Schach von Wuthenow. Theodor Fontane. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Theodor Fontane
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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wo?« wiederholte Sander. »Sieh, das Gute liegt so nah,« und wies dabei auf einen Eckladen, über dem in mäßig großen Buchstaben zu lesen stand: Italiener-, Wein- und Delikatessen-Handlung von Sala Tarone. Da schon geschlossen war, klopfte man an die Hausthür, an deren einer Seite sich ein Einschnitt mit einer Klappe befand. Und wirklich, gleich darauf öffnete sich's von innen, ein Kopf erschien am Kuckloch, und als Alvenslebens Uniform über den Charakter der etwas späten Gäste beruhigt hatte, drehte sich innen der Schlüssel im Schloß, und alle drei traten ein. Aber der Luftzug, der ging, löschte den Blaker aus, den der Küfer in Händen hielt, und nur eine ganz im Hintergrunde, dicht über der Hofthür schweelende Laterne, gab gerade noch Licht genug, um das Gefährliche der Passage kenntlich zu machen.

      »Ich bitte Sie, Bülow, was sagen Sie zu diesem Defilé,« brummte Sander, sich immer dünner machend, und wirklich hieß es auf der Hut sein, denn in Front der zu beiden Seiten liegenden Oel- und Weinfässer, standen Zitronen- und Apfelsinenkisten, deren Deckel nach vorn hin aufgeklappt waren. »Achtung,« sagte der Küfer. »Is hier allens voll Pinnen und Nägel. Habe mir gestern erst einen eingetreten.«

      »Also auch spanische Reiter … O, Bülow! In solche Lage bringt einen ein militärischer Verlag.«

      Dieser Sandersche Schmerzensschrei stellte die Heiterkeit wieder her, und unter Tappen und Tasten war man endlich bis in die Nähe der Hofthür gekommen, wo, nach rechts hin, einige der Fässer weniger dicht nebeneinander lagen. Hier zwängte man sich denn auch durch, und gelangte mit Hülfe von vier oder fünf steilen Stufen in eine mäßig große Hinterstube, die gelb gestrichen und halb verblakt und nach Art aller »Frühstücksstuben« um Mitternacht am vollsten war. Ueberall, an niedrigen Panelen hin, standen lange, längst eingesessene Ledersophas, mit kleinen und großen Tischen davor, und nur eine Stelle war da, wo dieses Mobiliar fehlte. Hier stand vielmehr ein mit Kästen und Realen überbautes Pult, vor welchem einer der Repräsentanten der Firma tagaus tagein auf einem Drehschemel ritt, und seine Befehle (gewöhnlich nur ein Wort) in einen unmittelbar neben dem Pult befindlichen Keller hinunterrief, dessen Fallthür immer offen stand.

      Unsere drei Freunde hatten in einer dem Kellerloch schräg gegenüber gelegenen Ecke Platz genommen, und Sander, der grad lange genug Verleger war, um sich auf lukullische Feinheiten zu verstehen, überflog eben die Wein- und Speisekarte. Diese war in russisch Leder gebunden, roch aber nach Hummer. Es schien nicht, daß unser Lukull gefunden hatte, was ihm gefiel; er schob also die Karte wieder fort und sagte: »Das Geringste, was ich von einem solchen hundstäglichen April erwarten kann, sind Maikräuter, Asperula odorata Linnéi. Denn ich hab auch Botanisches verlegt. Von dem Vorhandensein frischer Apfelsinen haben wir uns draußen mit Gefahr unseres Lebens überzeugt, und für den Mosel bürgt uns die Firma.«

      Der Herr am Pult rührte sich nicht, aber man sah deutlich, daß er mit seinem Rücken zustimmte, Bülow und Alvensleben thaten desgleichen, und Sander resolvirte kurz: »Also Maibowle.«

      Das Wort war absichtlich laut und mit der Betonung einer Ordre gesprochen worden, und im selben Augenblicke scholl es auch schon vom Drehstuhl her in das Kellerloch hinunter »Fritz!« Ein zunächst nur mit halber Figur aus der Versenkung auftauchender, dicker und kurzhalsiger Junge, wurde, wie wenn auf eine Feder gedrückt worden wäre, sofort sichtbar, übersprang diensteifrig, indem er die Hand aufsetzte, die letzten zwei, drei Stufen und stand im Nu vor Sander, den er, allem Anscheine nach, am besten kannte.

      »Sagen Sie, Fritz, wie verhält sich die Firma Sala Tarone zur Maibowle?«

      »Gut. Sehr gut.«

      »Aber wir haben erst April, und so sehr ich im allgemeinen der Mann der Surrogate bin, so hass' ich doch eins: die Toncabohne. Die Toncabohne gehört in die Schnupftabacksdose, nicht in die Maibowle. Verstanden?«

      »Zu dienen, Herr Sander.«

      »Gut denn. Also Maikräuter. Und nicht lange ziehen lassen. Waldmeister ist nicht Kamillenthee. Der Mosel, sagen wir ein Zeltlinger oder ein Brauneberger, wird langsam über die Büschel gegossen; das genügt. Apfelsinenschnitten als bloßes Ornament. Eine Scheibe zuviel macht Kopfweh. Und nicht zu süß, und eine Cliquot extra. Extra, sag ich. Besser ist besser.«

      Damit war die Bestellung beendet und ehe zehn Minuten um waren, erschien die Bowle, darauf nicht mehr als drei oder vier Waldmeisterblättchen schwammen, nur gerade genug, den Beweis der Aechtheit zu führen.

      »Sehen Sie, Fritz, das gefällt mir. Auf mancher Maibowle schwimmt es wie Entengrütze. Und das ist schrecklich. Ich denke wir werden Freunde bleiben. Und nun grüne Gläser.«

      Alvensleben lachte. »Grüne?«

      »Ja. Was sich dagegen sagen läßt, lieber Alvensleben, weiß ich und laß es gelten. Es ist in der That eine Frage, die mich seit länger beschäftigt, und die, neben anderen, in die Reihe jener Zwiespalte gehört, die sich, wir mögen es anfangen wie wir wollen, durch unser Leben hinziehen. Die Farbe des Weins geht verloren, aber die Farbe des Frühlings wird gewonnen, und mit ihr das festliche Gesammtkolorit. Und dies erscheint mir als der wichtigere Punkt. Unser Essen und Trinken, so weit es nicht der gemeinen Lebensnothdurft dient, muß mehr und mehr zur symbolischen Handlung werden, und ich begreife Zeiten des späteren Mittelalters, in denen der Tafelaufsatz und die Fruchtschalen mehr bedeuteten, als das Mahl selbst.«

      »Wie gut Ihnen das kleidet, Sander,« lachte Bülow. »Und doch dank ich Gott, Ihre Kapaunenrechnung nicht bezahlen zu müssen.«

      »Die Sie schließlich doch bezahlen.«

      »Ah, das erste Mal, daß ich einen dankbaren Verleger in Ihnen entdecke. Stoßen wir an … Aber alle Welt, da steigt ja der lange Nostitz aus der Versenkung. Sehen Sie, Sander, er nimmt gar kein Ende …«

      Wirklich, es war Nostitz, der, unter Benutzung eines geheimen Eingangs, eben die Kellertreppe hinaufstolperte, Nostitz von den Gensdarmes, der längste Lieutenant der Armee, der, trotzdem er aus dem Sächsischen stammte, seiner sechs Fuß drei Zoll halber so ziemlich ohne Widerrede beim Elite-Regiment Gensdarmes eingestellt und mit einem verbliebenen kleinen Reste von Antagonismus mittlerweile längst fertig geworden war. Ein tollkühner Reiter und ein noch tollkühnerer Kour- und Schuldenmacher, war er seit lang ein Allerbeliebtester im Regiment, so beliebt, daß ihn sich der »Prinz«, der kein anderer war als Prinz Louis, bei Gelegenheit der vorjährigen Mobilisirung, zum Adjutanten erbeten hatte.

      Neugierig, woher er komme, stürmte man mit Fragen auf ihn ein, aber erst als er sich in dem Ledersopha zurecht gerückt hatte, gab er Antwort auf all das, was man ihn fragte. »Woher ich komme? Warum ich bei den Carayons geschwänzt habe? Nun, weil ich in Französisch-Buchholz nachsehen wollte, ob die Störche schon wieder da sind, ob der Kuckuck schon wieder schreit, und ob die Schulmeisterstochter noch so lange flachsblonde Flechten hat, wie voriges Jahr. Ein reizendes Kind. Ich lasse mir immer die Kirche von ihr zeigen, und wir steigen dann in den Thurm hinauf, weil ich eine Passion für alte Glockeninschriften habe. Sie glauben gar nicht, was sich in solchem Thurme Alles entziffern läßt. Ich zähle das zu meinen glücklichsten und lehrreichsten Stunden.«

      »Und eine Blondine, sagten Sie. Dann freilich erklärt sich alles. Denn neben einer Prinzessin Flachshaar kann unser Fräulein Victoire nicht bestehn. Und nicht einmal die schöne Mama, die schön ist, aber doch am Ende brünett. Und blond geht immer vor schwarz.«

      »Ich möchte das nicht geradezu zum Axiom erheben,« fuhr Nostitz fort. »Es hängt doch alles noch von Nebenumständen ab, die hier freilich ebenfalls zu Gunsten meiner Freundin sprechen. Die schöne Mama, wie Sie sie nennen, wird siebenunddreißig, bei welcher Addition ich wahrscheinlich galant genug bin, ihr ihre vier Ehejahre halb statt doppelt zu rechnen. Aber das ist Schachs Sache, der über kurz oder lang in der Lage sein wird, ihren Taufschein um seine Geheimnisse zu befragen.«

      »Wie das?« fragte Bülow.

      »Wie das?« wiederholte Nostitz. »Was doch die Gelehrten, und wenn es gelehrte Militärs wären, für schlechte Beobachter sind. Ist Ihnen denn das Verhältniß zwischen Beiden entgangen? Ein ziemlich vorgeschrittenes, glaub' ich. C'est le premier pas, qui coûte …«

      »Sie drücken sich etwas dunkel aus, Nostitz.«

      »Sonst nicht gerade mein Fehler.«

      »Ich