Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра. Эрнст Гофман. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Эрнст Гофман
Издательство: Издательство АСТ
Серия: Bilingua подарочная: иллюстрированная книга на языке оригинала с переводом
Жанр произведения:
Год издания: 1819
isbn: 978-5-17-165655-3
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– und wie es denn weiter heißt. Sie können das Weitere selbst nachlesen, in der Tragödie.«—»Ho ho!«erwiderte der Doktor,»Sie springen ab – Sie geraten in den Magnetismus, und sind imstande, zuletzt zu behaupten, daß, nächst allen Wundern, die dem Magnetiseur zu Gebote stehen, er auch den Schulmeister für empfängliche Kater abgeben könnte.«—

      «Nun«, sprach der Ernste,»wer weiß, wie der Magnetismus auf Tiere wirkt. Kater, die schon das elektrische Fluidum in sich tragen, wie Sie sich gleich überzeugen können – «

      Plötzlich an Mina denkend, die über dergleichen Versuche, die mit ihr angestellt worden, so bitter klagte, erschrak ich so heftig, daß ich ein lautes Miau ausstieß!

      «Bei dem Orkus und all' seinem Entsetzen«, rief der Professor erschrocken,»der höllische Kater hört uns, versteht uns – Herz gefaßt! – mit diesen Händen erwürg' ich ihn.«—

      «Ihr seid nicht klug«, sprach der Ernste,»Ihr seid wahrhaftig nicht klug, Professor. Nimmermehr leide ich, daß Ihr dem Kater, den ich schon jetzt herzlich lieb gewonnen, ohne das Glück seiner nähern Bekanntschaft zu genießen, daß Ihr ihm nur das geringste Leid zufügt. Am Ende muß ich glauben, daß Ihr eifersüchtig seid auf ihn, weil er Verse macht? Professor der Ästhetik kann ja der kleine graue Mann niemals werden, darüber beruhigen Sie sich nur ganz. Steht es denn nicht deutlich in den uralten akademischen Statuten, daß, überhand genommenen Mißbrauchs halber, keine Esel mehr zur Professur gelangen sollen, und ist diese Verordnung nicht auch auf Tiere auszudehnen von jeder Art und Gattung, mithin auch auf Kater?«

      «Mag es sein«, sprach der Professor unmutig,»daß der Kater niemals weder Magister legens, noch Professor der Ästhetik, werden wird, als Schriftsteller tritt er doch auf über kurz oder lang, findet der Neuheit wegen Verleger und Leser, schnappt uns gute Honorare weg – «

      «Ich finde«, erwiderte der Ernste,»durchaus keine Ursache, warum dem guten Kater, dem aimablen Liebling unsers Meisters, es verwehrt sein solle, eine Bahn zu betreten, auf der sich so viele ohne Rücksicht auf Kraft und Haltung umhertummeln. Die einzige Maßregel, die dabei zu beobachten, wäre, daß man ihn nötigte, sich die spitzen Krallen verschneiden zu lassen, und das wäre vielleicht das einzige, was wir jetzt gleich tun könnten, um sicher zu sein, daß er uns nie verwunde, wenn er ein Autor worden.«

      Alle standen auf. Der Ästhetiker griff nach der Schere. Man kann sich meine Lage denken, ich beschloß, mit Löwenmut anzukämpfen gegen die Verunglimpfung, die man mir zugedacht; den ersten, der sich mir nahen würde, zu zeichnen auf ewige Zeiten, ich rüstete mich zum Sprunge, sowie der Korb geöffnet werden würde.

      In dem Augenblick trat Meister Abraham hinein, und vorüber war meine Angst, die sich schon steigern wollte zur Verzweiflung. Er öffnete den Korb, und noch ganz außer mir, sprang ich mit einem Satz hinaus, und schoß dem Meister wild vorbei, unter den Ofen.

      «Was ist dem Tiere widerfahren«, rief der Meister, die andern mißtrauisch anblickend, welche da standen ganz verlegen und, vom bösen Gewissen geplagt, gar nicht zu antworten vermochten.

      So bedrohlich auch meine Lage im Gefängnis war, doch empfand ich inniges Wohlbehagen darüber, was der Professor von meiner mutmaßlichen Laufbahn sagte, sowie sein deutlich ausgesprochener Neid mich höchlich erfreute. Ich fühlte schon das Doktorhütlein auf meiner Stirne, ich sah mich schon auf dem Katheder! – Sollten meine Vorlesungen denn nicht am häufigsten besucht werden von der wißbegierigen Jugend? – Sollte wohl ein einziger Jüngling, von milden Sitten, es übel deuten können, wenn der Professor bäte, keine Hunde ins Kollegium zu bringen? – Nicht alle Pudel hegen solch freundlichen Sinn, wie mein Ponto, und dem Jägervolk mit langen hängenden Ohren ist nun vollends gar nicht zu trauen, da sie überall mit den gebildetsten Leuten meines Geschlechts unnütze Händel anfangen und sie mit Gewalt nötigen, zu den unartigsten Äußerungen des Zorns, als da ist Prusten – Kratzen – Beißen usw. usw.

      Wie höchst fatal müßt' es —

      (Mak. Bl.) – nur der kleinen rotwangigen Hofdame gelten, die Kreisler bei der Benzon gesehen.»Tun Sie mir«, sprach die Prinzessin,»den Gefallen, Nannette, gehen Sie selbst herab, und sorgen Sie, daß man die Nelkenstöcke in meinen Pavillon trage, die Leute sind saumselig genug, um nichts auszurichten.«– Das Fräulein sprang auf, verbeugte sich sehr zeremoniös, flog dann aber schnell zum Zimmer heraus, wie ein Vogel, dem man den Käfig geöffnet.

      «Ich kann«, wandte sich die Prinzessin zum Kreisler,»nun einmal nichts herausbringen, wenn ich nicht mit dem Lehrer allein bin! der den Beichtvater vorstellt, dem man ohne Scheu alle Sünden vertrauen kann. Überhaupt werden Sie, lieber Kreisler, die steife Etikette bei uns seltsam, werden es lästig finden, daß ich überall von Hofdamen umgeben, gehütet werde wie die Königin von Spanien. – Wenigstens sollte man hier in dem schönen Sieghartshof mehr Freiheit genießen. Wäre der Fürst im Schlosse, ich hätte Nannette nicht fortschicken dürfen, die sich selbst bei unseren musikalischen Studien ebensosehr langeweilt, als sie mich geniert. – Fangen wir noch einmal an, jetzt wird es besser gehen.«– Kreisler, bei dem Unterricht die Geduld selbst, begann das Gesangstück, welches die Prinzessin einzustudieren unternommen, von neuem, aber so sichtlich Hedwiga sich auch mühte, so viel Kreisler auch einhelfen mochte, sie verirrte sich in Takt und Ton, sie machte Fehler über Fehler, bis sie glutrot im ganzen Gesicht aufsprang, an das Fenster lief, und hinausschaute in den Park. Kreisler glaubte zu bemerken, daß die Prinzessin heftig weine, und fand seinen ersten Unterricht, den ganzen Auftritt, etwas peinlich. Was konnte er Bessers tun, als versuchen, ob der feindliche, unmusikalische Geist, der die Prinzessin zu verstören schiene, sich nicht bannen lasse eben durch Musik. Er ließ daher allerlei angenehme Melodien fortströmen, variierte die bekanntesten Lieblingslieder in kontrapunktischen Wendungen und melismatischen Schnörkeln, so daß er zuletzt sich selbst darüber wunderte, wie er so charmant den Flügel zu spielen verstehe, und die Prinzessin vergaß, samt ihrer Arie, und ihrer rücksichtslosen Ungeduld.

      «Wie herrlich doch der Geierstein in der leuchtenden Abendsonne steht«, sprach die Prinzessin, ohne sich umzuwenden.

      Kreisler war eben in einer Dissonanz begriffen, natürlicherweise mußte er diese auflösen, und konnte daher nicht mit der Prinzessin den Geierstein und die Abendsonne bewundern.»Gibt's wohl einen reizendern Aufenthalt weit und breit, als unser Sieghartshof?«sprach Hedwiga lauter und stärker als vorher. – Nun mußte Kreisler wohl, nachdem er einen tüchtigen Schlußakkord angeschlagen, zu der Prinzessin an das Fenster treten, der Aufforderung zum Gespräch höflich genügend.

      «In der Tat, gnädigste Prinzessin«, sprach der Kapellmeister,»der Park ist herrlich, und ganz besonders ist es mir lieb, daß sämtliche Bäume grünes Laub tragen, welches ich überhaupt an allen Bäumen, Sträuchern und Gräsern sehr bewundere und verehre, und jeden Frühling dem Allmächtigen danke, daß es wieder grün worden und nicht rot, welches in jeder Landschaft zu tadeln, und bei den besten Landschaften, wie z. B. Claude Lorrain oder Berghem, ja selbst bei Hackert, der bloß seine Wiesengründe was weniges pudert, nirgends zu finden.»

      Kreisler wollte weiter reden, als er aber in dem kleinen Spiegel, der zur Seite des Fensters angebracht, der Prinzessin totbleiches, seltsam verstörtes Antlitz erblickte, verstummte er vor dem Schauer, der sein Inneres durcheiste.

      Die Prinzessin unterbrach endlich das Schweigen, indem sie, ohne sich umzuwenden, immerfort hinausschauend, mit dem rührenden Ton der tiefsten Wehmut sprach:»Kreisler, das Schicksal will es nun einmal, daß ich Ihnen überall wie von seltsamen Einbildungen geplagt – aufgeregt, ich möchte sagen, albern, erscheine, daß ich Ihnen Stoff darbieten soll, Ihren schneidenden Humor an mir zu üben. Es ist Zeit, Ihnen zu erklären, daß, und warum Sie es sind, dessen Anblick mich in einen Zustand versetzt, der dem nervenerschütternden Anfall eines heftigen Fiebers zu vergleichen. Erfahren Sie alles! Ein offnes Geständnis wird meine Brust erleichtern, und nur die Möglichkeit verschaffen, Ihren Anblick, Ihre Gegenwart zu ertragen. – Als ich Sie zum erstenmale dort im Park antraf, da erfüllten Sie, da erfüllte Ihr ganzes Betragen, mich mit dem tiefsten Entsetzen, selbst wußte ich nicht warum! – aber es war eine Erinnerung aus meinen frühsten Kinderjahren, die plötzlich mit all' ihrem Schrecken in mir aufstieg, und die sich erst später in einem seltsamen Traume deutlich gestaltete.