Diese Frage war nicht so außerordentlich, als es einem Deutschen scheinen möchte. Da drüben in jenen Ländern spielt das Schicksal sonderbar mit dem Menschen.
»Arzt nicht, aber – Chirurg«, antwortete der Mann zögernd.
Er wollte das Wort Bader denn doch lieber nicht gebrauchen.
»Chirurg? Das ist ja, was ich nötig habe. Wer ist es?« – »Mein Kamerad, der vorhin mit bei Euch war.« – »Der den Vaquero hielt?« – »Ja.« – »Versteht er sich auf Rippenbrüche?« – »Oh, ausgezeichnet. Er hat schon als Lehrling Rippenbrüche geheilt.« – »So holt ihn herauf.«
Der Mann ging und brachte in kurzer Zeit seinen Kameraden herbei, der mit selbstbewußter Miene in das Zimmer trat.
Josefa hatte Mühe, sich auf dem Stuhl zu halten.
»Ihr seid Chirurg?« fragte sie ihn. – »Nein«, antwortete er. – »Dummkopf«, raunte ihm der andere zu. – »Was denn?« fragte sie. »Der da sagte, daß Ihr Chirurg wäret.« – »Chirurg nicht, sondern Bader bin ich, Señorita.« – »Bader? Das ist ja ein sehr großer Unterschied, denke ich.«
Der gute Mann sah ein, daß er einen Fehler gemacht hatte, und antwortete:
»Jawohl, Señorita. Nämlich die Chirurgen heilen die Bein- und Leistenbrüche, die Bader aber heilen die Rippen- und Wasserbrüche.«
Er glaubte, damit seinen Fehler wieder gutgemacht zu haben. Josefa litt zu große Schmerzen, als daß sie über diesen Unsinn nachgedacht hätte.
»Also Ihr versteht, mit Rippenbrüchen umzugehen? Ihr könnt sie einrichten, verbinden und kurieren?« – »Das meine ich.« – »So untersucht mich einmal genau.« – »Legt Euch in die Hängematte.« – »Schafft mich hin.«
Die beiden Männer griffen zu und legten Josefa in die Matte. Da sie nach Art des Landes nur leicht gekleidet war, so konnte die Untersuchung ohne große Schwierigkeiten vorgenommen werden. Sie biß die Zähne zusammen, mußte aber doch einige Male einen Schmerzensschrei ausstoßen.
Endlich war der Mann fertig. Er verstand von dem Bau und den Krankheiten des menschlichen Körpers nicht mehr, als jeder andere Abenteurer, dennoch aber gab er sich den Anschein eines Mannes der Wissenschaft.
»Nun, wie steht es denn?« – »Schlimm, sehr schlimm«, antwortet er. – »Wirklich?« fragte sie voller Angst – »Ja, es steht so schlimm, daß es Euer Tod sein würde, wenn Ihr Euch an einen Pfuscher wendetet. Davon rate ich Euch ab.« – »Nun, was seid Ihr denn da? Ein Pfuscher?« – »Pfui Teufel«, antwortete er stolz. – »Also ein erfahrener Bader?« – »Ja. Fragt nur den da, der weiß es. Der hat Kuren von mir gesehen, Kuren, daß sich einem die Haare sträuben würden.« – »Vor Angst und Schreck?« – »Unsinn! Vor Erstaunen und Bewunderung.« – »Nun also, wie steht es mit mir?« – »Das muß ich Euch erklären. Habt Ihr die Rippen studiert, Señorita?« – »Nein.« – »So muß ich Euch sagen, daß es dreierlei Rippen gibt; solche, die zusammenstoßen, das sind die verheirateten Rippen, solche, die nicht zusammenstoßen, das sind die unverheirateten Rippen, und solche, die nur zuweilen zusammenstoßen, das sind die Konkubinatsrippen. Eine jede Frau hat sechs verheiratete, fünf unverheiratete und vier Konkubinatsrippen auf jeder Seite, macht also zusammen dreißig Rippen vorn und dreißig Rippen hinten. Der Mann hat einige Konkubinatsrippen mehr und eine verheiratete weniger.« – »Wozu das alles?« – »Um Euren Zustand zu begreifen. Der Fußtritt hat eine sehr große Verwüstung bei Euch angerichtet Es sind nicht nur neun Rippen gebrochen, nämlich auf der linken Seite, sondern die gebrochenen und ungebrochenen sind vollständig untereinander geraten – verheiratete, unverheiratete und Konkubinatsrippen. Alles befindet sich bunt durcheinander. Darum stehen Sie so große Schmerzen aus. Das alles auseinanderzubringen, ist wahrhaftig nicht jedermanns Sache.« – »Werdet Ihr es fertigbringen?« – »Das versteht sich«, antwortete er, sich in die Brust werfend. – »Wie lange wird es dauern?« – »Vier bis fünf Stunden.«
Josefa wurde leichenblaß.
»Fünf Stunden«, hauchte sie, »das ist ja unerhört.« – »Unerhört? Bei neun Rippen? Wo denkt Ihr hin. Ich habe in Durango zugesehen, wie ein Kolleg nur drei gebrochene Rippen einrichtete, was bei ihm elf volle Stunden dauerte, und als die Patientin gesund war, stellte es sich heraus, daß er zwei von diesen Rippen so dumm eingerichtet hatte, daß sie zwei Fuß lang hinten zum Rücken hinausstanden.« – Aber die Schmerzen«, sagte sie bang. – »Pah, das tut nicht sehr weh, das ist ungefähr so, als wenn Euch ein ziemlich großer Floh sticht. Und tut es einmal weher, so ist es am besten, man beißt die Zähne zusammen und fällt in eine Ohnmacht. Werdet Ihr das können?« – »Ich denke.« – »Nun, so kann es wohl losgehen?« – »Halt. Zuvor eine Frage. Darf ich dann gleich schreiben?« – »Wo denkt Ihr hin. Es würden Euch ja alle neun zum Rücken hinausfahren, wie der Frau in Durango. Ihr müßt im Bett liegenbleiben.« – »Gut, so werde ich vorher schreiben.« – »Ist das so notwendig?« – »Ja.« – »Aber Ihr werdet dabei große Schmerzen ausstehen.« – »Das muß ich ertragen.« – »Ganz, wie Ihr wollt. Ich muß Euch aber sagen, daß ich mit diesen neun Rippen nicht allein fertig werden kann.« – »So braucht Dir also Hilfe?« fragte sie erschrocken. – »Ja.« – Aber woher diese nehmen?« – »Ist schon gefunden. Hier mein Kamerad.« – »Ist er denn auch Chirurg oder Bader?« – »Nein, das ist gar nicht notwendig. Ich brauche nur einen Mann, der aufpaßt, daß die verheirateten, unverheirateten und Konkubinatsrippen nicht wieder zusammenfahren, wenn ich sie auseinandergelesen habe. Er muß sie festhalten, bis ich eine nach der anderen eingerichtet habe.« – »Nun gut, er mag Euch helfen. Ich werde Euch rufen lassen, wenn ich Euch brauche. Schickt mir die Magd und noch eine zweite dazu.«
Die beiden Männer gingen. Unten sagte der Bader zum anderen:
»Habe ich das nicht gut gemacht?« – »Famos! Sind wirklich neun entzwei?« – »Unsinn; es sind nur sechs. Drei habe ich dazugelogen, um ein besseres Trinkgeld zu erhalten. Verstehst du mich?« – »Sehr gut. Du bist ein Schlaukopf. Aber war das mit den dreierlei Rippen auch wirklich wahr?« – »Hm, darüber bin ich noch selbst im Zweifel. Ich glaube, das hat mir einmal ein Spaßvogel aufgebunden, und nun habe ich es auch glücklich wieder abgeladen.« – »Und sie hat es geglaubt?« – »Ah, Weiber glauben alles, wenn sie ein paar Rippen gebrochen haben, sonst aber glauben sie verdammt wenig, das kann ich dir sagen.« – »Hm, das ist meine Erfahrung auch. Aber ich will nach den Mägden sehen, damit sie nicht so lange zu warten braucht.«
Eine Viertelstunde später saß Josefa, von Kissen unterstützt und von den zwei Mägden gehalten, vor dem Tisch und schrieb. Es ging nur langsam, und es war viel, was sie schrieb. Endlich war sie fertig und schickte die Mädchen fort, zugleich ließ sie einen der Unteranführer rufen und fragte ihn:
»Hat Euch mein Vater seine Route mitgeteilt?« – »Ja, im geheimen, Señorita«, antwortete er. – »Ihr würdet ihn also treffen, wenn ich Euch ihm nachschickte?« – »Sicher.« – »Wann?« – »Er reitet schnell. Vier Tage würde ich brauchen.« – »Wenn Ihr ihn von jetzt an in vier Tagen erreicht und ihm diesen Brief übergebt, erhaltet Ihr dreihundert Duros ausgezahlt. Wollt Ihr diese Botschaft übernehmen?« – »Ja«, antwortete der Mann, indem sein Gesicht strahlte. – »Aber mein Vater braucht noch mehr Leute. Könnten wir fünfzig Mann entbehren?« – »Ja, ganz gut.« – »So nehmt fünfzig wohlbewaffnete Männer mit. Ihr werdet später erfahren, weshalb. Nur so viel kann ich Euch sagen, daß es einen Zug gilt, der Euch Auszeichnung und gute Beute bringen wird. Diesen Brief aber gebt ja in keine anderen Hände, als in die meines Vaters.«
Der Brief lautete wie folgt:
»Lieber Vater!
Ich habe kurz nach deinem Wegritt höchst Wichtiges erfahren. Ein alter Vaquero, derjenige, den Arbellez nach Fort Guadeloupe geschickt hatte, kam zurück, wurde festgehalten und von mir verhört. Es gelang mir, ihm folgendes zu entlocken:
Henrico Landola hat ein falsches Spiel mit uns getrieben. Keiner unserer Feinde ist tot sie leben alle noch. Sie wurden auf einer wüsten Insel ausgesetzt von der sie