Als selbständige Zweige der Grammatikforschung entwickeln sich immer intensiver die stilistische Grammatik, die konfrontierende Grammatik, die typologische Grammatik der germanischen Sprachen.
1.5 Gliederung der Grammatik in der modernen Sprachwissenschaft. Grammatische Formen. Grammatische Mittel
Grundlage für die Gliederung in der Grammatik ist die Gegenüberstellung von Wort und Satz als zwei Grundeinheiten der Sprache und deren Behandlung unter dem Gesichtspunkt von Form, Inhalt und Funktionieren in ihrer Verbindung. Statt „Form“ – „Gestalt“ werden Begriffe „Inhalt“ – „Bedeutung“ oder „Gehalt“ angeboten.
Das Wort bildet Gegenstand der Morphologie und Gegenstand der Syntax bilden Satz und Wortgruppe. In den Bereich der Morphologie gehören:
1) die Lehre von den Wortarten, ihrer Gliederung und ihren grammatischen Eigenschaften;
2) die Paradigmatik der Wortarten (die Lehre vom Formensystem flektierender Wortarten);
3) die Lehre von den grammatischen Kategorien flektierender Wortarten.
Die Syntax umfasst folgende Problemkreise:
1) die Lehre von dem Wesen des Satzes;
2) die Paradigmatik des Satzes, die interne Struktur des Satzes und die Modellierung der Sätze;
3) die Lehre von den grammatischen Kategorien der Satzebene
4) die Wortgruppenlehre.
Grammatische Formen sind äußere Seiten der grammatischen Kategorien. Die Veränderung eines Redeteils, welche mit der Hilfe von verschiedenen grammatischen Kategorien erfolgt, heißt grammatische Form. Diese Veränderung geschieht im Rahmen eines Wortes oder einer Wortform. Man unterscheidet analytische und synthetische grammatische Formen. Synthetische Formen sind einfache Formen, analytische – zusammengesetzte. Synthetische Formen werden mit der Hilfe der Veränderung des lautlichen Bestands des Wortes gebildet (lesen – liest – lest).
Analytische Formen bildet man mit der Hilfe der Funktionswörter. Analytische Formen bestehen aus zwei Komponenten: aus einem Funktionswort und einem Autosemantiker. Die Funktionswörter haben nur grammatische Bedeutung und sie dienen zur Bildung verschiedener grammatischen Kategorien (Artikel und Hilfsverben – Sinnsemantiker).
Eine Zwischenstufe zwischen analytischen und synthetischen grammatischen Formen nimmt der Superlativ ein. Die Form „am + schönsten“ wird beim Superlativ als Ganzes aufgenommen, als keine Verbindung des Artikels mit Präposition.
Suppletive Formen – „sein“, „ich“ (mir, mich) und Komparationsstufen der Adjektive (gut, schlecht).
Grammatische Mittel erscheinen bei der Veränderung des lautlichen Bestandes des Wortes. Mit ihrer Hilfe werden grammatische Formen gebildet. Die synthetischen grammatischen Mittel werden in innere und äußere eingeteilt.
Äußere grammatischen Mittel – Endungen und Suffixe. Innere Flexionen Umlaut, Ablaut, die Brechung, der Konsonantenwechsel (gehen – ging).
Der Umlaut – eine phonetische Erscheinung und mit seiner Hilfe werden gebildet:
1) Plural der Substantive;
2) Steigerungsstufe der Adjektive und Adverbien;
3) die 2. und 3. Person Singular Präsens einiger starken Verben;
4) Präteritum Konjunktiv der starken Verben.
Der Ablaut besteht in der Veränderung des Vokalbestandes des Verbs, kommt nur bei den starken Verben vor (Grundformen).
Die Brechung – die Tonerhöhung -ist den starken Verben mit Stammvokal „e“ eigen. 2. und 3. Person Singular werden gebildet (auch im Imperativ).
Konsonantenwechsel – bei starken und unregelmäßigen Verben (gehen – ging -gegangen). Zu den analytischen grammatischen Mitteln gehören:
1) Hilfsverben „haben“, „sein“, „werden“;
2) Artikel.
Mit Hilfe der Hilfsverben werden gebildet:
1) Perfekt;
2) Plusquamperfekt;
3) Futurum I und Futurum II des Indikativs;
4) die Formen des Passivs;
5) Konditionalis.
Der Artikel dient zum Ausdruck der grammatischen Formen des Substantivs in folgenden grammatischen Kategorien:
1) Kategorie des Geschlechtes;
2) Kategorie der Zahl;
3) Kategorie des Kasus;
4) Kategorie der Bestimmtheit und der Unbestimmtheit.
Teil 2. Morphologie
2.1 Die Wortarten
2.1.1 Begriff und Kriterien der Ausgliederung
Die Kategorie der Wortart ist ein grundlegender Begriff für die gesamte Grammatik. Sie ordnet den Wortschatz in Wortklassen und ermöglicht somit die Beschreibung seines Funktionierens beim Sprechen. Die Zugehörigkeit des Wortes zu einer bestimmten Wortart wird durch den Charakter seines Funktionierens in der Sprache bestimmt. Das Funktionieren des Wortes in der Sprache hängt von folgenden aufeinander abgestimmten Kriterien ab:
1) von der Allgemeinbedeutung des Wortes (oder inhaltliche Prägung, oder Bedeutungsweise);
2) von dem syntaktischen Fügungswert, oder syntaktische Distribution, oder syntaktische Verwendungsmöglichkeit;
3) von der morphologischen Prägung des Wortes – Abwandelbarkeit und Unabwandelbarkeit – Charakter der Abwandlung der Flexibilia (flektiebarer Wörter)
Unter Allgemeinbedeutung der Wörter versteht man „jenen letzten gemeinsamen semantischen, Nenner, auf die sich alle denkbaren Wörter der betreffenden Wortklasse bringen lassen“ (W. Schmidt [48:126]). So ist die Allgemeinbedeutung der Substantive – Dingbedeutung. Unter Ding versteht man dabei alles, was als selbständig existierend, d.h. gegenständig, gedacht werden kann.
Als Allgemeinbedeutung des Verbs gelten die Tätigkeit oder der Zustand einer Person oder Gegenstandes oder allgemeiner ausgedruckt die Prozessualität, der Vorgang.
Das Adjektiv schließt die Bezeichnung von Eigenschaften, Relationen ein, welche nicht als selbständig existierend gedacht werden können.
Die synthetische Distribution der Wörter findet ihren Ausdruck darin, dass für jede Klasse von Wörtern eine bestimmte Summe von Umgebungen in der Wortgruppe oder im Satz charakteristisch ist. Einige Wortarten erscheinen immer in einer synthetischen Stellung: z.B. das finite Verb als Prädikat, die Präposition in Verbindung mit einem Substantiv oder Pronomen in obliquem Kasus (nach Hause), die unterordnen Konjunktion an der Spitze eines Gliedsatzes.
Andere Wortarten erscheinen in mehreren syntaktischen Umgebungen. So kann z.B. ein Substantiv als Subjekt, Objekt, Attribut u s.w. erscheinen Die morphologischen Merkmale des Wortes sind auf Fügungspotenz seiner Umgebung abgestimmt, z.B. das Adjektiv in der Rolle des Attributs kongruiert mit dem Substantiv in Zahl, Kasus und Geschlecht, in einer adjektivischen Wortgruppe dagegen in Verbindung mit einem Adverb weist keine kategorialen Merkmale.
Das Verb (oder beliebiges Wort) wird auf eine besondere Art abgewandelt, die nur dieser Wortart eigen ist und auf seine synthetische Rolle abgestimmt ist.
Die morphologische Prägung des Substantivs liegt vor allem in seinem Kasussystem.
Die oben genannten drei Momente betrachten wir nicht nur als Kriterium der Ausgliederung von Wortarten, sondern auch als eine Gesamtcharakteristik des Wortes, aus der sich sein Funktionieren in der Rede ergibt.
2.1.2 Die Oppositionsverhältnisse im System der Wortarten
Im System der Wortarten besteht eine bestimmte Rangordnung, d.h. gewisse Wortarten werden