»Wenn ihr das wißt«, sprach Amalaswintha mit Hoheit, »wie könnt ihr wagen, dennoch vor unser Angesicht zu treten? Wer gestattet euch, wider unsern Willen zu uns zu dringen?« — »Die Not gebeut es, hohe Frau, die Not, die schon stärkere Riegel gebrochen als eines Weibes Laune. Wir haben dir die Forderungen deines Volkes vorzutragen, die du erfüllen wirst.« — »Welche Sprache! Weißt du, wer vor dir steht, Herzog Thulun?« — »Die Tochter der Amalungen, deren Kind ich ehre, auch wo es irrt und frevelt.« — »Rebell!« rief Amalaswintha und erhob sich majestätisch vom Throne, »dein König steht vor dir.« Aber Thulun lächelte: »Du würdest klüger tun, Amalaswintha, von diesem Punkt zu schweigen. König Theoderich hat dir die Mundschaft über deinen Sohn übertragen, dem Weibe: das war wider Recht, aber wir Goten haben ihm nicht eingeredet in seine Sippe. Er hat diesen Sohn zum Nachfolger gewünscht, den Knaben: das war nicht klug. Aber Adel und Volk der Goten haben das Blut der Amalungen geehrt und den Wunsch eines Königs, der sonst weise war. Niemals jedoch hat er gewünscht, und niemals hätten wir gebilligt, daß nach jenem Knaben ein Weib über uns herrschen solle, die Spindel über die Speere.«
»So wollt ihr mich nicht mehr anerkennen als eure Königin?« rief sie empört. »Und auch du, Hildebrand, alter Freund Theoderichs, auch du verleugnest seine Tochter?«
»Frau Königin«, sprach der Alte, »wollest du selbst verhüten, daß ich dich verleugnen muß.«
Thulun fuhr fort: »Wir verleugnen dich nicht — noch nicht. Jenen Bescheid gab ich nur, weil du auf dein Recht pochst, und weil du wissen mußt, daß du ein Recht nicht hast.
Aber weil wir gern den Adel des Blutes ehren — wir ehren damit uns selbst —, und weil es in diesem Augenblick zu bösem Zwiespalt im Reich führen könnte, wollten wir dir die Krone absprechen, so will ich dir die Bedingungen sagen, unter denen du sie fürder tragen magst.«
Amalaswintha litt unsäglich: wie gern hätte sie das stolze Haupt, das solche Worte sprach, dem Henker geweiht. Und machtlos mußte sie das dulden! Tränen wollten in ihr Auge dringen: sie preßte sie zurück, aber erschöpft sank sie auf ihren Thron, von Cassiodor gestützt.
Cethegus war indessen an ihre andre Seite getreten: »Bewillige alles!« raunte er ihr zu, »’s ist alles erzwungen und nichtig. Und heute nacht noch kommt Pomponius.«
»Redet«, sprach Cassiodor, »aber schont des Weibes, ihr Barbaren.«
»Ei«, lachte Herzog Pitza, »sie will ja nicht als Weib behandelt sein: sie ist ja unser König.«
»Ruhig, Vetter«, verwies ihn Herzog Thulun, »sie ist von edlem Blut wie wir.«
»Fürs erste«, fuhr er fort, »entläßt du aus deiner Nähe den Präfekten von Rom. Er gilt für einen Feind der Goten. Er darf nicht die Gotenkönigin beraten. An seine Stelle bei deinem Thron tritt Graf Witichis.«
»Bewilligt!« sagte Cethegus selbst, statt Amalaswinthas.
Fürs zweite erklärst du in einem Manifest, daß fortan kein Befehl von dir vollziehbar, der nicht von Hildebrand oder Witichis unterzeichnet, daß kein Gesetz ohne Genehmigung der Volksversammlung gültig ist.«
Die Regentin fuhr zornig auf, aber Cethegus hielt ihren Arm nieder. »Heute nacht kommt Pomponius!« flüsterte er ihr zu. Dann rief er laut: »Auch das wird zugestanden.«
»Das dritte«, hob Thulun wieder an, »wirst du so gern gewähren, als wir es empfanden. Wir drei Balten haben nicht gelernt, in der Hofburg die Häupter zu bücken: Das Dach ist uns zu niedrig hier. Amaler und Balten leben am besten weit voneinander — wie Adler und Falk. Und das Reich bedarf unsres Arms an seinen Marken. Die Nachbarn wähnen, das Land sei verwaiset, seit dein großer Vater ins Grab stieg. Awaren, Gepiden, Sklavenen springen ungescheut über unsre Grenzen. Diese drei Völker zu züchtigen, rüstest du drei Heere, je zu dreißig Tausendschaften, und wir drei Balten führen sie als deine Feldherrn nach Osten und nach Norden.«
Die ganze Waffenmacht obendrein in ihre Hände: nicht übel! dachte Cethegus. »Bewilligt«, rief er lächelnd.
»Und was bleibt mir«, fragte Amalaswintha, »wenn ich all das euch dahingegeben?«
»Die goldene Krone auf der weißen Stirn«, sagte Herzog Ibba.
»Du kannst ja schreiben wie ein Grieche«, begann Thulun aufs neue. »Wohlan, man lernt solche Künste nicht umsonst. Hier dies Pergament soll enthalten — mein Sklave hat es aufgezeichnet — was wir fordern.«
Er reichte es Witichis zur Prüfung: »Ist es so? Gut. Das wirst du unterschreiben, Fürstin. — So, wir sind fertig. Jetzt sprich du, Hildebad, mit jenem Römer.«
Doch vor ihn trat Teja, die Rechte am Schwert, zitternd vor Haß: »Präfekt von Rom«, sagte er, »Blut ist geflossen, edles, teures, gotisches Blut. Es weiht ihn ein, den grimmen Kampf, der bald entbrennen wird. Blut, das du büßen« — der Zorn erstickte seine Stimme.
»Pah«, rief, ihn zurückschiebend, Hildebad — denn er war der baumlange Gote , »macht nicht so viel Aufhebens davon! Mein goldner Bruder kann leicht etwas missen von überflüssigem Blut. Und der andre hat mehr verloren, als er missen kann. Da, du schwarzer Teufel«, rief er Cethegus zu und hielt ihm ein breites Schwert dicht vor die Augen, »kennst du das?«
»Des Pomponius Schwert!« rief dieser erbleichend und einen Schritt zurückweichend. Amalaswintha und Cassiodor fragten erschrocken: »Pomponius?«
»Aha«, lachte Hildebad, »nicht wahr, das ist schlimm? Ja, aus der Wasserfahrt kann nichts werden.«
»Wo ist Pomponius, mein Nauarch?« rief Amalaswintha heftig.
»Bei den Haifischen, Frau Königin, in tiefer See.«
»Ha, Tod und Vernichtung!« rief Cethegus, jetzt fortgerissen vor Zorn, »wie geht das zu?«
»Lustig genug. Sieh, mein Bruder Totila — du kennst ihn ja, nicht wahr? — lag im Hafen von Ancona mit zwei kleinen Schiffen. Dein Freund Pomponius, der machte ihm seit einigen Tagen ein so übermütiges Gesicht und ließ so dicke Worte fallen, daß es selbst meinem arglosen Blonden auffiel. Plötzlich ist er eines Morgens mit seinen drei Trieren aus dem Hafen entwischt. Totila schöpfte Verdacht, setzt alle Leinwand auf, fliegt ihm nach, holt ihn ein auf der Höhe von Pisaurum, stellt ihn, geht zu ihm an Bord mit mir und ein paar andern und fragt ihn wohinaus?«
»Er hatte kein Recht dazu, Pomponius wird ihm keine Antwort gegeben haben.«
»Doch, Vortrefflicher, er gab ihm eine. Wie der sah, daß wir zu sieben allein auf seinem Schiff, da lachte er und rief: ‘Wohin ich segle? Nach Ravenna, du Milchbart, und rette die Regentin aus euren Klauen nach Rom.’ Und dabei winkte er seinen Leuten. Da warfen aber auch wir die Schilde vor, und hui, flogen die Schwerter aus den Scheiden. Das war ein harter Stand, sieben gegen dreißig. Aber es währte zum Glück nicht lang, da hörten unsre Bursch im nächsten Schiff das Eisen klirren, und flugs waren sie mit ihren Booten heran und erkletterten wie die Katzen die Wandung. Jetzt waren wir die mehreren: aber der Nauarch — gib dem Teufel sein Recht! — ergab sich nicht, focht wie ein Rasender und stieß meinem Bruder das Schwert durch den Schild in den linken Arm, daß es hoch aufspritzte. Da aber ward mein Bruder auch zornig und rannte ihm den Speer in den Leib, daß er fiel wie ein Schlachtstier. ‘Grüßt mir den Präfekten’, sprach er sterbend, gebt ihm das Schwert, sein Geschenk, zurück und sagt ihm, es kann keiner wider den Tod: sonst hätte ich Wort gehalten.’ Ich hab’s ihm gelobt, es zu bestätigen. Er war ein tapferer Mann. Hier ist das Schwert.«
Schweigend nahm es Cethegus.
»Die Schiffe ergaben sich, und mein Bruder führte sie zurück nach Ancona. Ich aber segelte mit dem schnellen hierher und traf am Hafen mit den drei Balten zusammen, gerade zur rechten Zeit.«
Eine Pause trat ein, in welcher die Überwundnen ihre böse Lage schmerzlich überdachten. Cethegus hatte ohne Widerstand alles bewilligt in der sicheren Hoffnung auf die Flucht, die nun vereitelt war.
Sein schönster Plan war durchkreuzt, durchkreuzt von Totila: tief grub der Haß diesen Namen in des Präfekten