Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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hatten sie besonders mit Pitou abzumachen? mit ihm, der sie nie gesehen und folglich auch nicht kannte?

      Wie, da er sie gar nicht kannte, war es ihnen möglich, ihn zu kennen? Warum hatte ihn Mademoiselle Katharine nach Paris gehen heißen, und warum hatte sie ihm, um ihm die Reise zu erleichtern, einen Louisd'or von achtundvierzig Franken gegeben? das heißt zweihundert und vierzig Pfund Brot, das Pfund Brot zu vier Sous gerechnet, also Mittel, um achtzig Tage oder beinahe drei Monate bei einiger Mäßigkeit zu leben?

      Vermutete Mademoiselle Katharine, Pitou könnte oder müsse achtzig Tage vom Pachthause entfernt bleiben?

      Pitou bebte plötzlich.

      »Ho! ho!« sagte er; »abermals dieses Hufeisen.«

      Und er richtete sich auf.

      »Diesmal täusche ich mich nicht. Das Geräusch, das ich höre, ist das eines galoppierenden Pferdes, ich will es auf der Steige sehen.«

      Pitou hatte sein Selbstgespräch noch nicht vollendet, als ein Pferd auf der Höhe eines kleinen Abhanges hinter ihm auf ungefähr vierhundert Schritt erschien.

      Die Furcht, die ihn auf einen Augenblick verlassen hatte, ergriff Pitou abermals und gab ihm noch längere und unerschrockenere Beine, als die, von denen er zwei Stunden vorher einen so wunderbaren Gebrauch gemacht, da er sich von einem der Agenten verfolgt glaubte.

      Ohne zu überlegen, ohne rückwärts zu schauen, ohne daß er nur seine Flucht zu verhehlen suchte, schwang sich Pitou, auf die Vortrefflichkeit seines stählernen Kniebugs rechnend, mit einem einzigen Satz auf die andere Seite des Grabens, der die Straße begrenzte, und fing an, querfeldein in der Richtung von Ermenonville zu entfliehen. Pitou wußte nicht, was Ermenonville war. Er erblickte nur am Horizont den Gipfel von einigen Bäumen und sagte zu sich selbst:

      »Wenn ich diese Bäume erreiche, die ohne Zweifel der Saum eines Waldes sind, bin ich gerettet.«

      Und er eilte gegen Ermenonville.

      Diesmal handelte es sich darum, ein Pferd im Laufe zu besiegen. Pitous Füße waren nicht Füße mehr, sondern Flügel. Und das um so mehr, weil Pitou, nachdem er sich ungefähr hundert Schritte querfeldein geflüchtet, im Zurücksehen bemerkt hatte, wie der Reiter sein Pferd den ungeheuern Sprung machen ließ, den er selbst über den Straßengraben gemacht.

      Von diesem Augenblicke an gab es für den Flüchtigen keinen Zweifel mehr, daß es der Reiter auf ihn abgesehen habe, und der Flüchtige verdoppelte seine Geschwindigkeit, ohne nur noch den Kopf umzuwenden, weil er hierdurch Zeit zu verlieren fürchtete. Was seinen Lauf nun beschleunigte, war nicht mehr das Geräusch der Hufeisen auf dem Pflaster (denn das Geräusch dämpfte sich im Klee und auf dem Brachfelde); sondern es war etwas wie ein Schrei, der ihn verfolgte, die letzte Silbe seines Namens vom Reiter ausgesprochen, – ein Hu! Hu! welches das Echo seines Zornes zu sein schien und durch die Luft zog, die er durchschnitt.

      Doch nach zehn Minuten dieses furchtbaren Laufes fühlte Pitou seine Brust schwer werden, seinen Kopf sich verstopfen. Seine Augen fingen an, in ihren Höhlen zu schwanken. Es kam ihm vor, als erhielten seine Kniee eine beträchtliche Ausdehnung, als füllten sich seine Lenden mit kleinen Steinen. Von Zeit zu Zeit stolperte er in den Furchen, er, der gewöhnlich die Füße beim Laufen so hoch aufhob, daß man alle Nägel an der Sohle seiner Schuhe sah.

      Endlich triumphierte das Pferd, das in der Kunst zu laufen erhabener als der Mensch geboren ist, über den zweifüßigen Pitou; und dieser hörte zugleich die Stimme des Reiters nicht mehr: Hu! Hu! sondern: Pitou! Pitou! rufen.

      Es war um ihn geschehen: alles war verloren.

      Pitou versuchte es indessen, seinen Lauf fortzusetzen; das war eine Art von maschinenmäßiger Bewegung geworden; er ging, durch die repulsive Kraft fortgerissen; plötzlich wichen seine Kniee. Er wankte und fiel, einen großen Seufzer ausstoßend, mit dem Gesicht gegen die Erde nieder.

      Zu gleicher Zeit aber, als er niederfiel, fest entschlossen, wenigstens mit seinem Willen nicht mehr aufzustehen, erhielt er einen Peitschenhieb um die Lenden. Ein schwerer Fluch, der ihm nicht fremd war, erscholl, und eine wohlbekannte Stimme rief ihm zu:

      »Ah! Tölpel, ah! Dummkopf, du hast also geschworen, Cadet krepieren zu machen!«

      Der Name Cadet setzte der Unentschlossenheit von Pitou ein Ziel.

      »Ah!« rief er, indem er sich halb um sich selbst wandte, so daß er, statt auf dem Bauch zu liegen, auf den Rücken zu liegen kam. »Ah! ich höre die Stimme von Herrn Billot.«

      Es war in der That der Vater Billot. Als sich Pitou von der Identität wohl überzeugt hatte, setzte er sich auf.

      Der Pächter hatte seinerseits Cadet, der ganz von Schweiß troff, angehalten.

      »Ah! lieber Herr Billot,« rief Pitou, »wie gut sind Sie, daß Sie mir so nachrennen! Ich schwöre Ihnen, daß ich in den Pachthof zurückgekommen wäre, nachdem ich den Doppel-Louisd'or von Mademoiselle Katharine verzehrt gehabt hätte. Doch da Sie da sind, so nehmen Sie hier Ihren Doppel-Louisd'or wieder, denn im ganzen gehört er doch Ihnen, und lassen Sie uns in den Pachthof zurückkehren.«

      »Tausend Teufel!« entgegnete Billot, »es handelt sich wohl darum, in den Pachthof zurückzukehren, wo die Mouchards sind.«

      »Die Mouchards!«2 fragte Pitou, der die Bedeutung dieses Wortes, das erst seit kurzer Zeit in das Wörterbuch der Sprache aufgenommen worden war, nicht recht begriff.

      »Ja, ja, die Mouchards,« sagte Billot, »die schwarzen Männer, wenn du das besser begreifst.«

      »Ah, die schwarzen Männer! Sie können sich wohl denken, Herr Billot, daß ich nicht zu meinem Vergnügen auf sie gewartet habe.«

      »Bravo! sie sind also zurück.«

      »Ich schmeichle mir damit; doch nach einem Laufe, wie ich ihn vollbracht, ist das, wie mir scheint, das Wenigste.«

      »Wenn du deiner Sache gewiß warst, warum bist du dann noch immer geflohen?«

      »Weil ich glaubte, es sei ihr Anführer, der mich, um mit Ehren zu bestehen, zu Pferde verfolge.«

      »Ah! ah! du bist nicht so ungeschickt, als ich dachte. Sobald also der Weg frei ist, auf! auf! nach Dammartine.«

      »Wie! auf, auf?«

      »Ja, erhebe dich und komm mit mir.«

      »Wir gehen also nach Dammartine?«

      »Ja, ich werde ein Pferd beim Gevatter Lefranc nehmen; ich lasse ihm Cadet, der nicht mehr weiter kann, und wir marschieren heute Abend bis nach Paris.«

      »Gut, Herr Billot, gut.«

      »Wohl denn! auf! auf!«

      Pitou strengte sich an, um zu gehorchen.

      »Ich möchte wohl, lieber Herr Billot, aber ich kann nicht,« sagte er.

      »Du kannst nicht aufstehen?«

      »Nein.«

      »Du hast wohl vorhin den Karpfensprung gemacht?«

      »Oh! vorhin, darüber dürfen Sie sich nicht wundern. Ich hörte Ihre Stimme, und bekam zugleich einen Peitschenhieb auf den Rückgrat. Doch dergleichen Dinge gelingen nur einmal; jetzt bin ich an Ihre Stimme gewöhnt, und was Ihre Peitsche betrifft, so bin ich nun fest überzeugt, daß Sie dieselbe nur noch zur Führung des armen Cadet, der beinahe so heiß hat, als ich, anwenden werden.«

      Die Logik von Pitou, welche im ganzen genommen keine andre war, als die des Abbés Fortier, überzeugte und rührte beinahe den Pächter.

      »Ich habe keine Zeit, mich durch dein Schicksal erweichen zu lassen,« sagte er zu Pitou; »doch strenge dich an und steige auf das Kreuz von Cadet.«

      »Ah! ah, da wird der arme Cadet krepieren!«

      »Bah! in einer halben Stunde sind wir beim Vater Lefranc.«

      »Ei! mein lieber Herr Billot, mir scheint, es ist vollkommen unnütz, daß ich zum Vater Lefranc gehe.«

      »Und warum?«

      »Weil, wenn Sie etwas in


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