»Dann bin ich vollkommen ruhig,« sagte Eusebius, indem er sich bemühte, ebenfalls zu lachen.
»Nun wohl, trittst Du die Erbschaft an, oder nicht?«
»Ich trete sie an,« sagte Eusebius entschlossen, »ich trete sie an! Reich und glücklich werde ich noch leichter den höllischen Versuchungen widerstehen, die Sie ohne Zweifel gegen mich aufbieten wollen. Ich verwende einen Theil meines Vermögens zu guten Werken, gewinne so den Himmel für mich und erlange die Oberhand über Sie, der Sie, Ihres Läugnens ungeachtet, Ihre höllische Macht von der Hölle selbst empfangen haben müssen.«
»Versuche es,« erwiederte der Capitän, »versuche es, und viel Vergnügen. Das Leben ist kurz, das Deinige besonders ist nicht dazu bestimmt, lang zu sein; trachte daher danach, daß es gut sei. Auf Wiedersehen, Eusebius.«
Bei diesen Worten wendete er dem jungen Manne den Rücken, als hätte er Wichtigeres zuthun, wie dieses Gespräch fortzusetzen, gab seinen Matrosen ein Zeichen, und da diese ihren Kameraden an Bord zurückgebracht hatten, und die Vorbereitungen, unter Segel zu gehen, beendet waren, ergriffen auf dieses Zeichen vier Männer die Ruder eines Bootes und legten dann an der Seite des Dammes an. Der malayische Schiffscapitän sprang in das Boot hinab und dieses ruderte sogleich dem Schiffe zu. An dem Brahu angelangt, erstieg der Schiffscapitän leicht die Seiten des Schiffes, und übernahm dann sofort das Commando. Der Wind faßte die Segel, der Brahu setzte sich in Bewegung und umschiffte den Damm. In diesem Augenblicke stieg der Datou-Noungal auf das Hinterdeck und sendete Eusebius als letztes Lebewohl sein unheimliches, höhnisches Lachen zu.
Erst als das kleine Fahrzeug, welches Flügel zu haben schien, am Horizont verschwunden war, dachte Eusebius daran, nach seiner, Wohnung zurückzukehren. Er erreichte dieselbe in einem schwer zu beschreibenden Zustande fieberhafter Ueberreizung. Noch an demselben Tage brach ein hitziges Fieber in ihm aus, und ein Arzt, den Esther während der Nacht rufen ließ«erklärte, er halte es für unmöglich, daß der Kranke länger als drei Tage den wüthenden Anfällen widerstehen könnte.
VII.
Ein sonderbares Codicill
Der Mann des Gesetzes, den wir sahen, wie er Eusebius van der Beek und Esther Menuis den Tod ihres Onkels, des Doctor Basilius, anmeldete, war der erste Schreiber des Notar Maes. Dieser wohnte auf dem Platze Weltevrede, einem der schönsten Plätze von Batavia. Er war ein großes Original, dem es indeß nicht an Character mangelte und der wohl der Mühe lohnt, daß wir seiner physischen und moralischen Beschreibung eine oder zwei Blätter widmen.
In physischer Beziehung war Meister Maes groß, dick, aufgedunsen. Er hatte die Figur eines Regimentstambours und daneben ein unbärtiges Gesicht, eine Roxelanennase und eine Haut von Rosen und Lilien, welche den sondersbarsten Contrast zu seiner herkulischen Gestalt bildeten.
Moralisch betrachtet war Meister Maes doppelt, das heißt, es gab bei ihm zwei Menschen in einer und derselben Haut. Der Eine dieser beiden Menschen war Meister Maes, der Notar, der Andere Herr Maes schlechthin. Es konnte nichts Ruhigeres, Pünctlicheres, Methodischeres, Geregelteres geben, als Meister Maes, den Notar. Hätte ein Client seine Anwesenheit um vier Uhr Morgens verlangt, so würde er nicht anders ausgegangen sein, als im schwarzen Anzuge mit weißer Halsbinde und frischen Handschuhen, gerade wie die Etiquette in Batavia es verschrieb. Niemand konnte sich erinnern, ihn zu Fuß auf einer der Straßen der Stadt gesehen zu haben, so. lange die Sonne am Horizonte stand. Bei der Ausübung seines Amtes lächelte er nie; seine Physiognomie blieb stets ernst und roch beständig etwas nach dem Testamente, selbst, wenn es sich um einen Heirathscontract handelte.Er sprach zu seinen Clienten nur in der dritten Person, und wußte geschickt das Gespräch zu lenken, wenn es sich auf Gegenstände verirrte, die außerhalb der Functionen seines Amtes lagen.
Am Abend aber, punct sechs Uhr, legte Meister Maes mit einem lauten Seufzer der Befriedigung seine Haltung, seine Kleidung und seine finstere Physiognomie ab. Ein Lächeln der Zufriedenheit ergoß sich über sein breites Gesicht; er entledigte sich des schwarzen Frackes und der schwarzen Beinkleider, die ihn so weit und so bequem umschlossen, daß Madame Maes, eine anständige und sehr ordentliche Frau, obgleich lebhaft und ungestüm, darüber unglücklich, war; er legte dann einen Anzug von weißem; Piqué an, und versuchte so lebhafte Sprünge zu machen, wie sein schwerfälliger Bau es ihm gestattete, trank vier oder fünf Gläser Gingerbeer Zug auf Zug und wurde Meister Maes kurzweg, das heißt, ein heiterer Gesellschafter, der nicht nur nach seinem Mittagsessen die Genüße einer Pfeife Opium nicht verschmähte, sondern sich sogar zuweilen in die engen Gäßchen und unter die Strohdächer von Mynheer Cornelis verirrte, und der in solchen Fällen regelmäßig seinen Abend in dem chinesischen Viertel, in dem kleinen Theater des Platzes Voyang Tschina beschloß, wohin er, wie böse Zungen behaupteten, viel weniger ging, um die dramatische Literatur des himmlischen Reiches zu studiren, als die häuslichen Sitten der hübschen Malayinnen, welche diesem Theater seine verführerischesten Besucherinnen lieferten.
Herr Maes war zu der Stunde, in welcher wir ihn einführen, noch nicht bis zu der lustigen Phase seiner täglichen Existenz gelangt. Es konnte etwa halb sechs Uhr Nachmittags sein; er befand sich in seinem Cabinet, einem Schreibtische gegenüber, der mit Papieren und Actenheften überhäuft war, die er mit einer Genauigkeit untersuchte, welche wohl geeignet war, seinen Clienten ein festes Vertrauen einzuflößen. Von Zeit zu Zeit jedoch wandte sein gewaltiger Körper sich schmerzhaft in seiner schwarzen Kleidung. Sein Hals streckte sich krampfhaft aus seiner weißen Binde hervor, als wären Beide ungeduldig, sich ihrer Fesseln zu entledigen und ehe er dann die Blicke wieder auf seine Papiere richtete, sah er melancholisch nach einer großen Uhr, die mit einer verzweiflungsvollen Langsamkeit und Monotonie verrückte.
Die Thür öffnete sich.
»Herr Notar,« sagte eintretend einer der Schreiber-, »Madame van der Beek-Menuis wünschte Sie zu sprechen, wenn es Ihnen nicht zu lästig wäre.«
»Lassen Sie sie eintreten, Wilhelm Ryck,« erwiederte Meister Maes. »Man muß die Clienten nie warten lassen, und noch viel weniger die Clientinnen,« fügte der Notar mit einem bedeutsamen Lächeln hinzu. Und da er einsah; daß der junge Mann diesen Worten eine leichtfertige Deutung geben könnte, verbesserte sich Meister Maes, indem er sagte: »besonders wenn es so ehrenwerthe Clientinnen sind, wie Madame van der Beek-Menuis. Lassen Sie sie also eintreten, mein Freund.«
Der Notar warf einen flüchtigen Blick in einen kleinen Spiegel, der über einem Divan von carmoisinrother Seide hing, um sich zu überzeugen, daß seine ungeduldige Regung von vorhin die Falten seiner Kravatte und die Harmonie seiner Kleidung nicht gestört hätte.
Der Schreiber führte Madame van der Beek ein. Die kürzlich überstandene Krankheit Esthers, die Befugnisse die sie für die Gesundheit ihres Mannes hegte, ließen ihre Spuren auf dem Gesichte der jungen Frau zurück. Sie war sehr blaß, aber deshalb vielleicht nur um so hübscher.
Der Notar schob ihr artig einen Stuhl zu.
»Vor allen Dingen, Madame,« sagte er mit dem theilnahmvollsten Tone, »will ich mich nach der Gesundheit des Herrn van der Beek erkundigen.«
»Es geht mit meinem Manne besser,« antwortete die junge Frau. »Zum Glück für ihn sind von allen Orakeln die mindest zuverlässigenden der medicinischen Facultät, denn sein Arzt hat mich wahrhaft in Verzweiflung gebracht.«
Meister Maes lächelte und Madame van der Beek fuhr fort: »Die Jugend und die kräftige Constitution meines Mannes haben über die Krankheit triumphirt und er ist glücklich von dem entsetzlichen Delirium geheilt, während dessen er von furchtbaren Visionen gemartert wurde. Auf diesen Zustand fieberhafter Aufregung folgte eine noch beunruhigendere Betäubung, über die wir jedoch zu triumphiren hoffen.«
»Ich glaube,« unterbrach sie der Notar, welcher dem Anstande ein hinlängliches Opfer gebracht zu haben meinte, und der bei der vorgerückten Stunde zu dem Geschäfte zu gelangen wünschte, »ich glaube, daß Madame van der Beek zu mir gekommen sind, um mit mir über die Erbschaft ihres Onkels, des Doctor Basilius, zu sprechen.«
»Ganz gewiß, mein Herr,