Auch zwei Gräber wurden mir in Fort Tejon gezeigt, zwei Gräber, die in ihrem Alter nur zwanzig Jahre auseinander sind, dabei aber verschiedenen Zeitaltern anzugehören scheinen. Das erste Grab befindet sich mitten auf dem Hof des Forts, im Schatten einer riesenhaften Eiche. Der schöne Baum vertritt die Stelle des Leichensteins, und auf seinem Stamm liest man an einer Stelle, wo die Rinde entfernt wurde, die mit einem Beil tief eingemeißelten Worte: »Peter le Beck, killed by a bear, Octbr. 17.1837 (Peter le Beck, getötet von einem Bären am 17. Oktober 1837).« Die Rinde ist schon wieder über einige Buchstaben hinweggewachsen, so daß man die Worte nur noch mit Mühe zu entziffern vermag. Dort also, in der Urwildnis, scharrten einst kühne kanadische Trapper ihren verunglückten Kameraden in die fremde Erde und schrieben mit Eisen seinen Namen auf grünendes Holz.
Zwanzig Jahre später stand, einige hundert Schritt davon, eine den gebildetsten Ständen angehörige junge Amerikanerin am Grab ihres Gatten, eines Offiziers der Besatzung, der einer Krankheit erlegen war und nach kurzem Aufenthalt in dem neuerrichteten Posten ebenfalls in die fremde Erde gesenkt wurde. Ein weißes Gitter umgibt den kunstvoll behauenen Grabstein mit der vergoldeten Inschrift; die Inschrift habe ich vergessen, aber nicht die Worte, welche die scheidende Gattin mit Bleistift auf eine der weißen Latten schrieb; sie schienen eine Welt voll Kummer und Schmerz zu enthalten.
Als die trauernde Witwe in ihre Heimat zurückkehren wollte, bat sie die Offiziere des Postens, wenn sich die Gelegenheit bieten sollte, ihr ein Bild vom Grab ihres Gatten zu verschaffen. Ein Jahr war seitdem verflossen. Eingedenk ihres Versprechens forderten die Offiziere mich auf, eine Skizze von der einsamen Ruhestätte zu entwerfen. Mit Freuden übernahm ich den Auftrag, zeichnete nach besten Kräften das gewünschte Bild und fügte demselben noch eine Ansicht des Militärpostens mit all seinen Häusern und Eichen bei.
Nach abermals zwanzig Jahren steht wohl schon eine große Stadt dort, und die marmorne Gedenktafel des Soldaten befindet sich vielleicht im Fundament desselben Hauses, zu dem die Grabeiche des Jägers die Balken hergegeben hat.
Der Bau des Forts ist immer noch nicht ganz beendet; zur Zeit meiner Anwesenheit daselbst hatte er schon über ein halbes Jahr vollständig geruht, und es schien sehr ungewiß, ob er überhaupt wieder in Angriff genommen werden würde. Die furchtbare Erderschütterung des vorhergehenden Jahres, durch die fast alle Gebäude mehr oder weniger beschädigt wurden, hatte die erste Veranlassung dazu gegeben, und die leichteren Stöße, die sich fast wöchentlich wiederholten, dienten gewiß nicht dazu, die Furcht vor größeren Unfällen dieser Art ganz einzuschläfern. Allerdings waren die dortigen Bewohner schon an Erdbeben gewöhnt, doch erinnere ich mich noch ganz genau, einst während des Mittagessens, als sich eine leise Schwingung des ganzen Speisesaals bemerkbar machte, eine Anzahl verstörter Gesichter gesehen zu haben, zu denen auch wohl das meinige gehört haben mag. Über das mehrmals erwähnte starke Erdbeben im Frühling 1857 ging mir von Augenzeugen folgende Beschreibung zu: Ein dumpfes, donnerähnliches Rauschen näherte sich in der Richtung von Süden nach Norden, und diesem folgte eine förmliche Erhebung des Bodens, die sich gleich einer starken Woge fortbewegte. Felsen stürzten von den Abhängen, die Häuser schwankten und bekamen Risse, die sich weit öffneten, aber wieder schlossen, Menschen und Vieh wurden zu Boden geworfen und konnten sich nach einigen Sekunden erst wieder erheben, nachdem die Woge vorbeigerollt war. — So übertrieben mir auch diese Beschreibung erschien, so wurde sie mir doch auf dieselbe Weise von mehreren Seiten mitgeteilt. Namentlich glaubte ich an der Erhebung des Bodens zweifeln zu müssen, obschon ich, wie ich früher erwähnte, die untrüglichsten Beweise fand, daß der Boden sich wirklich geöffnet und demnächst wieder geschlossen hatte.
Der Abschiedstag war endlich da, Peacock schickte die Mexikaner mit den 106 Maultieren voraus, so daß wir uns mit unserem Aufbruch nicht zu übereilen brauchten, und wir verließen denn in Gesellschaft der Offiziere der Garnison, die uns zu Wagen und zu Pferde begleiteten, die Cañada de las Uvas zur späten Vormittagsstunde. Die Natur hatte schon ein winterliches Aussehen angenommen, heftige Stürme wehten in den schneebedeckten Gebirgen, preßten die Wolken nieder in die engen Schluchten und jagten die dichten Nebelmassen in geringer Höhe über dem Boden wild dahin. Wir hatten die besten Maultiere der Herde zu unserem eigenen Gebrauch ausgewählt, und im Galopp folgten wir dem vorangeeilten Train, den wir nach einigen Stunden wieder einholten. Wir befanden uns diesmal auf der Straße, die wir früher auf den Rat des »Irish John« verlassen hatten, und erreichten gegen Abend nach Zurücklegung von zehn Meilen in dem spitzen Winkel des Great Basin ein verfallenes Blockhaus. Mit wenigen Worten erzählte Alexander die Geschichte dieses Hauses; es war seit einigen Jahren zusammen mit den angrenzenden Wiesen sein Eigentum, und er hatte es gewöhnlich des Heuertrags wegen verpachtet gehabt. Seit dem großen Erdbeben aber, bei welcher Gelegenheit das Haus teilweise einstürzte und eine Frau erschlagen wurde, hatten keine Menschen mehr hier gewohnt. Alexander lud uns also ein, die Nacht in seinem verödeten Haus zuzubringen, und sagte uns ebenso wie die übrigen Tejoner Freunde seine Gesellschaft für die Nacht zu. Wir fanden alle hinlänglich Raum in der zerfallenen Hütte, der Kamin war noch in brauchbarem Zustand, das alte Bauholz trocken, und so kostete es uns nur geringe Mühe, dem staubigen Gemach ein ganz wohnliches Aussehen zu geben.
Wütend heulte der Nordoststurm zwischen den morschen Sparren und in dem wankenden Schornstein; wir aber saßen vor dem flackernden Feuer und unterhielten uns von der Vergangenheit und von der Zukunft; dabei ließen wir aber auch die Gegenwart nicht unberücksichtigt, sondern reichten fleißig unsere leeren Blechtassen dem würdigen Mr. Alexander hin, der mit gerötetem Gesicht den Flammen am nächsten saß und aufmerksam einen eisernen Kessel mit duftendem, siedendem Inhalt beobachtete.
In aller Frühe des 28. November schüttelten wir den Staub aus unseren Decken; die Tiere, die während der Nacht Schutz in einer nahen Schlucht gefunden hatten, standen gesattelt und gepackt da, und ein weiter Weg lag vor uns. Wenn jemals Reisenden aufrichtige Segenswünsche mitgegeben wurden, so erhielten wir sie von unseren Tejoner Freunden; wenn jemals eine Hand herzlich gedrückt wurde, so geschah es, als wir unsere Tiere bestiegen und uns ein kurzes Lebewohl sagten. »Schwerlich werden wir alle einander wiedersehen«, hieß es; »ebenso unwahrscheinlich ist es, daß wir in regelmäßigen Briefwechsel miteinander treten werden, doch etwas bleibt uns bis zum letzten Atemzug, und das ist die Erinnerung an die goldenen Tage jugendlichen Frohsinns sowie der Gedanke, Freunde gewonnen zu haben und Freund geworden zu sein. Und sollte eine unter den angenehmsten Verhältnissen, unter Lust und Freude geschlossene Freundschaft nicht auch nachhaltig fürs ganze Leben bleiben können?«
Wir trennten uns; am letzten Felsvorsprung schwenkten wir die grauen Filzhüte, drückten die Sporen in die Weichen unserer Tiere und eilten dahin über die Ebene der einsamen Wohnung des »Irish John« zu.
Unter unseren Packknechten befand sich ein junger Mexikaner, der die dortige Gegend schon mehrfach durchreist hatte und ziemlich bekannt mit den verschiedenen Wegen war. Auf seinen Rat zogen wir an der dürftigen Stelle des »Irish John« vorbei, lenkten in die westlichen Gebirge und gelangten bald in eine Schlucht, wo eine Quelle, Gras und Holz uns zum Lagern bestimmten. Egloffstein hatte sich am Morgen von uns getrennt, um das San-Amedio-Gebirge zu ersteigen und von dessen Höhen einen Überblick über die ganze Gegend zu gewinnen. Er stieß des Abends und auch während der folgenden Nacht nicht wieder zu uns, wodurch wir nicht wenig beunruhigt wurden, um so mehr, als wir nicht in die alte Straße zurückkehren konnten und gezwungen waren, am Morgen des 29. November unsere Reise fortzusetzen. Wir hofften indessen, im San-Francisquito-Paß wieder mit ihm zusammenzutreffen und folgten daher dem Mexikaner, der uns auf unbequemen Pfaden durch die wilden Gebirgsschluchten führte.
Gegen Mittag erreichten wir die westliche Spitze des Elisabethsees, und da ich dort so viel Wild spürte, so blieb ich hinter dem Train zurück und vertiefte mich in die Verfolgung eines Hirsches. Ich näherte mich demselben bald so weit, daß ich glaubte, ihn mit der Kugel erreichen zu können, und gab Feuer. Schwer verwundet sank das Tier zu Boden, raffte sich aber wieder auf und begann die nächste Bergkette zu ersteigen, wo es dichtes Gebüsch fast fortwährend verbarg. Ich band mein Maultier schleunigst an den nächsten Baum, ergriff meine Büchse und folgte dem Flüchtling zu Fuß nach. Wie ich aus der Bewegung des