Mit Recht hat die Geschichte die Namen dieser dreizehn Getreuen der Nachwelt überliefert. Die andern blieben kleinmütig und verzagt.
Don Tafur war ratlos. Mit diesem Falle hatte der Statthalter nicht gerechnet. Schließlich blieb seinem Abgesandten nichts übrig, als die an Bord befindlichen Vorräte an Pizarros Schatzmeister abzugeben. Er schiffte die Abtrünnigen ein und fuhr mit seinen beiden Schiffen wieder heim. Ruiz der Lotse schloß sich ihm auf Pizarros Wunsch an.
Der Capitano und seine zwölf Helden blieben standhaft zurück. Wäre dies nicht geschehen, so wäre Pizarros Stern erloschen und Peru hätte ein andrer zu andrer Zeit erobert.
Bald nach Tafurs Abfahrt ließ er ein Floß bauen und siedelte nach der fünfundzwanzig Leguas nördlicher (fünf Leguas vom Festland gelegenen) Insel Gargona über, die er vermutlich vorher hatte erkunden lassen. Ungefähr zu Beginn des Jahres 1527 landete man daselbst. Das kleine, nur von wenigen friedsamen Indianern bewohnte Eiland war bergig, zum Teil mit Wald bedeckt, hatte Quellen und Bäche und war reich an Wild aller Art.
Hier erbaute man ein Hüttenlager, dem eine Kapelle der Madonna nicht fehlte, denn Pizarro hielt darauf, daß seinen rauhen Gefährten das Vertrauen auf die göttliche Vorsehung nicht verlorenging. Nur der höhere Mensch trägt seinen Stern in sich selbst; die ändern bedürfen einer gemeinsamen Zuflucht. Jeden Morgen und jeden Abend hielt Pizarro eine kleine Andacht ab. Er ließ ein Loblied zu Ehren der heiligen Jungfrau singen und sprach würdevoll das Gebet.
Monate vergingen. Umsonst spähten die Posten hinaus ins Meer. Es zeigte sich kein Schiff. Nur in klaren Nächten erblickte man zuweilen Feuerzeichen, die aber nicht ihnen galten: ferne Lichter auf der Höhe der Cordilleren, vielleicht an heiligen Orten, wo man dem Mond und den Sternen opferte.
Der Statthalter war über Pizarros Halsstarrigkeit entrüstet. Lange weigerte er sich ihm Hilfe zu schicken, aber Almagro und Luque hörten nicht auf ihn zu bestürmen. Erst im April 1527 gab er die Erlaubnis, daß eine Karavelle abgehe, mit ganz wenig Leuten und dem strengen Befehl, Pizarro habe binnen sechs Monaten (d. h. Ende Oktober) mit allen seinen Gefährten in Panama einzutreffen.
Fünf Monate waren seit der Abreise der Abtrünnigen verstrichen, und selbst Pizarro hegte heimlich Zweifel, ob sich Almagro je wieder sehen lassen werde. Der Jubel der kleinen Schar, als eines Tages die weißen Segel in Sicht kamen, war grenzenlos. Pizarro für seine Person war enttäuscht, als er das Nähere hörte. Er hatte auf Verstärkung seiner Gefechtskraft gerechnet. Aber wie alle genialen Naturen fand er sich sofort mit der neuen Lage ab. Wenn ihm die Eroberung von Peru vorläufig auch unmöglich blieb, so genügte es schließlich zunächst, das Reich ordentlich zu erkunden.
In dieser Absicht schiffte er sich ein. Zwei seiner Gefährten, die krank darnieder lagen, mußten unter Obhut etlicher ihnen freundlichen Indianer zurückbleiben. Natürlich nahm er jene sechs Tumbezianer mit, die inzwischen zu Dolmetschern ausgebildet worden waren.
Unter Führung des Ruiz ward der Kurs auf Tumbez genommen. Es wehte leiser Südwind, aber man kam doch langsam weiter. Vorbei an der Insel Gallo, am Vorgebirge Takames, am Kap Pasado, gelangten sie über den bisher von Europäern erreichten Punkt hinaus. Mit Genugtuung sah Pizarro, wie die Gestade ihm zur linken von Tag zu Tag fruchtbarer und lieblicher wurden. An die Stelle der Sandstrecken und Felsen traten Fluren und Wälder. Überall grüßten Hütten und Dörfer, und über den fernen Wäldern, Hügeln und Bergen verrieten Rauchsäulen, daß da auch Menschen wohnten.
Nach zwanzig Tagen kam das Schiff in die prächtige Bucht von Guyaquil. Man erblickte stattliche Städte. Der breite Gipfel des mächtigen Chimborazo ward sichtbar und der silberne Kegel des Kotopaxi. Es war wohl Anfang Juli 1527, als die Höhe von Tumbez erreicht war. An der Insel Santa Clara fielen die Anker.
Die Insel war unbewohnt, aber die Indianer, die man an Bord hatte, versicherten, es geschähen hier zu gewissen Zeiten Opferfeste. In der Tat fand man Weihgaben aus Gold. Am andern Morgen näherten sich die Spanier der Stadt.
Einige Balsas kamen entgegen. Es war ein Kriegsgeschwader auf dem Wege nach der nicht fernen Insel Puna. Man rief etliche der peruanischen Offiziere an Bord. Sie kamen. Erstaunt erblickten sie die Dolmetscher, ihre Landsleute. Durch diese erfuhren sie, die weißen Männer seien in friedlicher Absicht erschienen. Man wolle Lebensmittel gegen Waren tauschen.
Eine Menge Volk versammelte sich im Hafen und gaffte das ungewohnte Fahrzeug mit den seltsamen Fremdlingen an. Alsbald erschien der Bürgermeister (der Kuraka) der Stadt. Offenbar hielt er die Spanier für höhere Wesen und gab Befehl, ihnen reichlich Lebensmittel zu liefern. Es dauerte nicht lange, da steuerten mehrere Balsas auf die Karavelle zu, reichlich beladen mit Kartoffeln, Mais, Kakao, Bananen, Ananas und andern Landesfrüchten, für die man damals noch keine Namen hatte, wie Maiswein (Tschitscha und Sora) und Koka (einer Art Kautabak mit berauschender Wirkung). Auch Fasane und Fische brachte man, dazu etliche lebendige Lamas, die Pizarro bis dahin nur nach ein paar groben Zeichnungen kannte, die Balbao im Besitz gehabt hatte. Diese »Peruanischen Schafe« fanden große Bewunderung.
Zufällig hielt sich ein Inka-Edelmann in Tumbez auf. Als er von der Ankunft der Fremden vernahm, begab er sich in den Hafen und fuhr auf einem Boot nach dem spanischen Schiffe. Pizarro erkannte an seiner Haltung und Tracht sowie an der Ehrfurcht des Volkes, daß es ein Edelmann des Landes war, den er vor sich hatte, und empfing ihn voll Höflichkeit und Hochschätzung. Er zeige ihm die Karavelle und ließ ihm durch einen der Dolmetscher alles erklären, was ihm wunderbar vorkam. Darnach lud er ihn zur Mittagstafel ein. Auch diese erregte das Gefallen des peruanischen Grandseigneurs, insbesondere der treffliche Tarragona, den ihm Pizzaro kredenzte. Er sei besser als der einheimische Wein. Man muß wissen, daß die Peruaner überaus gern zechten, vom König abwärts bis zum Kuli. Seine Neugier ging noch weiter. Er fragte den Capitano, woher er und seine Mannen kämen, aus welchem Anlaß und mit welchem Begehr.
Pizarro hielt eine wohlgesetzte kleine Rede, die der Dolmetscher dem Peruaner vermittelte. Er sei Untertan und Abgesandter des größten Herrschers auf Erden, in dessem Machtbereich die Sonne nicht untergehe. Er, der Kaiser des Römischen Reiches, habe ihn, einen seiner Feldhauptleute, hergeschickt, den König dieses Landes zu begrüßen. Der hohe Herr glaube an einen andern, besseren und gewaltigeren Gott als die Leute dieses Landes. Dessen Verkünder sei Jesus Christus, der Herr der Welt. Wer an ihn glaube, gehe nach seinem irdischen Tode ein in die ewige Seligkeit.
Der Peruaner hörte aufmerksam zu, blieb aber schweigsam. Schließlich verabschiedete er sich auf das verbindlichste. Vermutlich waren ihm die rauhen Landsknechte, die den merkwürdigen fremden Hauptmann umgaben, höchst verdächtig. Ebenso das, was man ihm da vorgefabelt hatte von fremden Königen und Göttern. Ihm war kein Mächtigerer bekannt als der König von Perú, und daß es über dem erhabenen Sonnengotte einen noch höheren Gott irgendwo geben solle, ging ihm auch nicht in den Sinn. Gleichwohl, er war Gast auf einem fremden Schiffe an einer fremden Tafel, und so erlaubte er sich keinen Widerspruch. Beim Abschied schenkte ihm Pizarro ein Beil, daß seine Bewunderung erregt hatte. In Perú gab es kein Eisen.
Da der Inka-Edelmann nicht verfehlt hatte, die Spanier einzuladen, die Stadt zu besichtigen, schickte Pizarro Tags darauf einen seiner dreizehn Getreuen, Alonso de Molina, in Begleitung eines Negers aus Panamá, ans Land. Er brachte dem Kuraka von Tumbez ein Gastgeschenk, bestehend aus einem Schwein und etlichen europäischen Hühnern; beide Tierarten kannte man damals in Perú noch nicht.
Als Molina und der Neger dem Ruderboot entstiegen, wurden sie von zahllosen Eingeborenen umringt. Des Spaniers Gesichtsfarbe, sein langer Bart, seine Kleider, seine Waffen, alles ward angestaunt, zumal von den Weibern. Da auch sie ihm gefielen und er dies sich nicht zu knapp anmerken ließ, so bedeuteten ihm die Schönen des Landes, er solle in Tumbez bleiben und sich die Allerschönste von ihnen aussuchen.
Noch mehr aber staunte man den Othello an. Niemand wollte glauben, daß seine schwarze Haut waschecht sei, und alsbald versuchten etliche Beherzte, ihm die sonderbare Farbe mit Tüchern abzureiben. Der Mann aus Timbuktu ließ sich dies schmunzelnd gefallen, wobei er freundlich sein blendendweißes Gebiß zeigte. Da wollte sich jedermann zu Tode lachen. Nicht minder imposant dünkte den Peruanern das grunzende Schwein, und als gar der Hahn sein Kikeriki ertönen ließ, schlug man die Hände über dem Kopf zusammen und fragte, was das Tier sage.