Eva Siebeck. Bertha von Suttner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bertha von Suttner
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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geliebte Kranke, jeden Schmerz, den Dieselbe litt, auch selber mitleidend. Dazu die Trauer um ihre eigene ungenossene, unverwerthete Jugend… Der ganze frohe Lebensmuth, der vor diesen Unglücksfällen des jungen Mädchens Sinn erfüllt hatte, war jetzt gebrochen. Sie hoffte und erwartete nichts mehr. Das Spargeld mußte natürlich herhalten, um die Mehrauslagen für Doktor und Apotheke zu decken; aber auch dieses fing schon an, knapp zu werden. Nach und nach wurde die Kranke launenhaft und boshaft. Ihre geistigen Fähigkeiten nahmen so sehr ab, daß von ihrer eigentlichen Persönlichkeit schließlich nichts mehr in der jammervollen Gestalt enthalten war, die da im Rollstuhl ächzte und stöhnte und welche gewartet werden mußte, wie ein hilfloser Säugling.

      Zum Glück fiel die Aufgabe dieses Wartens und Pflegens nicht dem jungen Mädchen ganz allein zu, sondern wurde zum großen Theil von einer anhänglichen, schon seit mehreren Jahren im Hause lebenden Dienerin besorgt. So fand Eva doch noch öfters ein Paar Stunden des Tages Zeit, um sich bei ihren Büchern ein wenig zu erholen. Von Tante Rosa Koloman erhielt sie öfters theilnehmende Briefe und auch Geschenke. Ebenso freundschaftlich zeigte sich ihr eine Freundin, welche mit der Familie Holten im Laufe der Jahre öfters zusammengekommen war. Dieselbe – Dorina von Borowetz – war die Frau eines Obersten, eines einstigen Regimentskameraden des verstorbenen Baron Holten. Auch von ihr kamen regelmäßig Briefe, welche über den Zustand der Dulderin Erkundigungen einzogen und der Pflegerin Muth zusprachen.

      Endlich ward Evas Mutter von ihren Leiden erlöste und das junge Mädchen stand allein in der Welt.

      Als Antwort auf die mitgetheilte Todesnachricht erhielt Eva zwei Briefe: den einen von Tante Rosa, den andern von Freundin Dorina. Das Schreiben der Gräfin Koloman enthielt einen Check für mehrere hundert Gulden, aber kein Wort der Aufforderung, daß die Verwaiste nunmehr Aufenthalt im Hause der Schreiberin nehmen sollte. »Du wirst mich ferner von Deinen Planen unterrichten,« schrieb sie, »gegenwärtig begebe ich mich nach Ostende, dorthin kannst Du mir Deinen nächsten Brief adressiren.« Frau von Borowetz hingegen bat, Eva möge so bald als möglich und wenn sie wolle auf immer zu ihr kommen. »Viel kann ich Dir bei uns nicht bieten, doch wirst Du ja vorläufig, in Deiner Trauerzeit, keine Ansprüche auf gesellige Vergnügungen machen. Was Du bei mir findest, ist ein herzliches Willkommen – ein gemüthliches zu Hause.«

      Eva nahm den Antrag dankbaren Herzens an.

      Sie löste nunmehr ihren Haushalt auf, verkaufte sämmtliche Einrichtungsstücke, bei welchen Vorkehrungen ihr der alte Hausarzt behilflich war, und zehn Tage später, begleitet von Dorina, welche selber gekommen, die Freundin abzuholen, reiste sie nach ihrem neuen Heim.

      III

      Das Regiment des Obersten von Borowetz lag in der Kreisstadt Krems an der Donau. Hier bewohnte er mit seiner Frau eine geräumige und ziemlich elegant eingerichtete, ärarische Wohnung. Der neuen Hausgenossin ward ein großes und behaglich möblirtes Zimmer angewiesen. Das Haus wurde auf verhältnißmäßig großem Fuß geführt: ausgezeichnete Tafel, mehrere Personen Dienerschaft, Equipage, häufig Gäste.

      Dorina von Borowetz – eine geborene Südtirolerin – war zweiunddreißig Jahre alt, lebhaft, hübsch, stets nach der neuesten Mode gekleidet. Der Oberst, etwa zehn Jahre älter, hatte ein ziemlich finsteres Aussehen und barsches Wesen. Er schien in seine Frau noch immer verliebt – jedenfalls war er sehr eifersüchtig und ließ diese Leidenschaft öfters durchblicken.

      Eva gegenüber zeigte er sich zuvorkommend und galant. – Zu wiederholten Malen dankte er ihr für die Freude und Ehre, die sie seinem Haus erwiesen, indem sie es als Heim erwählt, und sprach die Hoffnung aus, daß sie lange – daß sie immer da bleiben möge.

      »Aber mein lieber Borowetz,« bemerkte darauf einmal Dorina, »wie kannst Du glauben, daß man uns so ein hübsches, reizendes Geschöpf auf lange lassen wird? Dein ganzes Offizierkorps wird sie heirathen wollen.«

      »Es wäre schon recht, wenn sie sich Alle in sie verliebten,« murmelte der Oberst mit einem finstern Blick auf seine Frau.

      »Aha – damit Keiner mir den Hof mache, nicht wahr?« sagte Dorina. »Du mußt wissen, Eva, daß der Mohr von Venedig nebst ein halb Dutzend Tigern aus der einen Waagschale hoch in die Luft flögen, wenn auf der andern mein Gemahl säße. Er würde es wirklich verdienen, betrogen zu werden.«

      Der Oberst schlug mit der Faust auf den Tisch und sprang von seinem Sessel auf.

      »Solche Scherze sind sehr unpassend,« sagte er und ging geradewegs zur Thür hinaus, indem er sie lärmend hinter sich zuschlug.

      Dorina schaute ihre Freundin fragend an, als wollte sie sagen: Nun, jetzt hast Du‘s gesehen – wie gefällt Dir das?

      Eva schwieg verlegen. Der Auftritt hatte auf sie einen peinlichen Eindruck gemacht.

      Die Andere seufzte tief auf:

      »Ich glaube, er würde mich tödten, wenn —« Sie hielt inne.

      »Da ist wohl keine Gefahr,« meinte Eva. »Du brauchst nur seine Eifersucht nicht zu reizen, und das hast Du – verzeih mir – vorhin mit der Phrase gethan: Er würde wirklich verdienen —«

      »Er verdient es auch.«

      »Dorina!«

      »Schau nicht gar so tugendhaft entrüstet, als ob es in der Welt nicht mehr Ehemänner gäbe, die – doch genug … Einen großen Gefallen würdest Du mir erweisen, wenn Du ein wenig mit meinem Manne kokettiren wolltest …«

      »Dorina!«

      »Wie hübsch mein Name klingt in dem vorwurfsvollen Tone! Ich sehe schon, Du bist eine Anstandsboldin – es wird mich Mühe kosten, Dir von Deiner Steifheit etwas abzuschütteln. Lustig muß man sein – und nicht prüde darf man sein: leben und leben lassen. Dein Gesicht wird immer länger… Es ist ja nicht schlimm gemeint.

      »Ich weiß, Du scherzest nur.«

      »Aber, wie vorhin mein gestrenger Oberst treffend bemerkte, »solche Scherze sind sehr unpassend,« – wie? Du hast mich freilich, wenn ich bei Deinen Eltern auf Besuch war, nicht von meiner natürlichen Seite kennen gelernt. Diese Beiden – besonders Dein Vater – imponirten mir so gewaltig daß in ihrer Gegenwart meine Art unwillkürlich etwas Nonnenhaftes annahm. Aber mit Dir, Du junges Ding, werde ich mir doch keinen Zwang anthun sollen?«

      »Mein Vater war durchaus nicht, wofür Du ihn gehalten zu haben scheinst. Er konnte sehr heiter sein und hatte durchaus nichts Strenges an sich. Daß er Tugend und Ehre und strenge Pflichterfüllung hoch hielt —«

      Dorina hob die Arme zum Himmel.

      »Da haben wir‘s! Der reinste Moralpredigtstil. Es fehlt nur noch der »sittliche Ernst« und dergleichen mehr. Ich glaube, darin war Dein Vater groß.«

      »Mein Vater war ein braver, edler Mensch,« entgegnete Eva in gekränktem Tone und wie bittend.

      »Das bezweifle ich nicht, ich habe ihn sehr gern gehabt, dabei aber ein wenig mich vor ihm gefürchtet … Hoffentlich werde ich mich nicht auch vor Dir fürchten müssen, wenn Du etwa der zehn Jahre älteren Freundin gegenüber die Lehrmeisterin und Richterin herauskehren wolltest. Du kennst die Welt und die Menschen nicht, außer aus Büchern. Aus diesen hast Du Dir einen idealen Maßstab geholt, der auf das Leben, das wirkliche Leben, nicht paßt – merke Dir das.«

      Fortan unterdrückte Eva jede Kritik, obschon Dorinas Benehmen und Aeußerungen ihr häufig zu einer solchen Anlaß geboten hätten. So oft sie etwas verletzte, rief sie sich jene Worte ins Gedächtniß: »Dein idealer Maßstab paßt nicht auf das Leben.« Sollte denn das Leben wirklich so ganz anders – um so Vieles schlechter, niedriger, würdeloser sein als die Vorstellung, die sie sich davon gemacht? … Nein, nimmermehr! tröstete sie sich … Es gibt nur verschiedene Menschen. Dorina war ein gutes, angenehmes Ding – nur ein wenig frivol; der Oberst ein heftiger, unliebenswürdiger Charakter; die Leute, die im Hause verkehrten, meist unbedeutende, schwunglose, enggeistige Geschöpfe – aber die Welt barg doch große Seelen und Herzen: dafür bürgten ihr ihr Schiller und ihr Shakespeare. Gewaltige Erlebnisse gab es, erhabene Ziele … und vor Allem: Liebe … ach, wann sollte für sie die Stunde schlagen, wo sie auf den Schwingen dieses herrlichen Gefühls zu den lichtesten Lebenshöhen gehoben würde?

      Indessen