Die Herrin und ihr Knecht. Georg Engel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Engel
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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ein Täßchen Tee, essen dazu ganz dünne Kaviarschnittchen, und die Gattin von Zivilgouverneur – Frau Bobscheff, serr fromme Dame – wird sein Patronesse von das Ganze. Sie werden sich einlegen Ehre, Rudolf Bark, mit dieser Einladung bei den jungen Fräulein von Maritzken. Und,« setzte der Russe sehr ernst und nachdrücklich hinzu, »es ist gut, wenn beide Völker freundschaftlich verkehren. Ich sage, es ist gut.«

      Noch hatte der Russe nicht völlig seine Erklärungen geschlossen, als die eisenbeschlagene Eichentür sich geräuschlos in ihren Angeln drehte. Vor dem lauten Gespräch hatten die beiden Männer völlig überhört, daß schon zweimal an das harte Holz gepocht wurde. Jetzt stand unter der Wölbung der Tür eine blaue Hausmeistersuniform mit blanken Messingknöpfen, und das kurz geschorene weiße Haupt des berühmten Pawlowitsch neigte sich zu einer demütigen Verbeugung. Beide Arme ließ der Alte dabei weit gestreckt von sich herunterhängen.

      »Herr Konsuhl,« wisperte eine flehentlich-zerknirschte Stimme, »ich störe.«

      »Schon gut, was gibt's?«

      Der Alte wandte sich halb nach draußen und ließ eine zweite Verbeugung nach der Richtung der Diele hin folgen.

      »Das gnädige Fräulein von Maritzken ist soeben angekommen.«

      »Heilige Mutter,« sprudelte der Russe und ließ vor Erstaunen den breiten Mund mit den tadellosen Zähnen offen.

      Aber auch der Konsul schnellte aus seinem Sessel, und es war sehr merkwürdig, wie er sich bemühte, in aller Eile ein Aschenkörnchen von dem Aufschlag seines eleganten braunen Promenadenanzugs fortzustäuben.

      »Ist es das älteste Fräulein?« warf er rasch hin, und eilfertig schritt er in die Ecke, um selbst die elektrische Leitung aufzudrehen, die die Lichter des schweren lombardischen Kronleuchters an der mittelsten der Wölbungen aufstrahlen ließ. »Ist es die Älteste der Damen?«

      Pawlowitsch zwinkerte ein wenig mit den schwarzen Augen. »Fräulein Johanna« meldete er.

      Der Konsul machte ein paar Schritte bis zur Tür.

      »Stehe sofort zu Diensten.« Er sprach so laut, daß man seine Stimme sicherlich draußen auf dem Flur vernehmen mußte. »Lieber Herr Rittmeister –,« fuhr er fort, und ohne daß er noch etwas Weiteres zu äußern brauchte, lag in seiner sprechenden Handbewegung das Bedauern, die Konferenz mit dem Offizier leider schließen zu müssen.

      Inzwischen hatte auch Rittmeister Sassin seinen gebogenen Säbel enger an sich gezogen und ergriff nun die breitrandige blaue Mütze. Er schien vollkommen einzusehen, daß er hier überflüssig würde. Ja, in seinen groben, verschwommenen Zügen arbeitete sogar eine starke innere Verlegenheit. Heilige Mutter, diese stolze königliche Deutsche flößte ihm einen Respekt ein, den er sich nicht zu erklären vermochte. Viele der deutschen Weiber besaßen etwas Ähnliches. Nein, zum Teufel, die andere, die Schwarze mit den roten Lippen und der üppigen Lässigkeit war angenehmer, bequemer. Und in seinem kindlichen Verstand stritten sich Zweifel, ob es wirklich möglich sein würde, die Damen von Maritzken zu dem Besuch in der gemütlichen kleinen ›maison‹ jenseits der Grenze zu veranlassen. »Rudolf Bark gestatten, daß holder Dame die Hand küsse. Und nicht wahr, nicht vergessen an meine Bitte! Überlasse alles Ihnen, bester Freund, alles Ihnen!«

      Da öffnete sich die Tür, die hohe, schlanke Frauengestalt in dem cremefarbenen Bastseidenkostüm ragte unter der Wölbung. Die drei Männer aber verbeugten sich gleichzeitig so tief und ehrfürchtig, daß sie vielleicht gelächelt haben würden, wenn sie ihre gesenkten Häupter selbst hätten beobachten können. Dann reichte der Konsul seinem neuen Gast höflich die Hand, wobei er es jedoch vermied, die schlanken Fingerspitzen an seine Lippen zu führen. Das hatte sich das Landmädchen ein für allemal verbeten. Darauf eine kurze Wendung gegen den russischen Offizier, ein vergebliches Bemühen des Rittmeisters, seine Huldigung auf den weißen Handschuh der Dame zu hauchen und die verabschiedende Beteuerung des Russen, daß sein bester Freund Rudolf Bark holden Dame ein großes Geheimnis mitzuteilen habe. Eine Bitte, ein fußfälliges Flehen, deren Erfüllung armen Leo Konstantinowitsch in einen Taumel des Entzückens versetzen würde.

      »Guten Morgen, Rudolf Bark, alle Nothelfer behüten Sie – Gnädigste, der Himmel nehme Sie in seinen Schutz.«

      Die silbernen Sporen klirrten zusammen, der Säbel rasselte, und die wuchtige Gestalt des Grenzoffiziers schritt tönend über die grünen Marmorstufen.

      Die beiden anderen blieben allein.

      »Liebes Fräulein Johanna, nehmen Sie Platz,« forderte der Konsul auf, indem er sehr diensteifrig einen neuen Ledersessel an den Schreibtisch schob. Und nachdem die Älteste von Maritzken sich wortlos niedergelassen, blieb er geneigt vor ihr stehen, um von neuem zu bitten: »Wollen Sie nicht, lieber Hans, den Schleier ein wenig zurückschlagen? Damit ich erkennen kann, ob Sie etwas Gutes, oder, was ich nicht hoffen will, etwas Schlimmes zu mir führt? Denn leider wird ja der Goldene Becher fast ausschließlich zu geschäftlichen Beratungen aufgesucht, nicht wahr, bester Hans?«

      Wie immer, wenn er mit der Ältesten von Maritzken sprach, klang seine Stimme liebenswürdig und vertrauenerweckend und enthielt nichts von jener flatterhaften Galanterie, die dem Landmädchen, das die harte Notwendigkeit zur Arbeit gezwungen hatte, so verleidet war. Gerade diese offene konventionelle Art hatte dem Geschäftsmann das Vertrauen der Vorsichtigen erworben, obwohl auch zu ihr allerlei abfällige Urteile über ihren Freund gedrungen waren. Aber Johanna Grothe verachtete solche heimlich zugeflüsterten Gerüchte. Ihre unbestechliche Gewissenhaftigkeit verlangte Beweiskräftiges. Und alles, was sie von Rudolf Bark während jener drei Jahre erfahren, seitdem die Mutter dort draußen im Schatten der Kirche von Maritzken ruhte, und auch den Vater eigenes Verschulden oder ein unseliges Schicksal aus den Reihen der tätig Wirkenden entfernt hatten, nein, alles was ihr von dem nüchternen klaren Geschäftsmann in selbstloser Opferwilligkeit während jener schweren Zeit geboten war, es atmete Sicherheit, Ordnung und ein Gefühl für ihr inneres Bedürfnis nach Sauberkeit. Und so hatte sich zwischen ihnen nach einer anfänglichen kühlen Geschäftsverbindung das vertrauliche Verhältnis von Ratgeber und Schützling gebildet.

      Auch heute drängte es die Selbstsichere, ihre Sorgen gewissermaßen durchrechnen zu lassen, denn sie fühlte sich entlastet, sobald ihr eigenes Urteil die Unterstützung des Vielerfahrenen fand. Nicht leicht schien ihr im Augenblick die Einleitung zu fallen, ja, der Konsul merkte, wie das große, kräftige Mädchen – die Heroine, wie er sie manchmal heimlich nannte – ihre Blicke befangen vor den seinigen zu dem braunen Teppich heruntersenkte. Endlich jedoch schlug die Sitzende mit einer raschen Bewegung ihren Schleier in die Höhe, und wieder entzückte den Großkaufmann jene merkwürdige Blässe, die er schon so häufig angestaunt hatte. Ganz eigenartig hoben sich die tiefdunklen blauen Augen von dem matten weißen Grunde ab.

      »Hören Sie, Herr Konsul,« sprach Johanna endlich, indem sie mit aller Kraft die Gedanken auf ihr Ziel zu sammeln versuchte, und dabei schlug sie die dunklen Augen so fest und ehrlich gegen ihn auf, daß der Mann plötzlich ein eigenes Schwanken spürte. Es blieb immer dasselbe. Diese große königliche Erscheinung, die sich über die Schwächen und Wünsche ihres Geschlechtes sicherlich weit erhoben hatte, sie machte es ihm manchmal wirklich nicht leicht, die gleichgültige Ruhe des kühlen Geschäftsfreundes zu wahren. Schweigend lehnte er dicht neben ihr gegen die Platte des Schreibtisches und sah sie aufmerksam an. »Hören Sie, lieber Konsul,« begann Johanna von neuem, »ich muß Sie schon wieder einmal mit einer Angelegenheit behelligen, die mir lebhafte Besorgnis einflößt. Sie wollten es damals nicht glauben, aber ich habe doch recht behalten.«

      »Sie behalten immer recht, lieber Hans,« sagte der Konsul verbindlich.

      »Nein, nein, scherzen Sie nicht. Diesmal wird es wirklich Ernst. Und da ich ja keine Mutter und leider auch im eigentlichen Sinne keinen Vater besitze,« fügte sie mit kurzem Atem an, »so wende ich mich eben an Sie. Ich habe Vertrauen zu Ihnen.«

      Der Konsul wollte etwas erwidern, aber von ihrem merkwürdig dunklen Blick getroffen, brachte er es nur dazu, ihr warm und zustimmend die Hand entgegenzustrecken. Dann forschte er schnell:

      »Also um was handelt es sich, liebster Hans? Spannen Sie mich nicht länger.«

      Merkwürdig, die Älteste von Maritzken schien keineswegs zu spüren, wie die Hand