Ini: Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Julius von Voss. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius von Voss
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
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Tempel nun geheiligt war.

      Gelino, indem er ihm diese und andere Merkwürdigkeiten zeigte, hub an: Du siehst Athen der Welt in seinen Schönheiten wiedergegeben, doch die Sklavenhorden von Ehedem, das wilde, mit den Archonten kämpfende, den Pnix mit Geschrei und Streit erfüllende Volk der Vorzeit nicht. Diese Erscheinungen dulden unsere besseren Tage nimmer. Wir könnten noch das Odeon besuchen, wo die Meister der Tonkunde wetteifern, die Bühnen, wo man Sophokles, Euripides und Aristophanes Schöpfungen darstellen sieht, doch in diesen Vorwürfen wird Athen anderweitig übertroffen, und die Reise eilt. Wir wollen jetzt nach der Gränzfestung des Staats, lerne dort, wie man mächtig der Feinde Angriffe wehrt. Nicht immer kannst du bei den lieblichen Künsten weilen.

      Diese Gränzfestung war jetzt die Citadelle bei Konstantinopel. Die ehemalige Bevölkerung der Stadt hatte durch den politischen Wechsel um mehr als die Hälfte abgenommen, und die Lage daneben, eignete sich zu ihrer gegenwärtigen Bestimmung. Lange zwar hatte Europa keinen Krieg mit dem Morgenlande geführt, aber die Neu-Perser geboten ungeheurer Macht, und die Vorsicht empfahl, nicht unbereitet zu sein.

      Doch über der Meerenge winkte auch eine Feste von ähnlichem Umfang, und beim Ausbruch eines Krieges ließ sich voraussehen, daß sie einander wechselseitig beschießen würden; denn der Abstand der Citadelle von Konstantinopel bis Neu-Troja, so nannte man jenen Ort, wurde von der nunmehrigen Artillerie bequem abgereicht.

      Schon lange hatte man dem Schießpulver neue Bestandtheile gegeben. Seine Wirkung ging nicht mehr von der Elastizität des sich entbindenden Stickstoff- und Kohlenstoff-sauren Gases allein aus, man mengte dem Salpeter noch Ammoniakgas und Knallsilber bei, deren unzeitigem und zu leichtem Entbinden eine chemische Gegenkraft abhalf. Furchtbar traf dieses Pulvers zerstörende Gewalt.

      Die Metallröhre schossen Kugeln von funfzig bis zu dreihundert Pfunden auf zwei oder drei Meilen, die Mörser warfen noch weiter, und schwerere Lasten. Da aber der Erdkrümmung halber die Fläche kaum eine Meile sichtbar ist, so mußten die Stücke auf hohe Berge geschafft werden, wenn sie in weiter Entfernung ihr bestimmtes Ziel treffen sollten. Ein gutes Sehrohr war dann an den Visirpunkt befestigt, und bei der scharfen Genauigkeit der Drehewerke, womit sich die Richtung vollzog, konnte man das Ziel nur selten verfehlen. Die Bomben, von ungeheurem Umfang, trugen deren andere in sich, die abermal mit kleineren gefüllt waren, welche zuletzt unvertilgbar Feuer in sich trugen. Der Artillerist wußte die Bahn, welche sie zu durchfliegen hatten, dem Raume und der Zeit nach, auf die Sekunde zu berechnen, besonders da auch ein Windmesser ihn von dem Widerstande, mit welchem die Luft ihm entgegen streben würde, vollkommen unterrichtete. Weil daneben, bei Verfertigung des neuen Pulvers, mit einer so großen Gewißheit verfahren wurde, daß ein davon bereiteter Zünder, jedesmal die Explosion in dem Augenblicke vollzog, den der Konstabler wünschte, (eine Fertigkeit, welche man Ehedem nicht errang), so ward, indem man nach einer feindlichen Stadt warf, die Entzündung gemeinhin bewirkt, wenn die Bombe in der Höhe von einigen hundert Schuhen über den Dächern angekommen war. Nun breiteten sich die größeren Granaten der Füllung, deren Explosion nach Maaßgabe der Größe des Orts erfolgte, so aus, daß dieser mit den letzten Kugeln und den Trümmern der schon gesprungenen, überdeckt wurde, wobei das nach allen Richtungen sprühende Feuer die Verwüstung vollendete.

      Der nahe Ruin jeder belagerten Festung war unter diesen Umständen unvermeidlich. Allein die Festungen wurden dermalen auf Höhen angelegt, wo, ohne Wasser zu finden, tief zu graben war. Man wölbte dann hundert Schuh unter der Erde Straßen aus, die durch Zuglöcher von oben Luft empfingen, und beständig durch Laternen erleuchtet wurden. Von diesen waren höhlenartige, doch gut gemauerte und mit Bequemlichkeit versehene, Wohnungen seitwärts eingebrochen, in welchen die Soldaten, und was zu ihnen gehörte, hausen konnten. Da genoß man Sicherheit, mochten oben die Bomben einschlagen. Auch alle Wälle hatte man ausgehöhlt und mit Felsenlagen hinlänglich gedeckt, damit sich die Wachen inwendig aufhalten konnten. Uebrigens traf die Besatzung mit eben so furchtbaren Schlünden auch ihre Widersacher, und so waren die Dinge sich wieder gleich; denn der menschliche Geist entdeckt, wie das Zerstörungsmittel, auch die Gegenwirkung.

      Noch ist hier der schnellen Art zu denken, in der aus einer Festung, oder aus einem Lager, nach dem Hauptquartiere irgend eines fernen Heeres, oder auch nach der Hauptstadt, Briefe geschafft wurden. Luftposten, Telegraphen, akkustische Anstalten, blieben dagegen, entweder an Geschwindigkeit, oder Ausführlichkeit, zurück. In erreichbaren Abständen befanden sich nehmlich auf befestigten Höhen Kanonen, und Zielwände. Nun sandte man eine Kugel ab, an welcher eine Stahlkette und an dieser ein dichtes Kästchen geheftet war, das die Briefe oder andere zu übermachende Gegenstände enthielt. Die Kugel schlug in die Zielwand, das Kästchen blieb zurück, ward von dort wachenden Konstablern sogleich abgelöset, und an eine andere Kugel gefügt, wodurch denn hundert Meilen, in weniger als einer Viertelstunde, erreicht waren.

      Die Citadelle bei Konstantinopel war, als die vorzüglichste im Reiche, auch am sorgsamsten gebaut. Ihre Wälle glichen Gebirgen, die Kellerstadt, mit ihrem unterirrdischen Leben, bot den sehenswürdigsten Anblick dar. Es fehlte nicht an Tempeln, Marktplätzen, Bühnen; die Genüsse hatten auch ihren Sitz in der Tiefe errichtet, und die treffliche Erhellung ließ das Tageslicht nicht vermissen. Um vorbereitet auf den Belagerungsstand zu sein, mußte auch fortwährend im Frieden, die Besatzung hier wohnen, und, indem sie zahlreich und gut belohnt war, hatte das viele Bürger gelockt, sich unten anzusiedeln, und ihr Leben zu gewinnen, indem sie jenen das ihrige bequemer machten. So wuchs die Bevölkerung nach und nach dort ziemlich an.

      Bei der Vervollkommnung des Pulvers hatte man auch den Minenkrieg weiter ausgedehnt. Es war nun nicht allein ausführbar, einen großen Ort auf Einmal in die Luft zu sprengen, sondern man legte auch außerhalb Minen in schiefer Richtung an, warf durch sie Massen von Erde dahin, und bedeckte die Festung in kurzer Zeit mit einem ganzen Berg, wobei die Alterthumskundigen bewogen wurden, an die Fabel der Giganten zu denken, welche einst den Ossa, Pelion und Olimp auf einander thürmten. Allein die Gegenanstalten mangelten auch hier nicht. Der Feind ward nicht dazu gelassen, die Festung unterhöhlen zu können. Weit hinaus vor den Festungswerken liefen Straßen unter der Erde hin, an Größe und Dauer vergleichbar den altrömischen Wasserleitungen. Von ihnen gingen kleinere Gassen aus, welche mit ihren Nebensteigen ein weitläuftiges Gewebe bildeten. Hier zogen die Streifwachen rastlos umher, und erspähten zeitig, was der Gegner unter dem Erdhorizont beabsichtete. Dann drückte man, nach ihm hin, die Erde ein, seine Arbeiter erstickend. Warf der Feind einen Berg auf die Festung, so war diese reichlich genug mit dem Ammoniak- und Knallsilber-Pulver versehn, um sich davon zu befreien, indem sein Schutt wieder auf der Feinde Häupter geschleudert wurde. Diese hatten daher auch auf Laufgräben zu denken, welche in der Tiefe Sicherheit gewährten.

      Guido sah alle diese Anordnungen bewundernd. Sein Gemüth ward entflammt, der Ruhm eine solche Feste einst glorreich zu vertheidigen, oder glorreich einzunehmen, gewann einen hohen Reiz für ihn. Sein mathematischer, erfindungreicher Kopf wußte auch von einer Menge Verbesserungen zu reden, die man am Geschoß, an den Minen und anderen Kriegverrichtungen gültig machen könne. Gelino lobte dies feurige Umfassen eines hohen Gegenstandes, setzte hinzu: ihn könne leicht der Kaiser einst beim Heere beschäftigen, und lobenswerth müsse es dann sein, wenn er sich des hoffenden Vertrauens würdig mache. Bei dem allen sei aber nichts lebhafter zu wünschen, als daß die Völker des gesammten Erdbodens dem Beispiele jener von Europa folgten, und, ein Welttribunal zum Schlichten aller Streitfälle unter Nationen errichtend, die Kriege für ewig aufhöben.

      Dies ist auch einer von Inis Gedanken, versetzte Guido, aber wodurch soll dann die Kraft Ruhm erwerben? Dann ist keine so hohe Gestalt mehr auszubilden, wie jene, die das Gemälde von Wallhalla in Athen zeigt. Nur die Heldenseele prägt die erhabenste männliche Schönheit aus.

      Auch die Seele des Tugendhaften, entgegnete sein Lehrer. Es giebt Feinde genug in der eigenen Brust zu überwinden, der Sieg über sie ist eben so glorreich, ja vielleicht noch mehr.

      Die Reise ging jetzt zu der nördlichen Provinz hin, vor Zeiten das europäische Rußland genannt. Man bediente sich dazu einen von den Frachtwagen, die südliche Erzeugungen dorthin, und nördliche nach den mittäglichen Gegenden brachten.

      Zu dem Ende waren hier, wie meistens im ganzen Staate, herrliche Kunststraßen angelegt. Sie hatten eine Breite von zweihundert Schuhen, und waren in der Tiefe von funfzig Schuhen, mit gestampftem Granit festgerammt. Je mehr