Sartes hörte, wie die Faust des Mannes zur Verdeutlichung in seine Handinnenfläche schlug.
„Wir haben sie zerstört“, stimmte Jerald zu, „dank deiner Führung.“
Anka schüttelte den Kopf. „Wir haben sie gemeinsam geschlagen. Wir haben sie besiegt, weil jeder das seine getan hat. Und weil Sartes uns die Pläne besorgt hatte.“
Sartes wurde von seinem Vater nach vorne geschoben. Das hatte er nicht erwartet.
„Anka hat Recht“, sagte Oreth. „Wir schulden Sartes unseren Dank. Er hat uns die Pläne gebracht, und er war derjenige, der die Rekruten überzeugt hat, nicht zu kämpfen. Die Rebellion hat dank ihm nun mehr Anhänger.“
„Halbausgebildete Rekruten“, setzte Hannah hinzu. „Keine richtigen Soldaten.“
Sartes drehte sich zu ihr um. Sie war dagegen gewesen, dass er an der Sache hatte teilnehmen dürfen. Er mochte sie nicht, aber darum ging es in der Rebellion nicht. Sie alle gehörten einer Sache an, die größer war, als jeder einzelne von ihnen.
„Wir haben sie geschlagen“, sagte Anka. „Wir haben eine Schlacht gewonnen, doch das sollten wir nicht mit einem Sieg über das Reich verwechseln. Vor uns liegt noch ein langer Weg.“
„Und sie haben nach wie vor viele Soldaten“, sagte Jerald. „Ein langwieriger Krieg gegen sie, könnte uns teuer zu stehen kommen.“
„Kalkulierst du etwa die Kosten?“ konterte Oreth. „Das hier ist keine Geschäftsinvestition, in der du dir erst die Bücher ansiehst, bevor du kaufst.“
Sartes konnte hören, dass er genervt war. Als er zuerst zu den Rebellen gestoßen war, hatte er geglaubt, dass sie eine große, geschlossene Einheit wären, dass sie an nichts anderes denken konnten, als daran, das Reich zu besiegen. Doch dann hatte er herausgefunden, dass sie in vielerlei Hinsicht ganz einfache Leute waren, alle mit ihren eigenen Träumen und Hoffnungen, Wünschen und Bedürfnissen. Das machte Ankas Leistung sie nach Rexus’ Tod zusammenzuhalten noch eindrucksvoller.
„Es ist die größte Investition, die es gibt “, sagte Jerald. „Wir werfen alles was wir haben in eine Schale. Wir riskieren unser Leben für die Hoffnung, dass sich die Dinge zum besseren verändern werden. Ich bin genauso in Gefahr, wie jeder andere hier, wenn unser Anliegen misslingt.“
„Es wird nicht misslingen“, sagte Edrin. „Wir haben sie einmal geschlagen. Wir werden sie wieder schlagen. Wir wissen, wo sie angreifen werden und wann. Wir können sie jedes Mal abpassen.“
„Wir können mehr als nur das“, sagte Hannah. „Wir haben den Menschen gezeigt, dass wir sie schlagen können, warum holen wir uns dann nicht ein paar Sachen von ihnen zurück?“
„Woran genau hast du gedacht?“ fragte Anka. Sartes sah, dass sie nachdachte.
„Wir erobern ein Dorf nach dem anderen zurück“, sagte Hannah. „Wir töten die dortigen Reichssoldaten noch bevor Lucious auch nur in ihre Nähe kommt. Wir zeigen den Leuten dort, was möglich ist und er wird sein blaues Wunder erleben, wenn sie sich dann gegen ihn erheben.“
„Und wenn Lucious und seine Männer sie dann deshalb töten?“ wandte Oreth ein. „Was dann?“
„Dann zeigt das nur, wie grausam er ist“, insistierte Hannah.
„Oder die Menschen sehen, dass wir sie nicht beschützen können.“
Sartes blickte sich um und erkannte erstaunt, dass sie ernsthaft über die Idee nachdachten.
„Wir könnten einige von uns in den Dörfern stationieren, so dass sie auf der sicheren Seite sind“, schlug Jerald vor. „Wir haben schließlich jetzt die Rekruten.“
„Sie werden die Armee nicht lange aufhalten können, wenn sie einmal im Anmarsch ist“, schoss Oreth zurück. „Sie würden zusammen mit den Dörflern sterben.“
Sartes wusste, dass er Recht hatte. Die Ausbildung der Rekruten war nicht mit derjenigen der stärksten Armeesoldaten zu vergleichen. Schlimmer noch hatten viele von ihnen in den Klauen der Armee so sehr gelitten, dass sie wahrscheinlich selbst große Angst haben würden.
Er sah, dass Anka mit einer Geste um Ruhe bat. Dieses Mal dauerte es ein wenig länger bis sie ihr gewährt wurde.
„Oreth hat nicht ganz Unrecht“, sagte sie.
„Natürlich stehst du auf seiner Seite“, antwortete Hannah sogleich.
„Ich stimme ihm zu, weil er Recht hat“, sagte Anka. „Wir können nicht einfach in die Dörfer gehen, sie zu Freien erklären und auf das Beste hoffen. Selbst mit den Rekruten sind wir einfach zu wenige Kämpfer. Wenn wir alle zusammen angreifen, dann liefern wir dem Reich die Gelegenheit uns auszulöschen. Und wenn wir alle Dörfer befreien wollen, dann werden sie uns Stück für Stück auseinandernehmen.“
„Wenn wir genügend Dörfer überzeugen, sich zu erheben und ich meinen Vater dazu bringe einige Söldner anzustellen...“ schlug Jerald vor. Sartes bemerkte, dass er den Gedanken nicht zu Ende brachte. Der Sohn des Händlers hatte keine wirkliche Antwort parat.
„Und dann was?“ fragte Anka. „Sind wir ihnen zahlenmäßig gewachsen? Wenn es so einfach wäre, dann hätten wir das Reich schon vor Jahren besiegt.“
„Dank Berin sind unsere Waffen jetzt viel besser“, hob Edrin hervor. „Dank Sartes kennen wir ihre Pläne. Wir haben einen Vorteil! Sag es ihr, Berin. Erzähl ihr von den Klingen, die du angefertigt hast.“
Sartes blickte sich zu seinem Vater um, der mit den Schultern zuckte.
„Es stimmt, ich habe gute Schwerter geschmiedet. Hinzu kommen noch zahlreiche passable Schwerter, die die anderen geschmiedet haben. Es ist wahr, dass einige von euch Rüstung haben werden und nicht einfach niedergemetzelt werden können. Aber ich sage euch eines, ein gutes Schwert alleine genügt nicht. Wichtiger ist die Hand, die es führt. Eine Armee ist wie eine Klinge. Sie kann groß sein, doch ohne im Kern aus gutem Stahl gemacht, wird sie im ersten Moment ihrer Erprobung brechen.“
Vielleicht hätten die anderen besser verstanden, wie ernst es seinem Vater war, wenn sie selbst einmal versucht hätten, ein Schwert zu schmieden. So konnte Sartes sehen, dass seine Worte sie nicht überzeugt hatten.
„Was können wir sonst noch tun?“ fragte Edrin. „Wir dürfen unseren Vorteil nicht einfach verstreichen lassen und uns zurücklehnen und warten. Ich würde vorschlagen, dass wir eine Liste mit allen den Dörfern aufstellen, die wir befreien können. Außer du hast einen besseren Vorschlag, Anka?“
„Ich habe einen“, sagte Sartes.
Seine Stimme war leiser als er gewollt hatte. Er trat mit klopfendem Herzen und noch immer überrascht, dass er es gewagt hatte zu sprechen, nach vorne. Ihm war bewusst, dass er wesentlich jünger war als alle anderen hier. Er hatte seinen Teil zur Schlacht beigetragen, sogar einen Mann getötet, und doch riet ihm noch immer ein Teil seiner Selbst besser zu schweigen.
„Es ist also ausgemacht“, begann Hannah. „Wir – “
„Ich sagte, ich habe eine bessere Idee“, sagte Sartes dieses Mal mit fester Stimme.
Die anderen blickten zu ihm.
„Hört, was mein Sohn zu sagen hat“, sagte sein Vater. „Ihr habt selbst gesagt, dass er dazu beigetragen hat, den Sieg zu erringen. Vielleicht hat er auch dieses Mal die rettende Lösung.“
„Was für eine Idee hast du, Sartes?“ fragte Anka.
Alle Blicke richteten sich auf ihn. Sartes musste sich zwingen, mit fester Stimme zu sprechen. Er stellte sich vor, wie Ceres zu ihnen gesprochen hätte