Über den Antrag auf Erlaß einer Bauverfügung ist grundsätzlich mündlich zu verhandeln. Das Gericht kann hiervon Ausnahmen machen. Der Termin soll binnen zwei Wochen ab Antragseingang stattfinden.
Das Gericht soll bereits zum ersten Termin einen Sachverständigen beiziehen. Im Hinblick auf die schnelle Terminierung soll ggf. auch die Möglichkeit eröffnet werden, daß ein Gutachten im Termin zunächst mündlich vorgetragen und erst danach schriftlich vorgelegt wird.
Mit der Anordnung eines schriftlichen Gutachtens setzt das Gericht gleichzeitig eine Frist, innerhalb der das Gutachten zu erstellen ist. Die Bauverfügung unterliegt keiner weiteren Überprüfung im Rechtsmittelzug.
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Darüber hinaus hat die Arbeitsgruppe BauVR vorgeschlagen, entsprechend dem Vorbild von § 1032 ZPO vorzusehen, daß eine wirksame Vereinbarung über ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren zwischen den Parteien des Bauwerkvertrages Vorrang hat und dem Erlaß einer Bauverfügung entgegensteht.[7]
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Die Vorschläge der Arbeitsgruppe BauVR zur Ausgestaltung der von ihr vorgesehenen „Bauverfügung“ sind zu begrüßen; die Konzeption der von der Arbeitsgruppe BauVR vorgesehenen „Bauverfügung“ werden, soweit derzeit absehrbar, in der Lage sein, die durch das im neuen Bauvertragsrecht vorgesehene einseitige Anordnungsrecht entstehenden Streitigkeiten einer schnellen gerichtlichen Entscheidung zuzuführen. Die von der ARGE BauVR vorgeschlagene „Bauverfügung“ löst jedoch nicht die sich aus der Zivilprozeßordnung in ihrer herkömmlichen Ausgestaltung für den Bauprozeß ergebenden Probleme
wobei der Begriff Bauprozeß hier als synonym für Streitigkeiten aus komplexen bauwerkvertraglichen Rechtsbeziehungen verwandt wird.
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Die Ursachen der Probleme sind komplex und nicht nur auf das durch die Zivilprozeßordnung vorgeschriebene Verfahren zurückzuführen. Mit der hier vorgelegten Zweiten Edition des Arbeitspapiers „Bauverfügung“ wird deshalb der Versuch unternommen, die Idee der Einführung eines beschleunigten Erkenntnisverfahrens für Streitigkeiten aus dem Bauvertragsrecht neu zu beleben. Die Zweite Edition des Arbeitspapiers „Bauverfügung“ (nachfolgend: 2. Ed. Bauverfügung) integriert die Gedanken, die im Arbeitspapier „Bauverfügung“ (Stand 22.09.2011) niedergelegt sind und verweist zugleich auf das als Anlage beigefügte „Arbeitspapier für die Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht; hier: Anordnungsrecht des Bestellers vor Abnahme des Bauwerks im Falle mangelhafter Leistung des Unternehmers“ vom 31.08.2012, das als Diskussionspapier Gegenstand der Erörterung in der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht gewesen ist.[8]
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Der Begriff „Bauverfügung“ geht auf die entsprechende Begriffsprägung durch das Arbeitspapier „Bauverfügung“ (Stand 22.09.2011) zurück. Als Schlagwort ist es den an der Diskussion über die Neugestaltung des BauVR Beteiligten bekannt. Auch wenn die Arbeitsgruppe BauVR für die „Bauverfügung“ nur einen sehr begrenzten Anwendungsbereich vorsieht, und sich damit die Notwendigkeit ergeben könnte, ein im Anwendungsbereich umfangreicher ausgestaltetes verfahrensrechtliches Instrument begrifflich anders zu benennen, wird der Begriff „Bauverfügung“ für das im Rahmen der Zweiten Edition des Arbeitspapiers „Bauverfügung“ diskutierte verfahrensrechtliche Instrument weiterhin den Begriff „Bauverfügung“ tragen. Der Prozeß der Entwicklung des verfahrensrechtlichen Instrumentes, das geeignet ist, im Rahmen eines beschleunigten Erkenntnisverfahrens die Probleme aufzulösen, die sich im Rahmen des herkömmlichen Zivilprozesses ergeben haben, ist bisher nicht abgeschlossen. Die von der Arbeitsgruppe BauVR vorgeschlagene „Bauverfügung“ steht daher nicht außerhalb des beschleunigten Erkenntnisverfahrens, das Gegenstand der Diskussion im Rahmen der Zweiten Edition des Arbeitspapiers „Bauverfügung“ ist. Erst wenn in der Diskussion über jenes beschleunigte Erkenntnisverfahren ein Zwischenergebnis gezogen werden kann, läßt sich daher darüber nachdenken, ob durch andere Begriffsbildung das eine verfahrensrechtliche Instrument vom anderen begrifflich abzugrenzen ist.
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Vorschläge für die weitere Ausgestaltung des beschleunigten Erkenntnisverfahrens
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Die nachfolgenden Vorschläge für die weitere Ausgestaltung des „Beschleunigten Erkenntnisverfahrens“ konzentrieren sich auf die Möglichkeit der Straffung des Vortrags der Parteien, auf die Erhöhung der Sach- und Entscheidungskompetenz des Richters, der das Urteil im „Beschleunigten Erkenntnisverfahren“ fällen soll, sowie auf die Ausgestaltung der Entscheidung selbst, also das Urteil, das am Ende „Beschleunigten Erkenntnisverfahren“ steht. Die Vorschläge verwerten die empirische Erfahrung aus weit mehr als 10.000 selbst geführten Prozessen; sie sind auch als Anregung gedacht, den herkömmlichen Zivilprozeß zu reformieren, können daher auch für die Reform des herkömmlichen Verfahrens Vorbild sein.
I. Vorbereitende Schriftsätze
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Die im Buch 1 Abschnitt 3 der Zivilprozeßordnung enthaltenden Regelungen sind
– abgesehen von den Regelungen zur Zustellung, zur Ladung, Termin- und Fristbestimmung und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand –
auf die mündliche Verhandlung ausgerichtet. Daß die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet wird bestimmt die Regelung des § 129 ZPO; den Inhalt Schriftsätze regelt § 130 ZPO nur rudimentär. Jenen historischen Hintergrund beschreibt Gottwald[9] wie folgt:
Die Zivilprozeßordnung von 1877 ist wesentlich durch den französischen Prozeß beeinflußt, wie er in Hannover bereits 1850 rezipiert wurde. In ihrer ursprünglichen Fassung war sie ganz von der liberalen Staatsauffassung geprägt. Die ZPO sollte den Ablauf eines Streits selbstverantwortlicher Parteien regeln, das Gericht diesem Streit in passiver Zurückhaltung gegenüberstehen und ihn als neutraler Dritter entscheiden. Diese Grundauffassung hat sich in der Praxis nicht bewährt. Mangelnde Konzentration des Verfahrens und ein schleppender Verfahrensgang waren die Folgen. Seit der österreichischen Zivilprozeßordnung von 1895 stehen die deutschen Reformen stärker unter der Idee, daß effektiver Rechtsschutz auch in Zivilsachen eine Gemeinschaftsaufgabe ist und der Richter Mitverantwortung für einen sachgerechten Prozeßausgang trägt. Als Folge dieser Ideen wurde die Dispositionsfreiheit der Parteien über den Prozeßablauf eingeschränkt, die Prozeßleitung des Gerichts verstärkt, der Verfahrensablauf konzentriert und … die Wahrheitspflicht der Parteien statuiert, die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstärkt und der Parteieid durch Parteivernehmung ersetzt.
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Begreift man effektiven Rechtsschutz auch in Zivilsachen als Gemeinschaftsaufgabe, muß die Prozeßordnung dafür Sorge tragen, daß die Ausgestaltung des Verfahrens den schonenden Umgang mit den Ressourcen der Justiz impliziert. Trägt der Richter Mitverantwortung für einen sachgerechten Prozeßausgang, muß er verfahrensleitend eingreifen können, wenn der Prozeßvortrag auszuufern droht. Er muß sich zudem frühzeitig den Sachverstand heranziehen können, um tatsächliches Vorbringen der Parteien durchdringen und im Anschluß daran die rechtliche Abschichtung des Prozeßstoffs vornehmen zu können. Historische Gegebenheiten haben die Parteien gehindert, den Prozeßstoff aufzublähen: Bei Inkrafttreten der Zivilprozeßordnung[10] mußten die Schriftsätze handschriftlich verfaßt werden; die Schreibmaschine hat sich erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts durchgesetzt.[11] Über den Inhalt und den Aufgabe der die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätze mußte die Zivilprozeßordnung im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens daher, wie in § 130 ZPO geschehen, kaum etwas regeln. Das gilt ebenfalls für in das Verfahrens einzuführende Urkunden: Die Fotografie stand bei Inkrafttreten der Zivilprozeßordnung