Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра. Эрнст Гофман. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Эрнст Гофман
Издательство: Издательство АСТ
Серия: Bilingua подарочная: иллюстрированная книга на языке оригинала с переводом
Жанр произведения:
Год издания: 1819
isbn: 978-5-17-165655-3
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schreiend.»Ach das Unglück – ach das Malheur!«—»Was ist geschehen«, rief ihm Kreisler nach. Ach das Unglück, erwiderte der Küchenjunge noch heftiger weinend,»da drinnen liegen der Herr Oberküchenmeister in der Verzweiflung, in purer Raserei, und wollen sich durchaus das Ragoutmesser in den Leib stoßen, weil der gnädigste Herr plötzlich befohlen hat zu soupieren, und es ihm an Muscheln fehlt zum italienischen Salat. Er will selbst nach der Stadt, und der Herr Oberstallmeister weigern sich anspannen zu lassen, da es an einer Ordre des gnädigsten Herrn fehlt.«—»Da ist zu helfen«, sprach Kreisler,»der Herr Oberküchenmeister steige in gegenwärtigen Wagen, und versehe sich mit den schönsten Muscheln in Sieghartsweiler, während ich zu Fuß nach selbiger Stadt promeniere.«– Damit rannte er fort in den Park.

      «Große Seele – edles Gemüt – scharmanter Herr!«rief ihm der alte Jäger nach, indem ihm die Tränen in die Augen traten.

      In den Flammen des Abendrots stand das ferne Gebirge, und der goldne glühende Widerschein gleitete spielend über den Wiesenplan, durch die Bäume, durch die Büsche, wie getrieben von dem Abendwinde, der sich säuselnd erhoben.

      Kreisler blieb mitten auf der Brücke stehen, die über einen breiten Arm des Sees nach dem Fischerhäuschen führte, und schaute in das Wasser hinab, in dem sich der Park mit seinen wunderbaren Baumgruppen, der hoch darüber emporragende Geierstein, der seine weißblinkenden Ruinen auf dem Haupte wie eine seltsame Krone trug, abspiegelte in magischem Schimmer. Der zahme Schwan, der auf den Namen Blanche hörte, plätscherte auf dem See daher, den schönen Hals stolz emporgehoben, rauschend mit den glänzenden Schwingen.»Blanche, Blanche«, rief Kreisler laut indem er beide Arme weit ausstreckte,»singe dein schönstes Lied, glaube ja nicht, daß du dann sterben mußt! du darfst dich nur singend an meine Brust schmiegen, dann sind deine herrlichsten Töne mein, und nur ich gehe unter in brünstiger Sehnsucht, während du in Liebe und Leben daherschwebst auf den kosenden Wellen! «– Selbst wußte Kreisler nicht, was ihn plötzlich so tief bewegte, er stützte sich auf das Geländer, schloß unwillkürlich die Augen. Da hörte er Julia's Gesang, und ein unnennbar süßes Weh durchbebte sein Inneres.

      Düstere Wolken zogen daher, und warfen breite Schatten über das Gebirge, über den Wald, wie schwarze Schleier. Ein dumpfer Donner dröhnte im Morgen; stärker sauste der Nachtwind, rauschten die Bäche, und dazwischen schlugen einige Töne der Wetterharfe an, wie ferne Orgelklänge, aufgescheucht erhob sich das Geflügel der Nacht, und schweifte kreischend durch das Dickicht.

      Kreisler erwachte aus dem Traume, und erblickte seine dunkle Gestalt im Wasser. Da war es ihm, als schaue ihn Ettlinger, der wahnsinnige Maler, an aus der Tiefe.»Hoho«, rief er hinab,»bist Du da geliebter Doppelgänger, wackerer Kumpan? – Höre, mein ehrlicher Junge, für einen Maler, der etwas über die Schnur gehauen, der im stolzen Übermut fürstliches Herzblut verbrauchen wollte, statt Firnis, siehst Du passabel genug aus. – Ich glaube am Ende, guter Ettlinger, daß Du illustre Familien genarrt hast mit Deinem wahnsinnigen Treiben! – Je länger ich Dich anschaue, desto mehr gewahre ich an Dir die vornehmsten Manieren, und so Du magst, will ich der Fürstin Maria versichern, Du wärst, was Deinen Stand oder Deine Lage im Wasser betrifft, ein Mann von dem importantesten Range, und sie könne Dich lieben ohne alle weiteren Umstände. – Willst Du aber, Kumpan, daß die Fürstin noch jetzt Deinem Bilde gleiche, so mußt Du es nachtun dem fürstlichen Dilettanten, der seine Porträts ausglich mit den zu porträtierenden, durch geschicktes Anpinseln der letztern. – Nun! – haben sie Dich einmal unverdienter Weise hinabgeschickt in den Orkus, so trage ich Dir hiermit allerlei Neuigkeiten zu! – Wisse, verehrter Tollhauskolonist, daß die Wunde, die Du dem armen Kinde, der schönen Prinzessin Hedwiga beibrachtest, noch immer nicht recht geheilt ist, so daß sie vor Schmerz manchmal allerlei Faxen macht. Trafst Du denn ihr Herz so hart, so schmerzlich, daß ihr noch jetzt heißes Blut entquillt, wenn sie deine Larve erblickt, so wie Leichname bluten, wenn der Mörder hinantritt? Rechne es mir nicht zu, Guter, daß sie mich für ein Gespenst hält, und zwar für das Deinige. – Aber bin ich so recht in voller Lust ihr zu beweisen, daß ich kein schnöder Revenant bin, sondern der Kapellmeister Kreisler, dann kommt mir der Prinz Ignatius in die Quere, der offenbar an einer paranoia laboriert, an einer fatuitas, stoliditas, die nach Kluge eine sehr angenehme Sorte der eigentlichen Narrheit ist. – Mache mir nicht alle Gesten nach, Maler, wenn ich ernsthaft mit Dir rede! – Schon wieder? Fürchtete ich mich nicht vor dem Schnupfen, ich spränge zu Dir hinab, und prügelte Dich erklecklich! – Schere Dich zum Teufel, halunkischer Mimiker!«

      Kreisler sprang schnell fort.

      Es war nun ganz finster geworden, Blitze leuchteten durch die schwarzen Wolken, der Donner rollte, und der Regen begann in großen Tropfen herabzufallen. Aus dem Fischerhäuschen strahlte ein helles blendendes Licht, dem eilte Kreisler entgegen.

      Unfern der Türe, im vollen Schimmer des Lichts, erblickte Kreisler sein Ebenbild, sein eigenes Ich, das neben ihm daherschritt. Vom tiefsten Entsetzen erfaßt, stürzte Kreisler hinein in das Häuschen, sank atemlos, zum Tode erbleicht, in den Sessel.

      Meister Abraham, der vor einem kleinen Tische saß, auf dem eine Astrallampe ihre blendenden Strahlen umherwarf, in einem großen Folianten lesend, fuhr erschrocken in die Höhe, nahte sich Kreisler, rief:»Um des Himmels willen, was ist Euch, Johannes, wo kommt Ihr her am späten Abend – was hat Euch so entsetzt!«—

      Mit Mühe ermannte sich Kreisler, und sprach dann mit dumpfer Stimme:»Es ist nun nicht anders, wir sind unserer Zwei – ich meine, ich und mein Doppelgänger, der aus dem See gesprungen ist, und mich verfolgt hat, hieher. – Seid barmherzig Meister, nehmt Euern Dolchstock, stoßt den Halunken nieder – er ist rasend, glaubt mir das, und kann uns beide verderben. Er hat draußen das Wetter heraufbeschworen. – Die Geister rühren sich in den Lüften, und ihr Choral zerreißt die menschliche Brust! – Meister – Meister, lockt den Schwan herbei, – er soll singen – erstarrt ist mein Gesang, denn der Ich hat seine weiße kalte Totenhand auf meine Brust gelegt, die muß er wegziehen, wenn der Schwan singt – und sich wieder untertauchen in den See.«– Meister Abraham ließ Kreislern nicht weiter reden, er sprach ihm zu mit freundschaftlichen Worten, nötigte ihm einige Gläser eines feurigen italienischen Weins ein, den er eben zur Hand hatte, und fragte ihm dann nach und nach ab, wie sich alles begeben.

      Aber kaum hatte Kreisler geendet, als Meister Abraham laut lachend rief.»Da sieht man den eingefleischten Phantasten, den vollendeten Geisterseher! – Was den Organisten betrifft, der Euch draußen in dem Park schauerliche Chorale vorgespielt hat, so ist das niemand anders gewesen, als der Nachtwind, der durch die Lüfte brausend, daher fuhr, und vor dem die Saiten der Wetterharfe erklangen. Ja ja, Kreisler, die Wetterharfe habt Ihr vergessen, die zwischen den beiden Pavillons am Ende des Parks aufgespannt ist. Und was Euern Doppelgänger betrifft, der im Schimmer meiner Astrallampe neben Euch her lief, so will ich Euch sogleich beweisen, daß, sobald ich nur vor die Türe trete, auch mein Doppelgänger bei der Hand ist, ja, daß ein jeder, der zu mir hineintritt, solch einen Chevalier d'Honneur seines Ichs an der Seite leiden muß.

      Meister Abraham trat vor die Türe, und sogleich stand in dem Schimmer ein zweiter Meister Abraham ihm zur Seite.

      Kreisler merkte die Wirkung eines verborgenen Hohlspiegels, und ärgerte sich, wie jeder, dem das Wunderbare, woran er geglaubt, zu Wasser gemacht wird. Dem Menschen behagt das tiefste Entsetzen mehr, als die natürliche Aufklärung dessen, was ihm gespenstisch erschienen, er will sich durchaus nicht mit dieser Welt abfinden lassen; er verlangt etwas zu sehen aus einer andern, die des Körpers nicht bedarf, um sich ihm zu offenbaren.

      «Ich kann, nun einmal, Meister, «sprach Kreisler,»Euren seltsamen Hang zu solchen Foppereien nicht begreifen. Ihr präpariert das Wunderbare wie ein geschickter Mundkoch, aus allerlei scharfen Ingredienzien, und meint, daß die Menschen, deren Phantasie, wie der Magen der Schlemmer, flau geworden, irritiert werden müssen durch solches Unwesen. Nichts ist abgeschmackter, als wenn man bei solchen vermaledeiten Kunststückchen, die einem die Brust zusammenschnüren, dahinterkommt, daß alles natürlich zugegangen.«

      «Natürlich! – natürlich», rief Meister Abraham,»als ein Mann vom ziemlichen Verstande, solltet Ihr doch einsehen, daß nichts in der Welt natürlich zugeht, gar nichts! – Oder glaubt Ihr, werter