Die Quälerei der Dromedare erreichte hier ihr Ende, wir schritten dem Haus zu, wo wir von der freundlichen Mrs. Bishop an einem mit duftenden Braten beladenen Tisch erwartet wurden.
Erst spät in der Nacht begaben wir uns zu unserem Lager. Es war hell genug, um die endlose Fläche unterscheiden zu können, die in erhabener Ruhe wie in tiefem Schlummer vor mir lag; ich setzte mich auf einen bemoosten Felsblock und lauschte. Es war mein letzter Abend im Tularetal, und wie Abschied nehmend, blickte ich zum Kern-River hinüber, wo ich so fröhliche Tage verlebt hatte. Ich betrachtete die schwarzen zackigen Gebirge zu beiden Seiten, auf denen das Himmelsgewölbe sich zu stützen schien; ich wandte meine Blicke gegen Norden, wo die ewigen Sterne gleichsam auf der Ebene lagen und verstohlen blitzten, ich schaute aufwärts zu dem schimmernden Firmament, wo Millionen von Welten sich in Sternbilder zusammendrängten und einzelne verirrte Meteore ihre Feuerlinien zeichneten. Eine feierliche Ruhe schwebte über dem Tal, und deutlich vernahm ich aus weiter Ferne den Gesang von Kinderstimmen; es waren junge indianische Hirten, die, bei ihren Herden wachend, die melancholischen, einfachen Melodien ihrer wilden Lieder durch die Nacht erschallen ließen; leise und unheimlich klang es, wie Geisterruf; ich kroch auf mein Lager, und selbst im Schlaf noch glaubte ich die eigentümliche Musik zu hören.
Nachdem wir am 22. November das Frühstück bei Mr. Bishop eingenommen hatten, bestiegen wir den Wagen und befanden uns nach kurzem Marsch vor der Canada de las Uvas, an derselben Stelle, wo wir sie sechs Tage früher verlassen hatten. Der Weg war steil, wir erleichterten daher den Pferden ihre Last, soviel in unseren Kräften stand, und eilten, uns auf unsere eigenen Füße verlassend, voraus.
Wir befanden uns ungefähr in der Mitte der Schlucht, als wir der Kamelkarawane begegneten, die, wie schon oben bemerkt, nach Bishops Farm geführt wurde. Sie bestand aus einem stattlichen Train von zweiundzwanzig Dromedaren und Kamelen verschiedener Rassen; alle schwer bepackt, und in langer Reihe folgte eines dem anderen in sicherem, gemessenem Schritt auf der unebenen, felsigen Straße. Sie beendeten mit diesem Tag eine lange, sehr mühselige Reise durch die Felsenwüsten zwischen Kalifornien und Neu-Mexiko, und doch könnte ich nicht sagen, daß auch nur eines derselben hervortretende Spuren von Ermattung gezeigt hätte; die sie begleitenden Maultiere dagegen befanden sich in einem solchen Zustand, daß es gewiß längerer Zeit und guten Futters bedurfte, um sie wieder zu dergleichen Arbeiten verwendbar zu machen. Wir ließen die Karawane bei uns vorüberziehen, worauf wir uns wieder in Marsch setzten, und in den ersten Nachmittagsstunden wurden wir von allen unseren Bekannten auf dem Hof des Forts unter lautem Jubel empfangen.
Sechstes Kapitel
Aufenthalt in Fort Tejon — Die Spechte — Die Gräber — Aufbruch von Fort Tejon — Reise nach Pueblo de los Angeles — Aufenthalt daselbst — Reise nach Fort Yuma — Temacula — Warner’s Paß — San Felipe — Wallecito — Carizo Creek — Rand der Wüste — Die Wüste — Indian Wells — Alamo Mucho — Cook’s Well — Ankunft am Colorado
Unser Aufenthalt in Fort Tejon dauerte noch bis zum 27. November, also im ganzen acht Tage länger, als es ursprünglich unsere Absicht gewesen war. Taylor, dessen Schüchternheit sich allmählich in ein ungeduldiges Wesen verwandelte, geriet freilich dadurch in Verzweiflung, doch die Aussicht, in dem der Sandstürme wegen verrufenen Fort Yuma noch einige Wochen auf die Ankunft von Lieutenant Ives harren zu müssen, veranlaßte uns übrige, den Aufbruch immer noch einen Tag weiter hinauszuschieben. Am Montag waren die Maultiere noch nicht gezählt, am Dienstag mußten die Papiere geordnet werden, am Mittwoch gaben wir unser Abschiedsfest, am Donnerstag durften wir aus Höflichkeit nicht abreisen, weil die Offiziere des Postens uns ein Abschiedsessen gaben, am Freitag war eben Freitag, an dem bekanntlich ein echter Seemann nie in See sticht, am Sonnabend brachen wir auf und verlegten unser Lager, das sich fünfhundert Schritt unterhalb des Forts befand, ebensoweit oberhalb desselben und reisten dann endlich am Sonntag ab.
Wenn ich nun beschreiben soll, auf welche Weise wir die Zeit hinbrachten, so ist dies mit wenigen Worten geschehen: Wir lebten in der besten Gesellschaft und waren fortwährend guter Dinge. Ich wurde indessen durch nichts abgehalten, forschend die nächste Umgebung zu durchstreifen sowie manches Interessante zu beobachten und zu sammeln.
So habe ich oft lange unter den großen Eichen gesessen und dem munteren Treiben einer Art Buntspechte zugeschaut, deren merkwürdige Gewohnheiten mir die angenehmste Unterhaltung gewährten. Diese schönen Vögel teilen ihre Zeit gleichsam zwischen Spiel und Arbeit. In beidem scheinen sie unermüdlich zu sein, denn stundenlang sah ich zwei oder mehrere derselben um einen modernden Baumstumpf »Verstecken und Suchen« spielen, wobei es natürlich nicht an ausgelassenem Lärm fehlte. Zierlich hüpften sie hinauf und hinunter, nach der einen Seite und dann nach der anderen hin um den Baum herum, dessen vielfach geborstene Rinde ihnen so gute Stützpunkte für die steifen Schwanzfedern und die scharfen Krallen bot. Vorsichtig lugten sie um die Ecke, verrieten durch neckenden Ruf ihre Gegenwart und wechselten dann blitzschnell ihr Versteck; und wenn sie, sich gegenseitig meidend, dennoch unvermutet einander in die Augen schauten, dann schien das Gelächter kein Ende nehmen zu wollen, und fort hüpften sie wieder, um das Spiel von neuem zu beginnen. Die Spielstunde war endlich vorüber, die kleine Gesellschaft versammelte sich, beratschlagte auf lärmende Weise hin und her, kam endlich zum Entschluß, und fort flog sie nach der ersten Eiche, deren korkige Rinde schon vielfache Spuren ihrer Arbeit trug und wo sie nun wieder ihren Fleiß und ihre Kunstfertigkeit beweisen wollten. Jeder suchte sich eine passende Stelle, krallte sich da fest, stützte den Körper auf die stumpfen Schwanzfedern und begann dann zu hämmern, daß die Späne umherflogen. Sie arbeiteten lange und emsig, allmählich entstanden unter den bildenden Schnäbeln in der Rinde Höhlen, deren Durchmesser dem einer Eichel gleichkam. Immer tiefer wurde gemeißelt und gehackt, doch ohne die Symmetrie der runden Öffnung zu verletzen. Geruht wurde auch zuweilen, und dann flogen die reizenden Tiere zueinander hin, beschauten mit prüfenden Blicken eines des anderen Arbeit und gingen dann wieder mit erneuter Kraft ans Werk. Endlich waren die Öffnungen tief genug; mit lautem Schrei wurde es verkündet, und fort flogen die Spechte zu einer anderen Eiche, wo sich jeder eine schöne, gesunde und vor allen Dingen trockene Eichel suchte, mit derselben im Schnabel schleunigst zurückkehrte und in seiner Werkstätte sich wieder auf den alten Platz begab. Die Eichel wurde alsdann mit dem dünneren Ende in die Öffnung geschoben; sie ging zwar schwer hinein, doch die korkähnliche Rinde gab nach, als die keilförmige Frucht Schlag auf Schlag von dem festen Schnabel erhielt, und nach wenigen Minuten wurde die Arbeit für beendet erklärt, denn die Eichel saß fest und ragte nur so weit über der Rinde hervor, als nötig war, um sie im Winter mit Bequemlichkeit verspeisen zu können. So sorgen diese Vögel für ihren Wintervorrat. — Wer nun solche Geschöpfe mit Aufmerksamkeit beobachtet, ihren Bewegungen folgt, ihre Sinne zu erraten und sich zu verdeutlichen strebt, der muß hingerissen werden zu tiefer Bewunderung und Verehrung einer gewaltigen Macht, die mit unbegreifbarer Weisheit den Millionen der verschiedenartigen lebenden Wesen verschiedene, aber entsprechende Gesetze vorzuschreiben vermochte.
Die meisten starken Bäume um Fort Tejon waren auf diese Weise mehr oder weniger von den Spechten mit Eicheln übersät worden, und zwar in vielen Fällen so dicht, daß es nicht schwerfiel, auf der Fläche eines Quadratfußes bis zu zweiundzwanzig solcher kleiner Magazine zu zählen. Auffallend erschien es mir, daß die Eicheln so fest eingeklemmt waren, daß es mir nur selten gelang, ohne Werkzeug eine derselben aus ihrem Behälter zu entfernen. Die Gegenwart der Menschen ertrugen diese Vögel mit einer gewissen Zutraulichkeit, weshalb es mir auch gelang, ihre Gewohnheiten so genau kennenzulernen. Wenn sich aber ein mutwilliges Eichhörnchen oder eine räuberische Krähe ihren Vorratsbäumen näherte, dann verteidigten sie ihr Eigentum mit einer Tapferkeit und einem Grimm, den man in den kleinen, harmlosen Tierchen nicht zu finden erwartete. Übrigens habe ich aber auch Gelegenheit gehabt, das gute Einvernehmen zwischen einigen dieser Vögel und einem Eichhörnchen zu beobachten; ich war lange vertieft im Anblick ihrer drolligen Spiele und