»Sen güzel tscha ilahessi bunum hejranli tschaghlaganün – und du bist die schöne Nymphe dieses entzückenden Wasserfalles!« antwortete ich höflich, indem ich auch ihr eine respektvolle Verneigung machte.
Da klappte sie einige Male die untere Kinnlade gegen die obere, nickte ihrem Gemahl zu, erhob mahnend die rechte Hand, stieß ihm den Zeigefinger gegen die Stirn und sagte:
»Bak, ad komar beni güzel – schau, er nennt mich schön! Dati tschok daha eji katschan seninki – sein Geschmack ist viel besser als der deinige.«
Und sich im huldvollsten Tone an mich wendend, fuhr sie fort, ihrer Stimme einen möglichst lieblichen Klang erteilend:
»Dein Mund weiß angenehm zu sprechen, und dein Auge erkennt die Vorzüge deiner Mitmenschen. Das konnte ich freilich von dir erwarten.«
»Wie? Kennst du mich?«
»Sehr gut. Du hast mit Nohuda, meiner Busenfreundin, und mit Nebatja, die uns Pflanzen bringt, unten am Gesundheitsbrunnen gesprochen, und sie haben uns von dir erzählt. Sodann haben wir dich beim Bascha gesehen. Die Welt ist deines Lobes voll, und mein Herz duftet dir seine Lobgesänge entgegen. Wir weinen bittere Tränen, daß dich die Krankheit zu uns führt. Aber wir haben alle iki bin bir iladschlar[1] studiert und werden dich von deinem Leiden erlösen. Es ist noch kein Mensch von uns gegangen, ohne Hilfe und Rettung zu finden. Darum darfst du dich mir getrost anvertrauen.«
Das klang ja sehr verheißungsvoll. Sie sah ganz so aus, als ob sie diese zehntausend und eine Arznei nicht nur studiert, sondern auch hinuntergeschluckt habe und jetzt noch an der Wirkung derselben laboriere. Diesen beiden Leuten hätte ich mich im Krankheitsfall anvertrauen mögen! Darum sagte ich:
»Verzeihe, o Günesch esch schifa[2], daß ich dich nicht bemühe. Ich bin selbst ein Hekim Baschi, ein Oberarzt meines Landes, und ich kenne meinen Körper. Er bedarf ganz anderer Mittel als der Leib eines hiesigen Menschen. Ich bin nur gekommen, um mir die Mittel zu holen, deren ich zur Heilung bedarf.«
»Jazyk, adschynadschak – das ist schade, jammerschade!« rief sie aus. »Wir hätten den Riß deines Magens untersucht und genau gemessen. Wir besitzen ein Midemelhemi[3], welches wir dir auf die Ecke eines Turbantuches gestrichen hätten. Hättest du es aufgelegt, so wäre das Loch in wenigen Stunden zugeheilt.«
»Vielleicht ist euer Pflaster grad auch das meinige, denn dieses wirkt ganz ebenso rasch. Doch erlaube, daß ich es mir selbst bereite.«
»Dein Wille ist auch der unserige. Komm also herein in die Kammer der Wundersalben und suche dir das aus, was dein Herz begehrt.«
Sie öffnete eine Seitentür und trat vor mir ein. Ich folgte ihr, und hinter mir stelzte auch der glückliche Besitzer dieser Apotheke und dieser »Nymphe des Wasserfalles« herein.
Was ich sah, erfüllte mich mit jener eigenartigen Seelenstimmung, welche man vulgär mit dem Wort »gruseln« zu bezeichnen pflegt.
Ich befand mich in einem Raum, welcher sich wohl eher zu einem Gänsestall als zu einer Apotheke geeignet hätte. Ich stieß mit dem Kopf oben an. Der Fußboden war die liebe Mutter Erde, und die Wände bestanden aus Bretterschwarten, von denen die Rinde nicht abgelöst worden war. An Nägeln hingen ganze Reihen kleiner Leinwandsäckchen, eines neben dem andern. Vom Mittelpunkt der Decke baumelte eine Schnur herab, an welcher eine riesige Klistierspritze angebunden war. Auf einem Brett lagen mehrere wunderlich gestaltete Scheren, alte Schröpfköpfe, Barbierbecken und Zahnzangen mit zolldicken Backen. Auf dem Boden stand allerlei ganzes und zerbrochenes Geschirr, und rundum herrschte ein Geruch, der geradezu unbeschreiblich zu nennen war.
»So!« sagte sie. »Das ist unsere Patientenküche. Jetzt sage uns, aus welchen Mitteln du deine Magensalbe zusammensetzest.«
Der Apotheker drängte sich vor mich hin und sah mir mit höchster Spannung in das Gesicht. Er freute sich sichtlich darauf, mir mein Rezept abzulauschen.
»Habt ihr Sadar in einem dieser Säckchen?« fragte ich.
»Sadar ist da,« antwortete die Holde, sich gegen die Wand richtend.
»Sadar?« bemerkte ihr Mann. »Ilm Lotos komar – die Wissenschaft nennt es Lotos.«
Dieser wirkliche Doktor und Hekim wollte mir zeigen, daß er den lateinischen Namen der Pflanze inne habe. Da derselbe aber leider veraltet war, entgegnete ich:
»Tanam ilm celtis australis komar – die wirkliche Wissenschaft nennt es Celtis australis.«
Er tat den Mund sehr weit auf, sah mich erstaunt an und fragte:
»Gibt es denn zwei verschiedene Wissenschaften?«
»O, mehr als hundert.«
»Allah! Ich kenne nur diese eine. Wie viel willst du von dem Sadar, Herr?«
»Eine große Handvoll.«
»Schön! Ich werde es dir in eine Düte tun. Herr! was willst du noch?«
Unten auf dem Fußboden lag ein Papier. Ich hätte fünfhundert Piaster gewettet, daß dasselbe von der Straße aufgelesen worden war. Sie hob es auf, drehte es zusammen, fuhr mit der Zunge über die Kante, damit es kleben sollte, und tat mir eine Handvoll der Celtis australis hinein. Da ich das Mittel äußerlich anwenden wollte, so erhob ich keinen Einspruch gegen dieses familiäre Gebaren der Apothekerin
»Hast du Alkali?« fragte ich.
Sie blickte mich verwundert an, obgleich das Wort ein bekanntes arabisches war. Er aber zog den Mund zu einem sehr selbstbewußten Lächeln in die Breite und erkundigte sich:
»Von welchem willst du?«
»Das ist mir gleich.«
»Herr, ich habe erfahren, daß deine Heimat im Westen liegt. Ich besitze ein sehr gutes Alkali von dort her, und wenn du es willst, kannst du es haben.«
»Wie nennst du es?«
»Schawell suju.«
»Zeige es mir!«
Er brachte wirklich, wie ich vermutete, ein Fläschchen zum Vorschein, auf welchem zu lesen war: »Eau de Javelle, fabrique de Charles Gautier, Paris.«
»Wie kommst du zu diesem Alkali?« fragte ich ihn.
»Ich kaufte mehrere Fläschchen von einem Kommis voyageur, welcher bei mir war. Er kam aus der Hauptstadt von Fransa, die Praga heißt.«
»Du irrst. Prag ist die Hauptstadt von Böhmen, während die Hauptstadt von Fransa Paris heißt.«
»Effendi, das weißt du alles?«
Da fiel seine Gemahlin schnell ein:
»Sus – schweige! Das habe ich längst gewußt. Du bist ein Dummkopf, aber kein Arzt und Apotheker! Herr, was willst du noch?«
»Hast du Quecksilber?«
»Ja. Wir brauchen es zum Füllen des Barometers und Thermometers, die wir verfertigen.«
»Wie? Ihr macht sie selbst?«
»Ja. Traust du es uns nicht zu?«
»O, sehr gern! Wer so viele Arzneien studiert hat, der kann alles!«
»Nicht wahr? Ja, du bist ein vernünftiger und hochgebildeter Mann. Jetzt haben wir Vorrat aus Saloniki bekommen. Wenn wir einmal kein Quecksilber haben, tun wir Ziegenmilch in die Röhren; die sieht auch weiß aus und zeigt das Wetter genauer an als das Quecksilber.«
»Sprichst du im Ernst?«
»Gewiß. Hast du das noch nicht gewußt?«
»Nein, meine Verehrte.«
»So hast du nun den Beweis, daß wir hier klüger sind, als ihr in den westlichen Ländern. Die Ziegen wissen ganz genau, was für Wetter wird. Wenn es regnen will, rennen sie stracks nach dem Stalle. Also muß die Milch ein gutes Mittel in die Röhren sein.«
»Du bist eine