»Gern würde ich dir sagen, Held Ingo, daß ich mich freue, dir zu begegnen, doch ich stehe hier als Bote des großen Römers, und nicht freundlich ist seine Meinung gegen dich.«
»Ich aber rühme die Botschaft nicht,« antwortete Ingo, »die dem tapferen Manne verwehrt, im Königsfrieden einen Kampfgesellen zu begrüßen, mit dem er einst ehrliche Schläge getauscht hat.«
»Dich und mich warfen zürnende Götter aus der Heimat in feindliche Schlachtreihen, beide folgen wir dem Eid, der uns bindet«, sprach der Franke.
»Du folgtest den Feldzeichen der Fremden, ich dem Ruf unserer Landgenossen.«
»Im Lager des Römers singt der Sänger dieselben Lieder wie hier im Lande«, entgegnete Harietto.
»Mich lehrten die Lieder, die ich als Knabe hörte, die Herrschaft der Fremden meiden«, versetzte Ingo.
»Kommt alle zu des Cäsars Banner, dann sind wir die Römer.«
»Alle rufst du, Harietto, die hier stehen, nur einen, meine ich, ladest du nicht. Und darum zürne nicht, wenn ich für unziemlich halte, den Hals vor dem Hochgericht des Cäsars zu beugen.«
Beide neigten stolz das Haupt und traten auseinander. Die Königsmänner aber hatten sich dazu gedrängt, nach Rede und Gegenrede murmelten sie beistimmend, stärker, wenn Harietto sprach, doch auch Ingos Worten fehlte der Beifall nicht, und er sah, daß bei seinen letzten Worten der König selbst mit dem Kopfe nickte.
Der Gesandte schritt mit dem König in den Saal, wo seine Begleiter die Geschenke des Cäsars aufstellten. Der König schaute erfreut auf die Goldschalen und Becher, auf die wundervolle Arbeit mit eingesetzten Edelsteinen, und versicherte den Gesandten, er sei ein Freund des Cäsar und zu vielem guten Dienst erbötig. Da begehrte Harietto geheimes Gespräch, und als der König alle Hörer weggescheucht hatte, forderte der Franke die Auslieferung Ingos.
Bisino erschrak, er saß lange überlegend und antwortete endlich, die Forderung sei allzuhart für ihn, und er brauche Zeit, um eine Antwort zu finden, der Gesandte möge sich‘s unterdes als Gast an seinem Hofe gefallen lassen. Aber Harietto drang auf schnellen Entschluß, bot höhere Geschenke und drohte. Da empörte sich der Stolz des Königs, und zornig rief er, was er freundlichem Gesuch verweigere, werde er dem Drohenden vollends nicht bewilligen. So entließ er den Fremden, und dieser lagerte mit seinem Gefolge unter den Knaben des Königs, trank mit ihnen und teilte Geschenke aus.
König Bisino aber blieb verstört; zuletzt ging er in sein Schatzhaus, setzte sich auf den Schemel, besichtigte mit schwerem Herzen noch einmal die neuen Geschenke und überzählte darauf seine Schnüre, an denen goldene Armringe aufgereiht waren, seine großen Schüsseln und Kannen, die goldenen Becher und Trinkhörner. Mit Mühe hob er eine Silberschüssel, spiegelte sich darin und sprach kummervoll zu sich selbst: »Grämlich ist das Bild, das ich sehe. Der Fremde hat mir reiche Geschenke gebracht, obgleich die größte Schale nur vergoldetes Silber und keine rühmliche Gabe an einen Volkskönig ist. Dennoch würde ich ungern die anderen Gaben missen, von denen er spricht, und der Römer gibt sie mir nicht, wenn ich jenen nicht lebendig oder vielleicht auch tot ausliefere. Aber wenn ich das Unrecht auf mein Leben nehme und ihn seinen Feinden einhändige, so werde ich scheusälig vor allem Volk als ein Mietling der Fremden, und weil ich den Gastfreund einem ehrlosen Tode preisgebe. Auch tut mir der Gesell selbst leid, denn gutherzig ist er und ehrbar, und ein treuer Genosse beim Kruge und auf dem Rosse. Dagegen wenn ich ihn trotz den Römern bewahren will, so droht mir markverzehrende Arbeit, der Krieg räumt vielleicht meinen Schatz, er mindert die Kraft des Volkes und rüttelt an meinem Königsstuhl.« Sein Blick fiel auf ein Schwert, welches über dem glänzenden Metall an der Wand hing. »Dies ist die Königswaffe meines Geschlechtes, gerühmt im Liede und gefürchtet im Volke, manche schwere Tat hat sie ausgeführt, ein Gott hat, wie die Sage kündet, einst den Stahl dazu gehämmert, mich wundert, daß ich heut die Augen nicht von ihr abwenden kann.« Und seufzend fuhr er fort: »Ich habe mit ihm getrunken, gejagt und an seiner Seite gefochten, und ich wünsche ihm, daß sein Ende rühmlich sei wie das seiner Väter, die es auch eilig hatten, die Todeswunde auf der Brust zu erhalten. Vermag ich ihn nicht zu retten, so will ich ihm doch wenigstens Königsehre erweisen.«
Der König erhob sich und ergriff die Waffe. Da fühlte er sich leise am Arme gefaßt, er fuhr zusammen und zückte das Schwert; vor ihm stand Frau Gisela und sah ihn spottend an: »Will der König mit seinem Tafelgerät zu Felde ziehen, daß er darüber Heerschau hält?«
»Worin liegt Königsmacht, wenn nicht im Schatze?« fragte der König unwillig zurück. »Wie kann ich der Begehrlichen Sinn festhalten und ihren Treuschwur gewinnen, wenn ich ihnen nicht von dem fremden Metall spende? In meinem Lande haben es wenige, und alle fordern es, woher soll ich‘s holen, wenn ich‘s nicht von den Fremden erkaufe?«
»Der König will den Mann an die Römer verhandeln?« fragte die Königin und ihre Augen flammten wie Feuer.
»Würde ich mich bedenken, wenn ich‘s tun wollte?« murrte der König. »Aber dieser Fremde sitzt wie ein Uhu auf meinen Bäumen, alles Geflügel der Luft schießt heran und schreit gegen ihn, nicht lange, so senden auch die Könige von der Oder und fordern seinen Leib.«
»Du täuschest mich nicht,« brach die Königin in heißem Zorne los, »siehe zu, o König, ob du leben kannst nach solcher Schmach, ich will es nicht. Dem meineidigen Mann, der um römisches Gold seinen Schwurgenossen verkauft, weigere ich die Genossenschaft an Tisch und Lager.«
Der König sah mit querem Blick auf sie: »Heftig stürmen deine Gedanken, Frau Gisela, ich meine, sie verfehlen das Ziel.«
»Wer darf mehr für des Königs Ehre eifern als die Königin?« antwortete das Weib nach Fassung ringend. »Getraust du dich nicht, ihn vor den Römern zu bewahren, so entlaß ihn von deinem Hofe. Besser ist es, sich schwach zu erweisen als treulos.«
»Damit er nach der Kränkung lebe als mein Feind«, sprach der König.
»So binde ihn durch hohen Schwur; er ist, wie ich meine, von denen, die ihr Gelübde halten.«
»Will die Königin ihn dazu überreden, daß er der Kränkung niemals gedenke?« fragte der Burgherr lauernd.
»Ich will,« versetzte Frau Gisela tonlos, »wenn es dem Könige nützt.« Beide standen einander mit finstern Gedanken gegenüber, endlich begann der König: »In der Not dient schnelle Tat, versuche dein Heil, Gisela, sende ihm heute abend Botschaft, daß er in deinen Turm steige zu geheimer Unterredung, vielleicht hilfst du ihm dort zu einer guten Ausfahrt.«
Die Königin sah vor sich nieder, erblichen war ihr Antlitz, als sie antwortete: »Ich will ihn zur Ausfahrt mahnen, da du es gebietest.« Sie wandte dem König schnell den Rücken. Er sah ihr finster nach.
Am Abend harrte die Königin in ihrem Turmgemach, die Nachtvögel saßen auf der Mauer und klagten über das Unheil, welches drinnen einem bereitet werden sollte, in den scharfen Stößen der Luft, die durch das offene Fenster drang, flackerte die Wachsfackel und trieb den Schatten des schönen Weibes an den Wänden hin und her. Frau Gisela stand inmitten des Raumes, im Festgewande, die rote Königsbinde über der Stirn, das bleiche Haupt vorgebeugt, die Hände fest geschlossen wie zu gewaltsamer Tat. »Scheidest du von hier, Ingo, mir ist es Qual, ärger als Tod, und weilest du, dann ist von dreien, welche leben, einer zu viel.« Sie fuhr zusammen und horchte wieder, aus der Tiefe erklang Gemurr von Stimmen und leises Waffengeklirr. Da riß sie die Fackel von dem hohen Leuchter und hielt sie zum Fenster hinaus, daß der Rauch und die lodernde Flamme an die Turmzinne wehte und die Eulen erschreckt aufflogen. Aus der Ferne antwortete nach wenigen Augenblicken ein einzelner Jagdruf, die Königin hob die Leuchte zurück und schob den Teppich vor die Fensteröffnung.
Auf der Steintreppe klang ein Männertritt. »Er ist es«, sprach sie leise. Aber als sich die Tür öffnete, fuhr sie zurück, denn König Bisino trat ein, düster war sein Antlitz, der vierschrötige Leib gedeckt mit einem Panzerhemd, das Haupt mit