Die Ahnen. Gustav Freytag. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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bei der Erinnerung und fuhr gesprächig fort: »Immer lobe ich mir, wenn das Eisen in der Luft fliegt, ein freies Feld und ein besseres Licht als von flackerndem Holz. Dennoch sprichst du gut, König, denn vieles ist unsicher auf der Männererde, aber nichts trügt so sehr als die Erwartung vor dem Streit. Je länger man durch Speere und Schwerter gewandelt ist, desto weniger hegt man Gedanken über das Ende. Und um dir alles zu sagen, ich argwöhne, die hohen Schicksalsfrauen werfen uns vor dem Männerkampf die Lose mit lachendem Munde. Sie schleudern uns in die ärgste Todesgefahr wie zum Scherz und ziehen uns wieder lustig bei der Haarlocke heraus, und ein andermal berauschen sie den Sinn durch Träume des Sieges und legen uns tot auf die Heide. Wie sie aber auch das Herz des Mannes prüfen, zuletzt freuen sie sich doch über uns Schildknaben hier auf Erden und später anderswo.«

      Die Rede unterbrach ein leises Schwirren und ein Schlag, ein Pfeil flog aus dem Hofe nach der Stelle, wo Ingo saß, das Eisen schlug an die Schwertscheide, der Pfeil sank auf die Diele. Die Männer blieben unbeweglich, aber kein Ruf und kein neuer Angriff folgte dem Überfall. »Suche dein Bette, du Narr«, rief Berthar und wies auf einen dunklen Schatten, der an den Häusern in der Finsternis verschwand. Er hob den Todesboten auf. »Der Pfeil ist aus einem Jagdköcher.«

      »Es ist eine Ware, die Tertullus für uns zurückließ,« versetzte Ingo, »so schwächlichen Gruß sendet König Bisino nicht.«

      Die Helden saßen harrend, nichts rührte sich weiter, die Sterne rückten auf ihren Stühlen langsam am Himmelsgewölbe dahin, lichtlos lag die Königsburg in tiefem Schweigen. Endlich begann Berthar: »Über den weintrunkenen Knaben des Wirtes liegt jetzt wohl der Schlaf, Zeit ist, daß auch du der Ruhe gedenkst.« Er trat zu den Schläfern und rüttelte Wolf, den Kämmerer, auf; der junge Krieger sprang behende auf die Füße und geleitete seinen Herrn zum Lager, dann ergriff er Schild und Speer und stand neben dem Alten an der Tür, bis der erste graue Tagschein über den Himmel flog.

      Für den nächsten Tag war große Jagd verkündet. Auf dem freien Raum vor der Königshalle stampften die Rosse, die Meute der Rüden und Bracken schlug an, mühsam von den starken Weidgängern an den Riemen gehalten, die Mannen sammelten sich in fröhlichem Gewühl, den König zu erwarten. Auch Ingo stand mit einem Teil seines Gefolges an das Roß gelehnt, des Aufbruchs gewärtig. Endlich kam der König, der das Weidwerk noch mehr liebte als einen guten Trunk am Herde, im Jagdkleide, den schweren Jagdspieß in der Hand. Die Hörner bliesen den Morgengruß, und freundlich trat er zu Ingo und fragte laut: »Wie war die Nachtruhe, Vetter? nicht hörte ich vorher, daß du von den Vätern her ein Blutsfreund der Königin bist, sei mir willkommen auch als Verwandter an meinem Hofe.«

      Die Mannen des Königs lauschten den Worten und sahen erstaunt einander an. Ingo aber antwortete ehrerbietig: »Ich danke dem König, daß er mir so huldreichen Gruß beut.«

      »Wohlan,« fuhr Bisino fort, »versuche heut an unserer Seite die Kraft deines Speers.« Er bestieg sein Roß, das Tor flog auf, die Brücke schwebte herab, und hinaus ins Freie stoben die Hunde, hinter ihnen der reisige Zug. Auch Ingo tummelte fröhlich das Roß, welches sich wie sein Herr des freien Grundes unter den Füßen freute. Er ritt nahe dem König, und forschend sah sein Wirt auf die edle Gestalt und auf die sichere Kraft, mit welcher Ingo sein starkes Jagdpferd bändigte. Zuweilen rief er ihn an seine Seite und sprach zu ihm vertraulich wie zu einem alten Genossen, so daß wohl einer von den Königsknaben dem anderen zuraunte: »Wozu rühmt der Kater die Maus als Frau Base, wenn er sie doch in den Krallen hält.« Aber das war des Königs Meinung nicht, er fand Gefallen an Ingo und hörte in seinem Ohr noch günstige Worte, welche die Königin über den Fremden gesagt hatte und auch sein junger Sohn, der ihm das Liebste auf Erden war. Und der König dachte, er ist fürwahr ein freudiger Gesell, und es macht froh, ihm zuzusehen, warum soll ich ihm nicht Gutes erweisen, solange ich ihn noch unter den Lebenden hegen kann? es gibt andere, deren Tod mir bequemer wäre. So kam ihm seine Huld wirklich vom Herzen, und er ließ sich lustig berichten von der Kraft eines Löwen, den Ingo im Zwinger der Alemannenkönige gesehen hatte.

      Bald nahm ein hoher Eichwald die Jagdgenossen auf. Bis dahin hatte das Auge der Königin von der Zinne ihres Turmes den Ausfahrenden nachgesehen. Jetzt rief sie den Kämmerer und die Frauen und stieg hinab in den leeren Hof. Sie hielt zur Verwunderung ihres Gefolges bei der Küche an und sprach einige Worte über den Festbraten mit dem Koch, der solcher Ehre selten genoß und fröhlich gelobte, die Schüsseln des Jagdmahls mit bester Kraft zu rüsten. Als sie zum Saal kam, in welchem die Fremden lagen, hörte sie die Schläge eines Hammers. Berthar saß in der Tür, er dengelte mit dem Schärfhammer die Eisen der Wurfspeere auf einem Stein und sang dazu leise eine gute Beschwörung für scharfes Eisen. Die Königin hielt an, winkte gebieterisch ihrem Gefolge, zurückzutreten und stand nahe den Stufen, auf den schlagenden Mann schauend, bis dieser aufsah, sein Schurzfell und den Hammer wegwarf und der Königin huldigend entgegentrat. »Welches Wild gedenkst du mit dem Eisen zu fällen, Held des König Ingo?« fragte Frau Gisela, »daß du in der Burg weilst, während draußen die Jagdhunde rennen?«

      »Den Vorrat schärfe ich für ein anderes Halageschrei,« versetzte Berthar, »weit rühmt man im Lande die Jagdlust des Königs.«

      »Ungern wird dein Herr im Walde den alten Kampfgesellen missen.«

      »Das Wild, welches im Sonnenlicht springt, erlegt mein Herr mit seinen Knaben wohl allein, bei der Wolfsjagd in der Nacht will ich ihm nicht fehlen.« Die Königin sah ihm fest ins Auge und trat einen Schritt näher: »Nicht zum ersten Male sehe ich dich, Berthar, ist auch seitdem Schnee auf dein Haupt gefallen, ich kenne dich wieder.«

      »Unsicher ist das Gedächtnis des Alten, viele Menschen sah ich, seit mein Herr heimatlos wandert; in mein Auge flogen die Funken, da mein Hof in der Heimat brannte, daß ich das schöne Antlitz vor mir nicht erkenne.«

      »Mit Grund zürnst du, Alter, meinem Geschlecht. Einst schlossen der Vater deines Königs und der meine einen Bund, aber Gundomar, mein Bruder, vergaß die alten Eide, er kämpfte als Bundesgenosse eurer Feinde an der Oder, und ich wurde, noch ein Kind, als Gemahl dem König der Thüringe gesandt. Kennst du mich jetzt, Berthar?«

      »Das Reis wuchs zu stolzem Baume; andere Vögel singen jetzt in seinem Laube als vorzeiten.«

      »Dennoch trägt der Baum jedes Jahr die gleichen Blüten. Und der alte Schlachtenheld findet an der Königin einen Freund. Bist du zufrieden mit deiner Herberge in der Burg und haben die Königsknaben dir höflichen Gruß geboten?«

      »Am Hofe grüßt der Diener wie der Herr; deine Huld, Königin, ist Bürgschaft für den guten Willen der Deinen.«

      Das Antlitz der Königin umwölkte sich: »Das ist die Sprache stolzer Gäste,« fuhr sie mit gezwungenem Lächeln fort, »lustiger, meine ich, war dir das Leben in den Waldhütten.«

      »Wir sind Wanderer, Herrin. Wer heimatlos durch die Völker zieht, dem hilft behender Sinn; Hof und Gemahl sind ihm versagt, er nimmt, was der Tag ihm bietet: die Beute, den Trunk, die Frauen, er hat nicht Wahl und nicht Qual, und sorglos denkt er beim Scheiden an die Arbeit des nächsten Tages.« Der Alte sah, wie die Königin ihn wieder anlachte, sie trat näher und sprach: »Dort in dem Turm ist der Königin Gemach, wenn du einmal zu jenem Fenster aufschaust von deinen Speeren, so brennt dort vielleicht eine Leuchte, dir die Wolfsjagd vorher zu künden.« Sie winkte ihm grüßend und wandte sich zu ihrem Gefolge. Der Alte aber sah ihr staunend nach, dann ergriff er wieder den Hammer und pochte, aber er sang nicht mehr.

      In der nächsten Nacht störte kein Pfeil und kein Gebell der Königswölfe den Schlaf der fremden Gäste. Mit jedem Tage wurde der König freundlicher zu ihnen und rühmte vor seinen Mannen ihre Hofsitte und ihre Kunst, die Rosse im Kampfspiel zu treiben. Hermin, der junge Königsohn, kam oft zum Vetter Ingo in die Herberge, übte sich vor ihm mit seinen Kinderwaffen, strich dem Helden Berthar den grauen Bart und bat um lustige Mären. An einem Jagdmorgen wurde Ingo dem Wirt noch genehmer, als er ihm vorher gewesen war. Der König war in seiner Jagdlust den anderen weit vorausgeritten und an einer Bergsteile vom Rosse gesprungen, dort glitt er im Eise aus und lag einen Augenblick wehrlos vor den Hörnern eines wilden Ochsen. Da trat Ingo mit eigener Lebensgefahr über den Leib des Herrn und fällte das wütende Tier. Der König erhob sich, und hinkend von dem Sturze, sprach er: »Jetzt wo wir allein sind und keiner meiner Mannen in der Nähe, erkenne ich deine gute Gesinnung; denn