Der Letzte vom "Admiral". Franz Treller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Treller
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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an Deck hin und her. Die Nacht war mild, das Meer ruhig, und nur leicht schaukelte sich der »Roland« auf der Ankerkette, die indessen, da sich in der Bucht eine Strömung bemerkbar machte, fest angezogen war. Diese erste Nachtwache, die Steuerbordswache, der durch die Gunst des Kapitäns Henrik zugeteilt worden war, hatte für diesen stets großen Reiz gehabt, wenn Wind und Wetter gut waren. Zu tun gab es dann nichts, und Findling erwies ihm auch gewöhnlich die Ehre, ihn in eine längere Unterhaltung zu verwickeln. Der Obersteuermann war das Urbild eines stattlichen Germanen von hoher Gestalt und ungewöhnlich kräftig; schlank und mit einem edelgeformten, von einem leichten blonden Vollbart umrahmten Gesicht, erinnerte er Henrik oft an einen der verwegenen Seefahrer aus Nordland, welche auf ihren Drachenschiffen die fernsten Meere durchpflügten. Er war ein ebenso geschickter als kühner Seemann, der mit ruhiger Sicherheit das Kommando, auch unter schwierigen Umständen, führte und sich auch in schwerem Wetter noch nach oben traute, wenn die kecksten Matrosen es nicht wagten, aufzuentern. Die Mannschaft hatte ganz gehörigen Respekt vor ihm, und doch waren ihm die wilden Burschen zugetan, denn er war stets bereit, jedem, der in Not war, beizuspringen. Sein Wesen war ernst und schweigsam, und die Matrosen wunderten sich nicht wenig, daß er dem jungen Horsa gegenüber, der freilich aus guter Familie und der Sohn eines trefflichen Seemanns war, oft gesprächig wurde.

      Von allen an Bord kannte ihn seit längerer Zeit und genauer nur Martin, der wiederholt mit ihm gesegelt war; doch der ließ nichts von ihm verlauten, als daß Findling von früher Jugend an auf dem Meer zu Hause und – wie er sagte – der beste Seehund sei, der ihm in seinem Leben vorgekommen.

      Während Findling mit Henrik an Deck hin und her ging und die Matrosen am Langboot sorglos ihr Garn spannen, fragte der Obersteuermann: »Überkommt Sie nicht oft die Sehnsucht nach der Heimat, Henrik?«

      »Ich liebe das Meer, Herr Findling, und jetzt, da ich die Sicherheit habe, daß meine Mutter mich noch unter den Lebenden weiß, bin ich mit voller Seele bei meinem Beruf.«

      »Ja«, sagte Findling, »es liegt etwas Gewaltiges, die Seele Gefangennehmendes in diesem Ringen der Menschenkraft mit den Naturmächten, und ganz glücklich fühle ich mich nur, wenn Luft und Wasser wild einherstürmen und ich ihnen auf gebrechlichem Fahrzeug Trotz bieten kann.« Nach einer Weile fuhr er fort: »Manchmal sehne ich mich auch nach dem stillen Hafen, den der heimatliche Herd bietet« – und in tief schmerzlichem Ton setzte er hinzu: »Aber ich habe keine Heimat!«

      Die einfachen Worte und der Ton, in welchem sie gesagt wurden, bewegten Henrik sehr. »Sie haben Ihre Angehörigen verloren, Herr Findling?«

      »Angehörige? Mein lieber Junge, ich habe keine Angehörigen. Genau wie Sie im Wogengebrause auftauchten, so bin ich von den Wellen des Lebens ausgeworfen worden; ich trage den Namen, den mir ein feinsinniger Mann für dieses Dasein mitgegeben hat, mit Recht, denn ich bin ein Findling und jede Anrede erinnert mich daran.« Stumm horchte Henrik dem trauervollen Bekenntnis. »Sie stehen mir, Henrik«, fuhr der Steuermann fort, »durch Bildung und Lebensanschauung am nächsten hier an Bord, und Sie müssen ja wohl auch gefühlt haben, daß ich mehr als gewöhnliches Interesse für Sie habe.«

      »Ja, Herr Findling, das habe ich längst empfunden und bin Ihnen dankbar dafür.«

      »Als Sie vorher Ihrer lieben Mutter gedachten, war die ganze Sehnsucht eines einsam in die Welt Geschleuderten in mir rege, ein einziges Mal in meinem Leben an einem liebenden Mutterherzen zu ruhen.«

      Als der bewegte Jüngling nicht antwortete, fuhr er fort: »Mich hat das Meer ausgeschleudert wie Sie. In einem einsam im Ozean treibenden Boot wurde ich als kleines Kind an der Brust einer toten Malaiin aufgefunden. Man erhielt mich am Leben, brachte mich nach Hamburg, und dort im Waisenhaus ward ich mir mit den fortschreitenden Jahren dieses Daseins bewußt. Vergebens waren alle Nachforschungen nach dem Schiff, nach meinen Eltern, ich war Jan Findling und wuchs als solcher auf. Ich hatte von früh auf Sehnsucht nach dem Meer, vielleicht bin ich auf dessen Rücken geboren. Meinem Wunsche entsprechend wurde ich mit vierzehn Jahren einem Schiffer als Junge mitgegeben. Dieser Mann, Kapitän Baggesen – gesegnet sei sein Angedenken – nahm sich in väterlicher Weise des armen Waisenjungen, des Findlings, an. In müßigen Stunden unterwies er mich und mehrte meine Kenntnisse, ohne daß mir an rauher Schiffsarbeit etwas erspart ward. Des ›Kapitäns Puppe‹ nannten mich die Leute. In wenigen Jahren war ich Vollmatrose und verstand ein Schiff von oben bis unten zu takeln. An Land wohnte ich bei Kapitän Baggesen und benutzte die Zeit der Ruhe, Englisch, Französisch und Mathematik zu treiben. Mit seiner Hilfe besuchte ich die Navigationsschule und machte mit meinem Wohltäter, mit dem ich im ganzen sieben Jahre die Ozeane durchfuhr, noch eine Fahrt als Steuermann, dann legte er sich nieder und starb, und mit ihm schied der einzige Mensch, der mir wirkliche Herzensteilnahme gezeigt hatte. Selbst den Tod überlebte seine Liebe zu mir, denn er hinterließ mir eine Summe, groß genug, um sorgenlos die Studien und das Examen für große Fahrt machen zu können. Mit vierundzwanzig Jahren war ich Obersteuermann mit glänzendem Zeugnis. In kurzer Zeit werde ich auch ein Schiff haben. Der Lebenslauf des Findlings ist also selten glücklich gewesen; nur eins fehlt meinem Leben – und wie sehne ich mich danach – mir fehlen eine Mutter, eine Heimat.«

      Henrik Horsa war von der einfachen, schlichten Erzählung des Steuermanns, die auf ein tiefes Fühlen schließen ließ, bewegt, doch fand er dem Mann, dem Vorgesetzten gegenüber, der ihn durch diesen Herzenserguß so hoch ehrte, nicht die passenden Worte für seine innige Teilnahme. Findling schien auch keine Äußerung von ihm zu erwarten und sah still und nachdenklich in die Nacht hinein; dann sagte er wieder: »Die Art, wie ich in dieses Land abgetrieben bin, mein einfacher Lebensgang sind ja kein Geheimnis; aber daß ich Ihnen Mitteilung davon machte, sollen Sie als Beweis ansehen, daß ich Sie schätze. Ihre innige Liebe zu Ihrer Mutter rief mir die Sehnsucht wach, schloß mir das Herz auf.«

      »Sie haben mir einen Beweis von Vertrauen gegeben, auf den ich stolz bin.«

      »Still!« gebot Findling plötzlich.

      Sie standen beide auf dem Vorderkastell; jetzt vernahm auch Henrik ein leises Klirren der Ankerkette.

      Geräuschlos hob der Steuermann eine der Handspeichen des Gangspills auf, neben welchem sie standen, und trat ebenso leise an die Bordwand, wo durch die Klüse die Ankerkette auslief. Henrik folgte ihm und zog den Revolver aus der Tasche. Die Laterne vom Großmast sandte nur schwachen Schein hierher. Den Atem anhaltend, lauschten beide. Ein leises Geräusch erreichte ihr Ohr; schattenhaft erhob sich über das Vollwerk ein dunkler Kopf, auf den alsbald die Speiche in Findlings Hand niedersauste. Der Kopf verschwand, und das Wasser rauschte auf, wie wenn etwas Schweres hinabgefallen wäre.

      »Klar zum Gefecht!« dröhnte des Steuermanns Kommandostimme durch die Nacht. »Alle Mann an Deck! Ruft den Kapitän auf!«

      Es war fast gegen Mitternacht, als dies geschah. Die Wache lag schläfrig oder schlafend mittschiffs. Alle sprangen auf und ergriffen die Gewehre. Aus dem Mannschaftslogis, in welches der Ruf Findlings gedrungen war, eilten die Matrosen hervor, halb angekleidet, und faßten ebenfalls die für sie bereitgestellten Waffen.

      »Steuerbordwache hierher! Die andern jeder an seinen Mast. Fertig zum Feuern!« hallten die mächtig, aber gemessen gegebenen Kommandos des Steuermanns über das Deck.

      Mit dem schnellen, schweigenden Gehorsam, der die Seeleute in der Stunde der Gefahr auszeichnet, wurden die Befehle ausgeführt, und die Steuerbordwache eilte mit dem Insulaner nach vorn.

      »Henrik, nimm aus meiner Kajüte die Magnesiumfackel, rasch in den Toppund zünde sie an, damit wir das Wasser übersehen können. Halte dich aber gedeckt, die Pfeile der Wilden fliegen weit.«

      Henrik eilte davon.

      Schon kam der Kapitän, aufgeschreckt und auch nur halb bekleidet, von achtern.

      »Was gibt's?«

      Findling stattete Bericht ab.

      »Ein Überfall?« Der Kapitän schien ungläubig. »Haben Sie sich auch nicht geirrt, Findling?«

      »Mein Auge und meine Handspeiche irren nicht, Herr Kapitän. Es wurde der Versuch gemacht, über die Ankerkette her das Deck zu erklettern. Die tiefe Dunkelheit verhinderte mich, zu erkennen, was auf dem Wasser vorging. Der aber, der die Speiche auf