“Oh mein Gott, Scarlet?” hörte sie eine Stimme.
Als sie ihren Schrank schloss, sah sie, dass Maria dort stand und sie ansah, als wäre sie eine berüchtigte Berühmtheit.
“Du bist sonst nie früher hier! Ich habe Dir gestern eine Million Mal geschrieben! Was ist passiert? Wo warst Du? Bist Du OK?”
Scarlet fühlte sich schuldbewusst, dass sie zu überwältigt gewesen war, auf all ihre Texte zu antworten. Sie bemerkte außerdem ein neues Gefühl der Nervosität in der Nähe von Maria, auf Grund ihrer Gefühle für Sage. Immerhin hatte Maria klargemacht, dass sie total auf Sage stand. Wenn sie herausfand, dass Scarlet sich am Abend zuvor mit ihm unterhalten hatte – besonders direkt vor ihrem Haus – würde Maria ausflippen, befürchtete sie. Maria war so besessen und besitzergreifend, wenn es um Jungs ging. Sie dachte immer, dass sie nur ein Auge auf jemanden zu werfen brauchte, damit er ihr gehörte – ob diese Person von ihrer Existenz wusste oder nicht. Und wenn ihr irgendjemand in den Weg kam, dann war er direkt ihr Feind. Sie konnte sehr boshaft werden – und sie würde es nie vergessen oder vergeben. Sie war so eine Art von Person: entweder Dein bester Freund oder Dein Todfeind.
“Sorry”, antwortete Scarlet. “Ich bin früh eingeschlafen. Mir ging es nicht gut. Und ich konnte mit dieser ganzen Facebook Sache nicht umgehen.”
“OMG, ich hasse sie”, sagte Maria. “Vivian. Was für eine Schlange. Wer denkt sie, wer sie ist? Ich habe auf ihre Pinnwand geschrieben und auf die von ihren Freundinnen. Ich mache sie alle dafür verantwortlich, dass sie Dich mobben.”
Scarlet fühlte sich so dankbar gegenüber Maria—was ihre Schuldgefühle, weil sie mit Sage gesprochen hatte, noch verschlimmerte. Sie wünschte sich, dass sie es ihr einfach erzählen könnte, einfach erklären, was mit Sage gewesen war—aber sie verstand ja nicht mal selbst, was passiert war. Und sie befürchtete, dass, wenn sie es auch nur erwähnte, Maria ausflippen würde.
“Du bist die Beste”, sagte Scarlet und legte vor Dankbarkeit einen Arm um sie.
Die Beiden liefen Seite bei Seite den Flur hinunter, der sich schnell füllte und in dem der Lärm anstieg, als sie sich auf den langen Weg auf die andere Seite der Schule machten, für ihre erste Stunde zusammen.
“Ich mein, was hat sie nur für Nerven”, sagte Maria. “Erst stiehlt sie Dir Deinen Mann. Dann postet sie das auch noch überall. Sie fühlt sich nur bedroht. Und sie ist eifersüchtig. Sie weiß halt, dass Du die Bessere bist.”
Scarlet fühlte sich ein bisschen besser, obwohl sie noch ein bisschen traurig bei dem Gedanken war, Blake zu verlieren. Besonders unter diesen Umständen. Alles was sie wollte war, eine Chance zu erhalten, Blake alles zu erklären, ihm zu sagen, dass, was auch immer unten am Fluss passiert war, nicht sie gewesen war. Aber sie wusste auch nicht wirklich, wie sie es erklären sollte. Was könnte sie zu ihm sagen? Sie glaubte, es so gut es ging in ihrer Nachricht ausgedrückt zu haben. Auf die er nie geantwortet hatte.
“Hey Leute”, ertönte eine Stimme.
Jasmin und Becca liefen neben ihnen her. Scarlet fühlte, dass die Beiden sie ansahen und fühlte sich langsam paranoid auf Grund der Aufmerksamkeit.
“Hey”, sagte Scarlet als sie zusammen weiter den Flur hinab gingen. “Also, möchtest Du uns gerne aufklären?” fragte Jasmin. “Was ist mit Blake passiert?”
Scarlet konnte alle Augen auf sich spüren und wurde nervös. Während sie gingen, fühlte sie die Blicke der anderen Kids. Sie wollte gern glauben, dass sie nur paranoid war – aber sie wusste, das war es nicht. Es gab auf jeden Fall eine Menge Leute, die sie ansahen, ihr verstohlene Blicke zuwarfen, als wenn sie ein Freak wäre. Sie fragte sich erneut, wie viele Schüler wohl online gewesen waren und die Posts gelesen hatten und was sie wohl glaubten. Würde sie bekannt werden, als das Mädchen, das von Blake abgeschossen worden war? Die Blake an Vivian verloren hatte? Bei dem Gedanken daran brannte sie vor Scham und Wut.
“Ist es wahr?” fragte Becca. “Hat er Dich echt abgeschossen?”
“Falls er es getan hat”, sagte Jasmin, “dann sag es uns nur und wir kleistern seine Facebook Seite zu.”
“Danke Leute”, sagte Scarlet. Sie überlegte, wie sie antworten sollte. Sie wusste wirklich nicht, wie sie es erklären sollte.
“Also?” stieß Maria hervor. “Willst Du es uns nicht sagen?”
Scarlet zuckte die Achseln.
“Ich bin mir nicht sicher, was ich sagen soll. Es gibt wirklich nichts zu erzählen. Wir sind runter zum Fluss gegangen und…” Sie machte eine Pause, überlegte, wie sie es ausdrücken sollte. “…Blake hat mich geküsst.”
“Und?” hakte Jasmin nach. “Du bringst uns noch um!”
Scarlet zuckte die Schultern.
“Das war´s. Es ist nicht wirklich was passiert. Ich meine, Ich mag ihn. Ich mag ihn immer noch. Aber… ich bin gegangen. Ich meine, ich habe mich richtig krank gefühlt und musste gehen, ziemlich plötzlich.”
“Was meinst Du mit krank?” fragte Becca.
“Als wenn mein Magen mich umbringen würde”, log sie, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. “Und ich hatte richtig schlimme Kopfschmerzen.” Zumindest war das teilweise wahr, dachte sie. “Ich glaube, ich war noch krank von vorgestern. Also rannte ich weg. Schlechtes Timing, glaube ich.”
“Also hat Blake Dich zurück gebracht? Oder hat er sich wie ein totaler Idiot verhalten?” fragte Jasmin.
Scarlet zuckte die Achseln.
“Es ist nicht seine Schuld. Ich habe ihm gar nicht die Zeit dazu gelassen, glaube ich. Ich bin einfach abgehauen. Ich habe mich schlecht deswegen gefühlt. Ich wollte es ihm erklären. Aber er antwortet nicht auf meine Nachricht.”
“Was für ein Idiot”, sagte Maria.
“Was für ein Verlierer”, fügte Jasmin hinzu. “Ernsthaft. Also Du bist krank geworden – also was, beantwortet er nicht mehr Deine Nachrichten? Was ist sein Problem? Du warst krank. Große Sachen. Ich meine, er hat Dir noch nicht mal die Chance gegeben, es ihm zu erklären?”
“Absolut”, stimmte Maria zu. “Und dann, was, ist er zurück zu Vivian gelaufen und hat Dich durch sie ersetzt? Nur weil Du krank warst? Was ist sein Problem? Er verdient Dich definitiv nicht. Es ist das Beste so.”
Scarlet freute sich wirklich über diese Zustimmung und fühlte sich langsam besser. So hatte sie das noch nicht gesehen. Sie glaubte, ihre eigene, beste Kritikerin zu sein. Je mehr sie darüber nachdachte, kam sie zu dem Entschluss, dass sie auf gewisse Weise Recht hatten. Vielleicht hätte Blake mehr Verständnis haben müssen; vielleicht hätte er ihr folgen sollen, sie fragen, wie sie sich fühlte; vielleicht hätte er nicht so schnell zu Vivian laufen sollen.
Aber hatte er das wirklich? Oder hatte Vivian das alles nur erfunden?
“Danke Leute”, sagte sie. “Ich freue mich wirklich darüber. Aber ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was danach passiert ist. Ich weiß nicht, ob er zurück zu Vivian gegangen ist oder ob sie das alles nur erfunden hat.”
“Also, ich denke, das bedeutet, dass Du nicht mit ihm zum Tanz gehst?” fragte Maria. “Also, mit wem gehst Du dann? Ich meine, oder willst Du nicht hin?” fragte sie, ihre Stimme stieg dabei an, als wäre es das Schlimmste der Welt.
Scarlet zuckte die Achseln. Der dumme Tanz – er könnte zu keiner schlimmeren Zeit kommen. Sie wusste wirklich nicht, was sie sagen sollte.
“Ich bezweifele, dass Blake mich mit hin nimmt”, sagte sie. “Vielleicht gehe ich allein….”
Für einen Moment musste Scarlet an Sage denken. Ihr fiel auf, wie gerne sie eigentlich mit ihm hingehen würde. Sie wusste kaum, warum. Sein Gesicht steckte einfach in ihrem Kopf.
Gleichzeitig dachte sie an Maria, was sie wohl denken würde – und der Gedanke, mit Sage hinzugehen, fühlte sich wie Verrat an. Sie versuchte ihn schnell aus dem Kopf zu bekommen.
“Wenn