Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Trotz aller Vorsicht, mit der ich zu Werke gehe, kann ich getötet werden, von nahe oder von fern getroffen, vielleicht auf den Tod getroffen werden und sogleich sterben; würde dies geschehen, so mußt du wissen, was du statt meiner dem Doktor Gilbert sagen sollst.«

      Pitou hörte nicht und antwortete folglich auch nicht.

      »Wenn ich auf den Tod verwundet würde und meine Sendung nicht erfüllen könnte, so müßtest du statt meiner den Doktor Gilbert aufsuchen und ihm sagen  . . . hörst du mich wohl, Pitou?« sprach Billot, indem er sich gegen den jungen Mann hinabbückte, und du wirst ihm sagen  . . . Doch er schnarcht, der Unglückliche.«

      Die ganze gewaltsame Aufregung Billots erlitt sofort eine Abspannung durch den Anblick des schlafenden Pitou.

      »Schlafen wir also,« sagte er. Denn wie sehr auch der Pächter an Strapazen gewohnt war, der Ritt am Tage und die Ereignisse des Abends waren für ihn nicht ohne einschläfernde Gewalt.

      Und nach drei Stunden ihres Schlummers oder vielmehr ihrer Erstarrung, erschien der Tag.

      Als sie die Augen wieder öffneten, hatte Paris nichts von der wilden Physiognomie verloren, die sie am Tage zuvor an ihm wahrgenommen.

      Nur sahen sie mehr Soldaten und überall Volk.

      Das Volk bewaffnete sich mit Piken, die man in der Eile fabriziert hatte; mit Schießgewehren, deren sich die meisten nicht zu bedienen wußten; mit herrlichen Waffen aus einem andern Zeitalter, an denen die Träger ihre Verzierung von Gold, Elfenbein und Perlmutter bewunderten, ohne den Gebrauch und den Mechanismus davon zu verstehen.

      Sogleich nach dem Rückzug der Soldaten hatte man das Garde-Meubles geplündert.

      Und das Volk rollte zwei kleine Kanonen gegen das Stadthaus.

      Die Sturmglocke erscholl in Notre-Dame, im Stadthause, in allen Kirchen. Man sah, und wußte nicht, von wo Legionen von bleichen, magern, nackten Männern und Weibern kommen, welche am Tage zuvor: Brot! geschrieen hatten und heute: Waffen! schrieen.

      Es läßt sich nichts entsetzlicheres denken, als die Gespensterbanden, die seit ein paar Monaten aus der Provinz eintrafen, stillschweigend durch die Barrièren zogen und sich in dem selbst ausgehungerten Paris einquartierten, wie die arabischen Goules5 auf einem Friedhof.

      Ganz Frankreich rief, an diesem Tage in Paris durch die Ausgehungerten jeder Provinz vertreten, seinem Könige zu: Mache uns frei! und seinem Gott: Sättige uns!

      Billot, der zuerst wach geworden war, weckte Pitou auf, und beide wanderten nach dem College Louis-le-Grand, wobei sie, erschreckt durch dieses blutige Elend, schauernd umherschauten.

      Als sie näher zu dem Teil der Stadt kamen, den wir heute das Quartier Latin nennen, als sie sodann die Rue de la Harpe hinaufstiegen, und endlich gegen die Rue Saint-Jacques, das Ziel ihres Marsches, vordrangen, sahen sie, wie zur Zeit der Fronde, Barrikaden sich erheben. Weiber und Kinder schleppten in die oberen Stockwerke der Häuser Folianten, schwere Möbel, kostbare Marmorarbeiten, in der Absicht, die fremden Soldaten niederzuschmettern, falls sie sich in die gekrümmten, engen Straßen des alten Paris wagen würden.

      Von Zeit zu Zeit bemerkte Billot ein paar französische Gardesoldaten im Mittelpunkte einer Versammlung, die sie organisierten und mit einer wunderbaren Schnelligkeit die Handhabung eines Schießgewehres lehrten, eine Übung, welche die Weiber und Kinder mit Neugierde und beinahe mit dem Wunsche, sie selbst zu lernen, verfolgten.

      Billot und Pitou fanden das College Louis-le-Grand im Aufruhr; die Schüler hatten sich erhoben und ihre Lehrer fortgejagt. In dem Augenblick, wo der Pächter und sein Gefährte vor das Gitter kamen, belagerten die Schüler dieses Gitter mit Drohungen, die der erschrockene Vorsteher durch Thränen erwiderte.

      Der Pächter schaute einen Augenblick dieser Empörung im Innern zu und rief dann plötzlich mit einer Stentorstimme:

      »Welcher von euch heißt Sebastian Gilbert?«

      »Ich,« antwortete ein junger Mensch von einer beinahe weiblichen Schönheit, der mit Hilfe von drei bis vier seiner Kameraden eine Leiter brachte, um die Mauer zu erklettern, da er sah, daß er das Gitter nicht sprengen konnte.

      »Kommen Sie näher hierher, mein Kind.«

      »Was wollen Sie von mir, mein Herr?« fragte der junge Sebastian den Pächter.

      »Wollen Sie ihn mitnehmen?« rief der Vorsteher, erschrocken bei dem Anblick der zwei bewaffneten Menschen, von denen der eine ganz mit Blut bedeckt war.

      Der Knabe schaute seinerseits diese zwei Menschen mit Erstaunen an und suchte mit vergeblicher Mühe seinen Milchbruder Pitou wiederzuerkennen, denn er war seit der Zeit ihrer Trennung übermäßig gewachsen und in der kriegerischen Rüstung völlig verändert.

      »Ihn mitnehmen!« rief Billot, »den Sohn von Herrn Gilbert mitnehmen; ihn in dieses Gemenge führen; ihn der Gefahr aussetzen, einen schlimmen Schlag zu bekommen! Oh! bei meiner Treue, nein!«

      »Sehen Sie, Sebastian,« sagte der Vorsteher, »sehen Sie, Wütender, sogar Ihre Freunde wollen nichts von Ihnen. Denn diese Herren scheinen Ihre Freunde zu sein. Höret, meine Herren, höret, junge Zöglinge, höret, meine Kinder,« rief der arme Vorsteher, »gehorchet mir, gehorchet, ich befehle es; gehorchet, ich bitte euch inständig.«

      »Oro obtestorque,« sagte Pitou.

      »Mein Herr,« sprach der junge Gilbert mit einer für einen Knaben von seinem Alter außerordentlichen Festigkeit, behalten Sie meine Kameraden zurück, wenn es Ihnen gutdünkt, aber ich, verstehen Sie wohl, ich will hinaus.«

      Er machte eine Bewegung gegen das Gitter. Der Professor hielt ihn am Arm zurück.

      Doch er schüttelte seine schönen kastanienbraunen Haare auf seine bleiche Stirn und rief:

      »Mein Herr, geben Sie wohl acht, was Sie thun. Ich bin nicht in der Lage der andern; mein Vater ist verhaftet, eingesperrt worden; mein Vater ist in der Gewalt der Tyrannen!«

      »In der Gewalt der Tyrannen!« rief Billot; »sprich, mein Kind, was willst du damit sagen?«

      »Ja! ja!« riefen die Knaben, »Sebastian hat recht; man hat seinen Vater verhaftet; und da das Volk die Gefängnisse geöffnet hat, so will er, daß man auch das Gefängnis seines Vaters öffne.«

      »Ho! ho!« sprach der Pächter, indem er mit seinem Herkulesarm am Gitter rüttelte, man hat den Doktor Gilbert verhaftet. Alle Wetter! die kleine Katharine hatte also Recht!«

      »Ja, mein Herr,« fuhr der junge Gilbert fort, »man hat meinen Vater verhaftet, und darum will ich fliehen, darum will ich ein Gewehr nehmen, darum will ich mich schlagen, bis ich meinen Vater befreit habe!«

      Seine Worte wurden begleitet und unterstützt durch hundert tobende Stimmen, die riefen:

      »Waffen! Waffen! man gebe uns Waffen!«

      »Auf diese Rufe stürzte die Menge, die sich, ebenfalls von heldenmütigem Eifer beseelt, in der Straße zusammengeschart hatte, nach dem Gitter, um den jungen Leuten die Freiheit zu geben.

      Der Vorsteher warf sich zwischen den Schülern und den Stürmenden auf die Kniee und streckte seine Arme flehend durch das Gitter.

      »Oh! meine Freunde! meine Freunde!« rief er, »respektieren Sie diese Kinder!«

      »Ob wir sie respektieren!« sagte einer von der französischen Garde; »ich glaube wohl! Das sind hübsche Jungen, welche die Übung wie die Engel machen werden.«

      »Meine Freunde! meine Freunde! Diese Kinder sind ein Gut, das ihre Eltern mir anvertraut haben; ich bin für sie verantwortlich; ihre Eltern rechnen auf mich; ich bin ihnen mein Leben schuldig: doch in des Himmels Namen, führt die Kinder nicht weg!«

      Hohngelächter, das aus der Tiefe der Straße, das heißt, aus den letzten Reihen der Menge kam, war die Antwort auf diese schmerzlichen Bitten.

      Billot stürzte vor, widersetzte sich den französischen Garden, der Menge, den Schülern selbst, und rief:

      »Er hat recht, das ist ein ihm anvertrautes heiliges Gut; die Männer sollen sich schlagen,


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 Bei den Orientalen eine Art von Dämon, ein weiblicher Dämon, der die Friedhöfe heimsucht und sich mit Leichen füttert. D. Übers