Die Schatzinsel. Роберт Стивенсон. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Роберт Стивенсон
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
Wir werden diesen Koffer aufmachen und sollte es uns das Leben kosten. Und Ihnen, Frau Croßley, wäre ich dankbar, wenn Sie mir diese Tasche da borgen würden, damit ich das Geld, das mir gebührt, hineintun kann.“

      Selbstverständlich war ich bereit mit meiner Mutter zu gehen, und natürlich schrien alle Zeter und Mordio über unsere Waghalsigkeit. Aber selbst jetzt wollte keiner der Männer mit uns kommen. Das einzige was sie für uns taten war, daß sie mir eine geladene Pistole mitgaben für den Fall, daß wir angegriffen werden sollten, und daß sie versprachen gesattelte Pferde bereitzuhalten, um nachzusetzen, wenn wir auf dem Rückweg verfolgt würden. Ein Bursch werde zu Dr. Livesay reiten, um bewaffnete Hilfe zu holen.

      Mein Herz schlug heftig als wir beide uns in der kalten Nacht auf unseren gefährlichen Weg machten. Der Vollmond begann aufzusteigen und beschien rötlich den oberen Rand der Nebelwand und das trieb uns noch mehr zur Eile an, denn es war klar, daß, noch ehe wir zurück sein konnten, die ganze Gegend taghell beleuchtet sein würde und unsere Flucht von jedermann beobachtet werden konnte. Wir schlüpften rasch und geräuschlos die Hecken entlang und sahen und hörten nichts, was unsere Angst hätte vermehren können, bis sich zu unserer großen Erleichterung das Tor des „Admiral Benbow“ hinter uns geschlossen hatte.

      Ich legte sogleich den Riegel vor und wir standen keuchend eine ganze Weile im Finstern allein im Haus mit der Leiche des Kapitäns. Dann holte meine Mutter eine Kerze aus dem Schankzimmer und einander die Hände haltend betraten wir die Gaststube. Er lag dort, wie wir ihn verlassen hatten, mit offenen Augen, den Arm ausgestreckt.

      „Zieh den Vorhang zu, Jim!“ flüsterte meine Mutter, „sie könnten uns von draußen beobachten. Und nun“, sagte sie, als das geschehen war, „müssen wir diesem da den Schlüssel abnehmen. Aber wer soll ihn anrühren, möchte ich wissen!“ Dabei schluchzte sie vor Angst und Grauen.

      Sofort war ich niedergekniet. Auf dem Fußboden neben seiner Hand lag ein kleines, rundes Stück Papier, dessen eine Seite geschwärzt war. Ich konnte nicht zweifeln, daß dies der „schwarze Fleck“ war, und als ich es aufhob, las ich auf der andern Seite, die mit sehr guter, klarer Schrift geschriebene kurze Mitteilung: „Bis heute zehn Uhr Abend hast du Zeit!“

      „Bis zehn Uhr haben sie ihm Zeit gegeben, Mutter“, sagte ich, und gerade in diesem Augenblick begann unsere alte Uhr zu schlagen. Dieses plötzliche Geräusch erschreckte uns furchtbar, doch brachte es gute Botschaft, denn es war erst sechs.

      „Nun, Jim,“ sagte sie, „den Schlüssel!“

      Ich untersuchte seine Taschen, eine nach der anderen. Ein paar kleine Münzen, ein Fingerhut, etwas Zwirn und eine große Nadel, ein Päckchen Tabak, das Taschenmesser mit dem krummen Griff, ein kleiner Kompaß und ein Feuerzeug, das war alles, was zum Vorschein kam, und ich war nahe daran zu verzweifeln.

      „Vielleicht hat er ihn um den Hals“, meinte meine Mutter.

      Ich bezwang meinen starken Widerwillen, riß sein Hemd am Hals auf und richtig hing er da an einem Stück geteerten Bindfadens, den ich rasch durchschnitt. Dieses Gelingen erfüllte uns mit Hoffnung. Ohne Zögern eilten wir hinauf in das kleine Zimmer, wo er so lange gewohnt hatte und wo seit seiner Ankunft der Koffer stand.

      Er sah von außen wie irgendein anderer Matrosenkoffer aus, oben war der Buchstabe „B“ mit einem heißen Eisen eingebrannt, die Ecken waren wie von langer, rücksichtsloser Benützung verbeult und abgebrochen.

      „Gib mir den Schlüssel!“ sagte meine Mutter, und trotzdem das Schloß schwer ging, hatte sie ihn im Augenblick umgedreht und den Deckel geöffnet.

      Ein starker Tabak- und Teergeruch stieg aus dem Innern auf, aber oben war nichts zu sehen als ein sehr sorgfältig gebürsteter und zusammengelegter Anzug, der, wie meine Mutter sagte, nie getragen worden war. Darunter begann das Durcheinander: Ein Quadrant, ein paar Päckchen Tabak, zwei Paar sehr schön gearbeitete Pistolen, ein Stück ungemünztes Silber, eine alte spanische Uhr und noch eine Menge ziemlich wertlosen Krams meist ausländischen Ursprungs, einige Kompasse, die mit Bronze montiert waren und fünf oder sechs merkwürdige westindische Muscheln. Noch später habe ich oft darüber nachgedacht, warum er wohl die Muscheln auf seinem unsteten, verbrecherischen und gejagten Leben mit sich geführt haben mag.

      Inzwischen hatten wir an Wertgegenständen nur das Silber und die Kleinigkeiten gefunden und alles das war nicht unser Fall. Darunter lag ein alter Matrosenmantel, der vom Anreiben an manch einer von Seesalz zerfressenen Hafenbarre gebleicht war. Meine Mutter hob ihn ungeduldig auf und da lagen vor uns die letzten Gegenstände, die der Koffer enthielt: ein Bündel, in Wachstuch eingeschlagen, das anscheinend Papiere enthielt und ein Sack aus Segeltuch, bei dessen Berührung das Klirren von Gold zu hören war.

      „Ich werde diesen Schurken zeigen, daß ich eine ehrliche Frau bin,“ sagte meine Mutter, „ich will das, was er mir schuldig ist, und nicht einen Heller mehr. Halte Frau Croßleys Tasche auf!“ und sie begann den Betrag der Zechschuld des Kapitäns aus dem einen in den anderen Sack hinüberzuzählen.

      Es war ein langes, schwieriges Geschäft, denn die Münzen stammten aus aller Herren Länder und waren vom verschiedensten Wert – Dublonen, Guineen, Louisd’ors und ich weiß nicht was noch alles – willkürlich durcheinandergeworfen. Die Guineen waren fast am seltensten, und nur mit ihnen verstand meine Mutter zu rechnen.

      Als wir etwa zur Hälfte fertig waren, faßte ich sie plötzlich am Arm, denn ich hörte durch die stille, klare Winternacht einen Ton, der mir das Blut in den Adern gerinnen machte – das Tappen des Stockes des blinden Mannes auf der gefrorenen Straße! Es kam näher und näher und wir saßen mit angehaltenem Atem. Dann schlug man stark an das Tor, wir hörten wie die Türklinke niedergedrückt und am Riegel gerüttelt wurde, dann war es lange drinnen und draußen still. Endlich fing das Tappen des Stockes wieder an und erstarb zu unserer unaussprechlichen Erlösung langsam in der Ferne.

      „Mutter,“ sagte ich, „nimm das Ganze und schauen wir, daß wir fortkommen.“ Denn ich war sicher, daß das verriegelte Tor Argwohn erregt haben mußte und uns das ganze Hornissennest auf den Hals jagen würde. Wie froh ich trotzdem war, daß ich zugeriegelt hatte, kann niemand ermessen, der dem furchtbaren blinden Mann nie begegnet ist.

      Aber meine Mutter, trotzdem sie voll Angst war, wollte dennoch keinen Pfennig mehr nehmen, als was ihr gebührte und bestand eigensinnig darauf, daß es auch keinesfalls weniger sein dürfte. Es sei noch lange nicht sieben, sagte sie, sie kenne ihr Recht und wolle es haben. Während sie noch mit mir herumstritt, hörten wir einen dünnen, leisen Pfiff ein gutes Stück entfernt vom Hügel her. Das war genug und mehr als genug für uns beide.

      „Ich nehme, was ich habe“, sagte sie, aufspringend.

      „Und ich nehme das da, um die Rechnung glattzustellen“, sagte ich, und nahm das Wachstuchpaket.

      Im nächsten Augenblick tasteten wir uns beide die Treppe hinunter, da wir die Kerze bei dem leeren Koffer zurückgelassen hatten und eine Minute später waren wir draußen und in vollem Rückzug. Wir waren keinen Moment zu früh aufgebrochen. Der Nebel teilte sich rasch und schon beschien der Mond die Raine an beiden Seiten der Straße, und nur ganz am Grunde des Tales und rund um das Wirtshaus hing noch ein dünner Nebelschleier, der die ersten Schritte unserer Flucht deckte. Lange ehe wir den halben Weg zum Dorfe zurückgelegt hatten, mußten wir hinaus in das helle Mondlicht. Aber nicht genug daran. Der Klang mehrerer Schritte schlug an unser Ohr, und als wir in die Richtung blickten, sahen wir ein hin und her schwankendes Licht näherkommen. Es war klar, daß das nur eine Laterne sein konnte, die einer der Herannahenden trug.

      „Liebling,“ flüsterte meine Mutter plötzlich, „nimm das Geld und lauf, ich kann nicht weiter, ich werde ohnmächtig!“

      Das war unser beider sicheres Ende. Wie ich da die Feigheit der Nachbarn verfluchte, wie ich meiner armen Mutter grollte wegen ihrer Ehrlichkeit und ihrer Habsucht, ihrer früheren Tollkühnheit wegen und ihrer jetzigen Schwäche! Wir waren zum Glück eben zu einer kleinen Brücke gekommen und ich half der Wankenden zum Uferrand hinunter, wo sie mit einem Seufzer ohnmächtig an meine Schulter sank.

      Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm, sie zu tragen und ich fürchte, ich habe es nicht sehr zart gemacht, aber immerhin schleppte ich sie die Böschung hinunter