Zwar war die Hitze nicht angenehm, aber die stromaufwärts gehende Bewegung unseres Fahrzeuges brachte uns mit einem kühlenden Luftzuge in Berührung.
Es ging eine Strecke weit an Durrha-, Tabak-, Sesam— und Sennespflanzungen vorüber, aus deren Hintergrunde schlanke Palmen emporragten; dann folgten unbebaute Flächen, über welche sich ein niederes Gestrüpp von Mimosen und Sykomoren hinstreckte; endlich kam nacktes, jeder Vegetation bares Gestein, und mitten aus den wohl bereits vor Jahrtausenden herumgestreuten Felsblöcken erhob sich die quadratische Mauer, durch welche wir uns den Eingang suchen mußten.
Als wir anlangten, bemerkte ich, daß ein schmaler Kanal aus dem Flusse unter der Mauer fortführte, jedenfalls um die Bewohner mit dem nötigen Wasser zu versehen, ohne daß dieselben sich aus ihrer Wohnung zu bemühen brauchten. Unser Führer schritt uns voran, führte uns um zwei Ecken zu der dem Wasser abgekehrten Seite und gab an dem dort befindlichen Tore ein Zeichen, auf welches uns bald geöffnet wurde.
Das Gesicht eines Schwarzen grinste uns entgegen, doch beachteten wir seine tief bis zur Erde herabgehende Reverenz gar nicht und schritten vorwärts, an ihm vorüber. Architektonische Schönheit durfte ich bei einem orientalischen Prachtgebäude nicht erwarten, und so fühlte ich mich auch nicht überrascht von der kahlen, nackten, fensterlosen Front, welche das Haus mir zukehrte. Aber das Klima das Landes hatte denn doch einen etwas zu zerstörenden Einfluß auf das alte Gemäuer ausgeübt, als daß ich es zur Wohnung eines zarten, kranken Weibes hätte empfehlen mögen.
Früher hatten Zierpflanzen den schmalen Raum zwischen der Mauer und dem Gebäude geschmückt und den Bewohnerinnen eine angenehme Erholung geboten; jetzt waren sie längst verwelkt und verdorrt. Wohin das Auge nur blickte, fand es nichts als starre kahle Oede, und nur Scharen von Schwalben, welche in den zahlreichen Rissen und Sprüngen des betreffenden Gebäudes nisteten, brachten einigermaßen Leben und Bewegung in die traurige tote Szene.
Der voranschreitende Bote führte uns durch einen dunkeln, niedrigen Torgang in einen kleinen Hof, dessen Mitte ein Bassin einnahm. Also bis hierher führte der Kanal, welchen ich vorhin bemerkt hatte, und der Erbauer des einsamen Hauses war klugerweise vor allen Dingen darauf bedacht gewesen, sich und die Seinigen reichlich mit dem zu versorgen, was in dem heißen Klima jener Länderstriche das Notwendigste und Unentbehrlichste ist. Zugleich bemerkte ich nun auch, daß der ganze Bau darauf gerichtet war, die jährlich wiederkehrenden Ueberschwemmungen des Nils schadlos aushalten zu können.
In diesen Hof hinab gingen mehrere hölzerne Gitterwerke, hinter denen jedenfalls die zum Aufenthalt dienenden Räume lagen. Ich konnte ihnen jetzt keine große, zeitraubende Betrachtung schenken, sondern gab meinem Diener einen Wink, mit der Apotheke, welche er umhängen hatte, hier des weiteren zu harren, und folgte dem Wegweiser in das Selamlück des Hauses.
Es war ein geräumiges, halbdunkles und hohes Zimmer, durch dessen vergitterte Fensteröffnungen ein wohltuendes gedämpftes Licht fiel. Durch die aufgeklebten Tapeten und Arabesken und Ornamente hatte es einen wohnlichen Anstrich erhalten, und die in einer Nische stehenden Wasserkühlgefäße erzeugten eine recht angenehme Temperatur. Ein Geländer trennte den Raum in zwei Hälften, deren vordere für die Dienerschaft, die hintere aber für den Herrn und die besuchenden Gäste bestimmt war. Den erhöhten Hintergrund zierte ein breiter Diwan, welcher von einer Ecke in die andere reichte, und auf dem Abrahim-Mamur, der »Besitzer von vielen Beuteln«, saß.
Er erhob sich beim Eintritte, blieb aber der Sitte gemäß vor seinem Sitze stehen. Da ich nicht die dort gewöhnliche Fußbekleidung trug, so konnte ich mich ihrer auch nicht entledigen, sondern schritt, unbekümmert um meine Lederstiefel, über die kostbaren Teppiche und ließ mich an seiner Seite nieder. Die Diener brachten den unvermeidlichen Kaffee und die noch notwendigeren Pfeifen, und nun konnte das weitere folgen.
Mein erster Blick war natürlich nach seiner Pfeife gerichtet gewesen, denn jeder Mensch des Orients weiß, daß man an derselben sehr genau die Verhältnisse ihres Besitzers zu erkennen vermag. Das lange, wohlriechende und mit stark vergoldetem Silberdraht umsponnene Rohr hatte gewiß seine tausend Piaster gekostet. Teurer aber war das Bernsteinmundstück, welches aus zwei Teilen bestand, zwischen denen ein mit Edelsteinen besetzter Ring hervorschimmerte. Der Mann schien wirklich »viele Beutel« zu besitzen, nur war dies kein Grund, mich befangen zu machen, da mancher Inhaber einer Pfeife im Werte von zehntausend Piastern seinen Reichtum doch nur den geknechteten Untertanen entwendet oder geraubt hat. Lieber also einen prüfenden Blick in das Gesicht!
Wo hatte ich diese Züge doch nur bereits einmal gesehen, diese schönen, feinen und in ihrer Mißharmonie doch so diabolischen Züge? Forschend, scharf, stechend, nein, förmlich durchbohrend senkt sich der Blick des kleinen, unbewimperten Auges in den meinen und kehrt dann kalt und wie beruhigt wieder zurück. Glühende und entnervende Leidenschaften haben diesem Gesichte immer tiefere Spuren eingegraben; die Liebe, der Haß, die Rache, der Ehrgeiz sind einander behilflich gewesen, eine großartig angelegte Natur in den Schmutz des Lasters herniederzureißen und dem Aeußeren des Mannes jenes unbeschreibliche Etwas zu verleihen, welches dem Guten und Reinen ein sicheres Warnungszeichen ist.
Wo bin ich diesem Manne begegnet? Gesehen habe ich ihn; ich muß mich nur besinnen; aber das fühle ich, unter freundlichen Umständen ist es nicht gewesen.
»Salam aaleïkum!« ertönte es langsam zwischen dem vollen, prächtigen, aber schwarzgefärbten Barte hervor.
Diese Stimme war kalt, klanglos, ohne Leben und Gemüt; es konnte einem dabei ein Schauer ankommen.
»Aaleïkum!« antwortete ich.
»Möge Allah Balsam wachsen lassen auf den Spuren deiner Füße und Honig träufeln von den Spitzen deiner Finger, damit mein Herz nicht mehr höre die Stimme seines Kummers!«
»Gott gebe dir Frieden und lasse mich finden das Gift, welches an dem Leben deines Glückes nagt,« erwiderte ich seinen Gruß, da nicht einmal der Arzt nach dem Weibe des Muselmannes fragen darf, ohne den größten Verstoß gegen die Höflichkeit und Sitte zu begehen.
»Ich habe gehört, daß du ein weiser Hekim seiest. Welche Medresse[21] hast du besucht?«
»Keine.«
»Keine?«
»Ich bin kein Moslem.«
»Nicht? Was sonst?«
»Ein Nemsi!«
»Ein Nemsi! O, ich weiß, die Nemsi sind kluge Leute; sie kennen den Stein der Weisen und das Abracadabra, welches den Tod vertreibt.«
»Es gibt weder einen Stein der Weisen noch ein Abracadabra.«
Er blickte mir kalt in die Augen.
»Vor mir brauchst du dich nicht zu verbergen. Ich weiß, daß die Zauberer von ihrer Kunst nicht sprechen dürfen, und will sie dir auch gar nicht entlocken, nur helfen sollst du mir. Wodurch vertreibst du die Krankheit eines Menschen, durch Worte oder durch einen Talisman?«
»Weder durch Worte noch durch einen Talisman, sondern durch die Medizin.«
»Du sollst dich nicht vor mir verstecken. Ich glaube an dich, denn trotzdem du kein Moslem bist, ist doch deine Hand mit Erfolg begabt, als hätte sie der Prophet gesegnet. Du wirst die Krankheit finden und besiegen.«
»Der Herr ist allmächtig; er kann retten und verderben, und nur ihm allein gebührt die Ehre. Doch wenn ich helfen soll, so sprich!«
Diese direkte Aufforderung, ein wenn auch noch so unbedeutendes Geheimnis seines Haushaltes preiszugeben, schien ihn unangenehm zu berühren, trotzdem er darauf vorbereitet sein mußte; doch versuchte er sofort, die Schwäche zu verbergen, und befolgte meine Aufforderung:
»Du bist aus dem Lande der Ungläubigen, wo es keine Schande ist, von der zu reden, welche die Tochter einer Mutter ist?«
Ich fühlte mich innerlich amüsiert von der Art und Weise, mit welcher er es zu umgehen suchte, von »seinem Weibe« zu sprechen, doch blieb ich ernst und antwortete ziemlich kalt:
»Du willst,