Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen. Rosette. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rosette
Издательство: Tektime S.r.l.s.
Серия:
Жанр произведения: Современная зарубежная литература
Год издания: 0
isbn: 9788873044147
Скачать книгу
bevor ich vollständig die Kontrolle verlor.

      Er grinste nun von einem Ohr zum anderen, grenzenlos amüsiert. „Die hast du tatsächlich. Ich bin sicher, dass wir gut miteinander auskommen werden. Eine Sekretärin, die nicht träumen kann, genauso wie ihr Chef. Da besteht wohl eine Wahlverwandtschaft zwischen uns, Melisande. Seelenverwandt, in einem gewissen Sinne. Abgesehen davon, dass einer von uns mehr als eine hat, und das schon seit langer Zeit ... .“

      Bevor ich seinen obskuren Worten einen Sinn geben konnte, wurde er wieder ernst, mit gleichgültigem Blick, einem unergründlicher Ausdruck im Gesicht, weit weg und ohne ein Funken Leben.

      „Du musst ein Fax mit den ersten Kapiteln des Buchs an meinen Verleger senden. Weißt du, wie das geht?“

      Ich nickte, und mit einem Stich im Herzen wurde mir klar, dass ich unser verbales Duell jetzt schon vermisste. Ich wünschte, es wäre von unendlicher Dauer. Ich hatte aus diesem Schlagaustausch eine für mich neu entdeckte Energie aus einer Wunderquelle geschöpft, die mich mit einer Vitalität erfüllte, die mich fast bersten ließ.

      Die nächsten zwei Stunden vergingen wie im Flug. Ich verschickte mehrere Faxe, öffnete die Post, schrieb Ablehnungsbriefe für verschiedene Einladungen und räumte seinen Schreibtisch auf. Er, in aller Stille, schrieb am Computer, runzelte die Stirn, die Lippen fest aufeinander gepresst, die weißen eleganten Hände flogen über die Tastatur. So gegen Mittag rief er meine Aufmerksamkeit mit einer Handbewegung auf sich.

      „Du kannst eine Pause machen, Melisande. Vielleicht möchtest du etwas essen, oder einen Spaziergang machen.“

      „Vielen Dank, Sir.“

      „Hast du mit dem Buch begonnen, das ich dir gegeben habe?“ Sein Gesicht war noch weit weg, bewegungslos, aber ein Funken guter Laune blitzte in den schwarzen Augen auf.

      „Sie hatten Recht, Sir. Es ist nicht gerade mein Ding“, gab ich in aller Aufrichtigkeit zu.

      Seine Mundwinkel hoben sich leicht und formten ein schiefes Lächeln, das meinen Schutzpanzer durchdrang. Und ich dachte immer, er wäre härter als Stahl.

      „Ich zweifelte nicht daran. Ich wette, du bist eher ein Romeo-und- Julia-Typ.“ Es lag kein bisschen Ironie in seiner Stimme, er machte nur eine Beobachtung.

      „Nein, Sir.“ Es war die natürlichste Sache für mich, ihm zu widersprechen, als ob wir uns schon ewig kannten, und ich konnte einfach nur ich selbst sein, ohne Ausflüchte oder Masken. „Ich liebe einfach nur Geschichten mit Happy End. Das Leben an sich ist schon bitter genug, um es mit einem Buch noch schlimmer zu machen. Wenn ich schon nicht nachts träumen kann, dann will ich es zumindest am Tag tun. Wenn ich schon nicht im Leben träumen kann, dann will ich es zumindest mit einem Buch tun.“

      Er wägte meine Worte mit Bedacht ab, und nahm sich dafür so lange Zeit, dass ich dachte, er würde mir keine Antwort mehr geben. Als ich im Begriff war mich zu verabschieden, hielt er mich zurück.

      „Hat Mrs. Mc Millian dir die Herkunft des Namens dieses Hauses erklärt?“

      „Sie hat es vielleicht getan“, gab ich mit einem verhaltenen Lächeln zu. „Ich fürchte jedoch, dass ich ihr nur mit halbem Ohr zugehört habe.“

      „Gut gemacht, ich schalte auch immer nach dem zehnten Wort ab“, lobte er mich ganz ohne Ironie. „Ich war noch nie ein gutes Opfer. Ich bin durch und durch Egoist.“

      „Manchmal muss man ein Egoist sein“, sagte ich, ohne nachzudenken. „Oder man wird von den Erwartungen der Anderen zerdrückt werden. Und es endet damit, dass man nicht das eigenen Leben lebt, sondern das, das andere für einen entschieden haben.“

      „Sehr weise, Melisande Bruno. Du hast mit deinen zweiundzwanzig Jahren den Schlüssel zur spirituellen Gelassenheit gefunden. Das schafft nicht jeder.“

      „Gelassenheit?“ wiederholte ich bitter. „Nein, die Weisheit etwas zu verstehen, heißt nicht unbedingt, diese zu akzeptieren. Weisheit kommt aus dem Kopf, das Herz folgt anderen Wegen, unabhängige und gefährliche Wege. Es neigt dazu, fatale Umwege zu machen.“

      Er bewegt sich mit dem Rollstuhl auf meine Seite des Schreibtischs mit einem Blick, der mich durchbohrte. „Und? Was ist? Wollen Sie nun wissen, was es mit dem Namen Midnight Rose auf sich hat, oder nicht?“

      „Mitternachtsrose“, übersetzte ich, während ich mit meiner inneren Aufregung kämpfte, die mir seine Nähe verursachte. Ich vermied schon lange Zeit jede Art von männlicher Gesellschaft, seit meiner ersten und einzigen Verabredung. Dies war so katastrophal verlaufen, dass ich für immer geheilt war.

      „Genau. In dieser Gegend erzählt man sich eine Legende, seit Jahrhunderten, vielleicht auch seit Jahrtausenden, die besagt, dass wenn wir die Blüte einer Rose um Mitternacht erleben, unser größter und geheimster Wunsch wie durch einen Zauber erfüllt wird. Auch wenn es sich um einen dunklen und verfluchten Wunsch handelt.“

      Er ballte die Hände zu Fäusten, fast als ob er mich mit seinem Blick herausforderte.

      „Wenn der Wunsch, den Zweck hat, uns glücklich zu machen, dann ist er nie dunkel und verflucht“, sagte ich leise.

      Er starrte mich aufmerksam an, als ob er seinen Ohren nicht trauen könnte. Ihm entwich ein fast dämonisches Lachen. Ein Schauer lief mir eiskalt über den Rücken.

      „Sehr weise, Melisande Bruno. Das gestehe ich dir zu. Das sind abscheuliche Worte für ein Mädchen, das keiner Fliege etwas zu leid tun würde, ohne eine Träne zu vergießen.“

      „Eine Fliege vielleicht. Bei einer Stechmücke hätte ich keine Skrupel“, gab ich lapidar zu Antwort.

      Erneut wurde er aufmerksam, eine kleine Flamme, die die Kälte seiner dunklen Augen wärmte. „Was habe ich schon alles über Dich erfahren, Miss Bruno. In wenigen Stunden habe ich entdeckt, dass Du die Tochter eines Bergmanns bist, der gerne Debussy hört, dass du nicht im Stande bist zu träumen und Stechmücken hasst. Warum nur, frage ich mich. Was haben dir diese armen Geschöpfe nur angetan?“ Der Spott in seiner Stimme war nicht zu verkennen.

      „Von wegen arme Geschöpfe“, antwortete ich prompt. „Sie sind Parasiten, Blutsauger. Es sind nutzlose Insekten, im Gegensatz zu Bienen und auch nicht so nett wie Fliegen.“

      Er schlug sich auf die Schenkel und lachte. „Nette Fliegen? Du bist schon sehr seltsam, Melisande, und wirklich spaßig.“

      Launischer als jegliches Aprilwetter wechselte seine Laune drastisch. Das Lachen verendete in einem Hustenanfall und er schaute mich erneute durchdringend an. „Stechmücken sind Blutsauger, weil sie keine andere Wahl haben. Es ist ihre einzige Ernährungsquelle, kann man ihnen das etwa verdenken? Sie haben sehr feine Geschmacksnerven im Vergleich zu den vielgerühmten Fliegen, die sich in menschlichen Abfällen suhlen.”

      Ich starrte auf den mit Papier überladenen Schreibtisch, und fühlte mich unter dem Blick seiner kalten Augen unbehaglich.

      „Was würdest du anstelle der Stechmücke machen, Melisande? Würdest du darauf verzichten, dich zu ernähren? Würdest du lieber vor Hunger sterben, um nicht Parasit genannt zu werden?“ Sein Ton war fordernd, so als ob er eine Antwort erwartete.

      Und ich gab nach. „Wahrscheinlich nicht. Aber ich bin mir nicht so ganz sicher. Ich müsste eine Mücke sein, um ganz sicher zu gehen. Ich würde gerne glauben, dass ich eine Alternative finden könnte. Ich vermied es sorgfältig ihn anzusehen.

      „Es gibt nicht immer Alternativen, Melisande“. Einen Augenblick lang zitterte seine Stimme unter dem Gewicht eines Leidens, von dem ich keine Ahnung hatte, mit dem er sich seit fünfzehn langen Jahre jeden Tag abfinden musste. „Wir sehen uns um zwei Uhr, Miss Bruno. Seien sie pünktlich.“

      Als ich mich zu ihm umdrehte, hatte er den Rollstuhl schon gewendet, sein Gesicht hatte er von mir weggedreht.

      Im Bewusstsein einen Fauxpas begangen zu haben, fühlte sich mein Herz an, als ob es von einem Schraubstock zerquetscht würde, aber es gab keine Möglichkeit der Abhilfe.

      Schweigend verließ ich