Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
die Polizei, und auf eine Klage wird der Ivoschik fast immer bestraft. Obgleich selten nothwendig, ist nichts destoweniger diese Vorsicht, wie man sehen wird, nicht immer nutzlos, und das Gerücht eines im Winter 1823 in Moskau vorgefallenen Abenteuers, läuft immer noch in den Straßen St. Petersburgs herum.

      Eine Französin, Namens Madam L. . . . . ., befand sich außer ihrem Hause und zu einer sehr vorgerückten Stunde der Nacht in Gesellschaft. Da sie nicht zu Fuße nach ihrer Wohnung zurückkehren wollte, obgleich die Leute, bei welchen sie sich befand, ihr anboten, sie durch einen Bedienten begleiten zu lassen, so ließ man einen Wagen holen; unglücklicher Weise befanden sich nur Droschken auf dem Platze; man führte eine herbei, sie stieg hinein, gab ihre Adresse und fuhr ab.

      Außer einer goldnen Kette und diamantenen Ohrringen, welche er hatte glänzen sehen, hatte der Kutscher noch bemerkt, daß Madame L . . . . . in einen kostbaren Pelzmantel eingehüllt war. Indem er demnach die Dunkelheit der Nacht, die Einsamkeit der Straßen und die Zerstreuung der Madame L . . . . . benutzte, welche aus Furcht vor der Kälte den Kopf in ihren Mantel gehüllt sich fahren ließ, ohne zu bemerken, welchen Weg ihr Kutscher einschlug, so entfernte er sich von dem Wege und war schon über das einsamste Quartier der Stadt hinaus, als Madame L . . . . ., den ihre Augen bedeckenden Schleier wegnehmend, gewahr wurde, daß sie sich auf dem Felde befand. Sogleich ruft sie, schreiet, da sie aber sieht, daß der Ivoschik anstatt anzuhalten die Schnelligkeit seines Pferdes verdoppelt, so faßt sie ihn an dem Schilde, auf welchem seine Numer befindlich, entreißt ihm das selbe, indem sie ihm drohet, das Schild am anderen Tage auf die Polizei zu tragen, wenn er sie nicht nach Hause führe. Sei es nun, daß der Kutscher an dem Orte angelangt war, den er selbst zu seinem Verbrechen bestimmt hätte, oder sey es, daß er glaubte, daß der Widerstand der Madame L . . . . . ihm nicht länger zu warten gestatten würde, kurz, er springt von seinem Bocke und kommt an die eine Seite der Droschke. Glücklicher Weise ist Madam L . . . . . ., immer mit dem anklagenden Schilde versehen, auf der anderen herausgesprungen, und die Thür eines vor ihr noch offenstehenden Gitters aufstoßend, stürzt sie in einen geschlossenen Raum, den sie an den darin verstreueten hölzernen und eisernen Kreuzen bald einen Kirchhof erkennt.

      Aber hinter ihr ist der Kutscher eingetreten, er verfolgt sie mit einem neuen Eifer; dieses Mal ist für ihn nicht mehr die Rede davon sich durch Diebstahl des Pelzes und der Diamanten zu bereichern, es handelt sich darum, sein Leben zu retten, glücklicher Weise hat Madam L. . . . . . einige Schritte vor ihm voraus, und die Nacht ist so finster, daß man sich auf einige Schritte weit aus dem Gesicht verliert. Plötzlich fehlt der Flüchtigen der Boden, es scheint ihr, daß sie versinkt, sie ist in offenes Grab gefallen, das sich am anderen Morgen über einem Leichnam schließen soll. Aber Madame L . . . . . hat eingesehen, daß dieses Grab Zufluchtsstätte wäre, die sie der Verfolgung Mörders entziehen könnte: sie stößt demnach auch keinen Schrei, keine Klage aus. Der Kutscher der sie wie einen Schatten verschwinden sehen, er geht sie immer verfolgend an dem Grabe vorüber. Madame L . . . . . . ist gerettet.

      Während eines Theiles der Nacht streifte der Kutscher auf dem Kirchhofe herum, denn er konnte der Hoffnung, diejenige wieder zu finden, nicht entsagen, welche sein Leben in Händen hielt. Bald versuchte er sie durch fürchterliche Drohungen zu erschrecken, bald hoffte er sie durch sein Flehen zu erweichen, indem er bei allen Heiligen auf das feierlichste schwor, daß er sie nach Hause fahren wollte, ohne ihr das geringste Leid anzuthun, wenn sie ihm nur ein Schild wiedergeben wollte; aber Madame L. . . . . ließ sich weder einschüchtern noch verführen, sie blieb auf dem Grunde des Grabes stumm und ohne Bewegung und gleich dem Leichname, dessen Stelle sie einnahm.

      Endlich, da die Nacht zu Ende ging, wurde der Ivoschik gezwungen, den Kirchhof zu verlassen und zu entfliehen. Was Madame L . . . . . anbelangt, so blieb sie bis zu Tages Anbruche in dem Grabe verborgen; zwei Stunden nachdem sie es verlassen, war die Klage und das Schild bei der Polizei eingereicht. Drei Tage lang dienten die Moskau umgebenden Wälder dem Mörder zur Zufluchtsstätte. Endlich, von der Kälte und dem Hunger besiegt, kam er, um in einem kleinen Dorfe einen Zufluchtsort zu suchen, aber überall in der Umgegend war eine Nummer und seine Beschreibung gegeben worden: er wurde erkannt, festgenommen, geknutet und in die Bergwerke gesandt.

      Inzwischen sind diese Beispiele selten, das russische Volk ist instinktmäßig gut, und es gibt viele leicht keine Hauptstadt, wo die Morde aus Habsucht oder aus Rache seltener sind, als in St. Petersburg. Sogar noch mehr, obgleich sehr zum Diebstahle geneigt, hat der Moujick doch einen Abscheu vor dem Erbrechen, und man darf einem Lohnbedienten oder einem Kutscher ohne Sorge einen verschlossenen Brief voller Bankbillets, wüßte er sogar was er trägt, übergeben, während dem es Unbesonnen wäre, in dem Bereiche dieses Menschen das geringste Geldstück herumfahren zu lassen.

      Ich weiß nicht, ob mein Ivoschik ein Dieb war, aber so viel ist gewiß, daß er sehr fürchtete, bestohlen zu werden, denn an dem Gitter des taurischen Palastes angelangt, gab er mir zu verstehen, daß, da der Palast zwei Ausgänge habe, er sehr wünsche, daß ich auf die bedungenen fünf Rubel eine zu der bereits gemachten Fahrt im Verhältniß stehende Abschlagszahlung gäbe. In Paris würde ich dem unverschämten Forderer barsch geantwortet haben, in St. Petersburg lachte ich nur darüber, denn das begegnete Größeren, als ich, die sich nicht darüber beleidigt fühlten. In der That, als zwei Monate zuvor der Kaiser Alexander eines Tages seiner Gewohnheit gemäß zu Fuße spazieren ging, und sich vom Regen bedrohet sah, nahm er eine Mieth-Droschke, und ließ sich nach dem kaiserlichen Palaste fahren; dort angelangt suchte er in seinen Taschen und entdeckte, daß er kein Geld bei sich habe; er sagte nun aus der Droschke steigend zu dem Ivoschik: Warte, ich werde Dir Dein Fuhrlohn senden.

      – Ach ja, sagte der Kutscher, ich brauche nur darauf zu warten.

      – Wie so? fragte der Kaiser.

      – O! ich weiß wohl, was ich sage.

      – Nun, laß hören, was sagst Du denn?

      – Ich sage, daß ich eben so viele Schuldner habe, die ich nicht wiedersehe, als ich Personen vor ein Haus mit zwei Thüren fahre, die ohne mich zu bezahlen aussteigen.

      – Wie? selbst vor dem Palaste des Kaisers?

      – Oefter noch als anderswo. Die großen Herren haben sehr wenig Gedächtniß.

      – Du mußt Dich beklagen, und die Diebe arretieren lassen, sagte Alexander, den dieses Gespräch belustigte.

      – Einen Adeligen arretieren lassen? Eure Excellenz weiß wohl, daß man das vergeblich versuchen würde. Wenn es einer von uns wäre, das lasse ich mir gefallen, das ist leicht, fügte der Kutscher hinzu, indem er auf seinen Bart zeigte, denn man weiß, wo man uns faßt; aber die großen Herrn, die ein glattes Kinn haben, ohnmöglich! Wolle Eure Excellenz darum nur genau in ihren Taschen suchen, und ich bin sicher, daß Sie darin etwas finden werden, um mich zu bezahlen.

      – Höre, sagte der Kaiser, hier ist mein Mantel, er ist wohl eine Fahrt werth, nicht wahr? Nun denn, behalte ihn, und gieb ihn dem wieder, der Dir Geld bringt.

      – Ah! so ist’s recht, sagte der Ivoschik, Sie sind vernünftig. Einen Augenblick nachher empfing der Kutscher gegen den in Versatz gebliebenen Mantel ein Billet von Hundert Rubel. Der Kaiser hatte zugleich für sich und die, welche zu ihm kamen, bezahlt.

      Da ich mich nicht der Laune einer ähnlichen Freigebigkeit hingeben konnte, so begnügte ich mich, meinem Ivoschik die fünf Rubel zu geben, die der Preis seines Tages waren, vergnügt ihm zu beweisen, daß ich mehr Vertrauen in ihn setzte, als er in mich gehabt hatte. Freilich wußte ich seine Nummer, und er meinen Namen nicht.

      Der Taurische Palast ist ein Geschenk, welches der Günstling Potemkin, mit seinen prachtvollen feinen Marmorstatuen und feinen Teichen voller Gold- und Azur-Fische, seiner mächtigen und großen Gebieterin, Katharina II. machte, um die Eroberung des Landes zu feiern, dessen Namen er trägt; aber das Erstaunungswürdige dabei ist nicht der Prunk des Gebers, sondern die Gewissenhaftigkeit, mit welcher das Geheimniß bewahrt wurde. Ein Wunder hatte sich in ihrer Hauptstadt erhoben, und Katharina wußte nichts davon, so daß, als sie eines Abends, an welchem sie der Minister zu dem nächtlichen Feste einlud, das er ihr zu geben gedachte, an der Stelle einiger ihr bekannten feuchten Wiesen, einen von Licht strahlenden Palast voller Harmonie und ganz mit lebendigen Blumen geschmückt fand, sie hätte glauben können, daß er von Feen-Händen erbaut sey.

      Potemkin