daß er ein anderes, kräftigeres Mittel anwenden mußte, um so mehr, als das Pferd des Schläfers, da es sah, daß sein Vordermann anhielt, es für geeignet erachtete, ebenfalls anzuhalten, so daß Musaron, von der Bewegung zur Unbeweglichkeit übergehend, eine nur um so bessere Chance hatte, sich eines tiefen Schlafes zu erfreuen; er nahm deshalb ein elfenbeinernes, mit Silber eingelegtes Horn, das an einem Haken an seinem Gürtel hing, hielt es an seinen Mund und ließ mit kräftigem Athem ein paar Noten ertönen, welche sein Pferd sich bäumen und das seines Gefährten wiehern machte.
Diesmal erwachte Musaron plötzlich.
»Hollah!« rief er, indem er eine Art von Messer