»Ihr konntet draußen bleiben.«
»Warum?«
»Weil ihr unhöfliche Männer seid und keine Antwort gebt, wenn man fragt. Willst du mir sagen, wer dein Herr ist?«
»Ja.«
»Nun?«
»Er ist, er ist – — mein Herr, aber nicht dein Herr.«
»Schlingel!«
Nach diesem letzten Worte hörte ich, daß mein Halef sich höchst indigniert entfernte. Der andere blieb unter dem Eingange stehen und pfiff; dann begann er leise vor sich hin zu brummen und zu summen; nachher kam eine Pause, und darauf fiel er mit halblauter Stimme in ein Lied.
Ich wäre vor freudiger Ueberraschung beinahe aufgesprungen, denn der Text der beiden Strophen, welche er sang, lautete in dem Arabisch, dessen er sich bediente:
»Fid-dagle ma tera jekun?Chammin hu NabuliunMa balu-hu jedubb hena?Kussu-hu, ja fitjanena!
Gema‘a homr el-elbiseWast el-chala muntasibe.Ma bal hadolik wakifin?
Hallu-na nenzor musri‘ in!«
Und diese arabischen Verse, welche sich sogar ganz prächtig reimten, klingen in unserm guten Deutsch nicht anders als:
»Was kraucht nur dort im Busch herum?Ich glaub‘, es ist Napolium.Was hat er nur zu krauchen dort?Frisch auf, Kam‘raden, jagt ihn fort!
Wer hat nur dort im off‘nen FeldDie roten Hosen hingestellt?Was haben sie zu stehen dort?Frisch auf, Kam‘raden, jagt sie fort!«
Auch die Melodie war ganz und gar dieselbe, Note für Note und Ton für Ton. Ich sprang, als er die zweite Strophe beendet hatte, zur Tür, öffnete dieselbe und sah mir den Menschen an. Er trug weite, blaue Pumphosen, eine eben solche Jacke, Lederstiefeletten und einen Fez auf dem Kopfe, war also eine ganz gewöhnliche Erscheinung.
Als er mich sah, stemmte er die Fäuste in die Hüften, stellte sich, als ob er sich aus mir nicht das mindeste mache, vor mich hin und fragte:
»Gefällt es dir, Effendi?«
»Sehr! Woher hast du das Lied?«
»Selbst gemacht.«
»Sage das einem andern, aber nicht mir! Und die Melodien?«
»Selbst gemacht, erst recht!«
»Lügner!«
»Effendi, ich bin Hamsad al Dscherbaja und lasse mich nicht schimpfen!«
»Du bist Hamsad al Dscherbaja und dennoch ein großer Schlingel! Diese Melodie kenne ich.«
»So hat sie einer gesungen oder gepfiffen, der sie von mir gehört hat.«
»Und von wem hast du sie gehört?«
»Von niemand.«
»Du bist unverbesserlich, wie es scheint. Diese Melodie gehört zu einem deutschen Liede.«
»Oh, Effendi, was weißt du von Deutschland!«
»Das Lied heißt:Was kraucht nur dort im Busch herum?Ich glaub‘, es ist–«
»Hurrjes, wat is mich denn dat!« unterbrach er mich mit jubelndem Tone, da ich diese Worte in deutscher Sprache gesprochen hatte. »Sind Sie man vielleicht een Deutscher?«
»Versteht sich!«
»Wirklich? Ein deutscher Effendi? Woher denn, wenn ich fragen darf, Herr Hekim-Baschi?«
»Aus Sachsen.«
»Een Sachse! Da sollte man doch gleich vor Freede ‚n Ofen einreißen! Und Sie sind man wohl een Türke jeworden?«
»Nein. Sie sind ein Preuße?«
»Dat versteht sich! Een Preuße aus‘n Jüterbog.«
»Wie kommen Sie hierher?«
»Auf der Bahn, per Schiff, per Pferd und Kamel und auch mit die Beene.«
»Was sind Sie ursprünglich?«
»Balbier unjefähr. Es jefiel mir nicht mehr derheeme, und da jing ich in die weite Welt, bald hierhin, bald dorthin, bis endlich hierher.«
»Sie werden mir das alles erzählen müssen. Wem aber dienen Sie jetzt?«
»Es ist een konstantinopolitanischer Kaufmannssohn und heeßt Isla Ben Maflei, hat schauderhaftes Jeld, dat Kerlchen.«
»Was tut er hier?«
»Weeß ich‘s? Er sucht wat.«
»Was denn?«
»Wird wohl vielleicht ‚n Frauenzimmer sein.«
»Ein Frauenzimmer? Das wär‘ doch sonderbar!«
»Wird aber doch wohl zutreffen.«
»Was sollte es für ein Frauenzimmer sein?«
»Ne Montenegrinerin, ‚ne Senitscha oder Senitza, oder wie dat ausjesprochen wird.«
»Wa-a-as? – Senitza heißt sie?«
»Ja.«
»Wissen Sie das gewiß?«
»Versteht sich! Erstens hat er een Bild von ihr; zweetens tut er stets – — halt, er klatscht droben, Herr Effendi; ich muß ‚nauf!«
Ich setzte mich nicht wieder nieder, sondern es trieb mich in dem Zimmer auf und ab. Zwar mußte mir dieser Barbier aus Jüterbog, der sich so poetisch Hamsad al Dscherbaja nannte, höchst interessant sein, noch weit mehr aber war meine Teilnahme für seinen Herrn erwacht, der hier am Nile eine Montenegrinerin suchte, welche den Namen Senitza führte. Unglücklicherweise aber kamen einige Fellahs, welche Kopfschmerz oder Leibweh hatten, und denen meine Zauberkörner helfen sollten. Sie saßen nach orientalischer Sitte eine ganze Stunde bei mir, ehe ich nur erfahren konnte, was ihnen fehlte, und als ich sie abgefertigt hatte, blieben sie am Platze, bis es ihnen selbst beliebte, die Audienz abzubrechen.
So wurde es Abend. Der Kapitän kam und stieg nach oben, ließ aber seinen schlürfenden Schritt nach einer halben Stunde wieder vernehmen und trat bei mir ein. Halef servierte den Tabak und den Kaffee und zog sich dann zurück. Kurze Zeit später hörte ich ihn mit dem Jüterboger Türken zanken.
»Ist dein Leck ausgebessert?« fragte ich Hassan.
»Noch nicht. Ich konnte für heute nur das Loch verstopfen und das Wasser auspumpen. Allah gibt morgen wieder einen Tag.«
»Und wann fährst du ab?«
»Uebermorgen früh.«
»Du würdest mich mitnehmen?«
»Meine Seele würde sich freuen, dich bei mir zu haben.«
»Wenn ich nun noch jemand mitbrächte?«
»Meine Dahabië hat noch viel Platz. Wer ist es?«
»Kein Mann, sondern ein Weib.«
»Ein Weib? Hast du dir eine Sklavin gekauft, Effendi?«
»Nein. Sie ist das Weib eines anderen.«
»Der auch mitfahren wird?«
»Nein.«
»So hast du sie ihm abgekauft?«
»Nein.«
»Er hat sie dir geschenkt?«
»Nein. Ich werde sie ihm nehmen.«
»Allah kerihm, Gott ist gnädig! Du willst sie ihm nehmen, ohne daß er es weiß?«
»Vielleicht.«
»Mann, weißt du, was das ist?«
»Nun?«
»Eine Tschikarma, eine Entführung!«
»Allerdings.«
»Eine Tschikarma, welche mit dem Tode bestraft wird. Ist dein Geist dunkel und deine Seele finster geworden, daß du in das Verderben gehen willst?«
»Nein. Die ganze Angelegenheit