Vom Sinn eines Klausurenkurses im Sozialrecht
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Sozialrecht ist von großer praktischer Tragweite. Seiner erheblichen ökonomischen Bedeutung – fast als ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts wird in Deutschland für soziale Zwecke ausgegeben – entspricht sein rechtlicher Rang. Nahezu sämtliche Gerichtszweige (Sozial-, Verwaltungs-, Familien-, ordentliche oder Finanzgerichtsbarkeit) wie Verfassungsorgane – Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und das Bundesverfassungsgericht – sowie der Europäische Gerichtshof waren und sind permanent mit zentralen Fragen der sozialen Sicherheit befasst.
In der Universitätsausbildung steht die Vermittlung von Grundzügen des Sozialrechts im Mittelpunkt. Das Studium der Sozialgesetze geschieht dort allerdings global. Die Vorlesung dient der groben Orientierung im unermesslich weiten Feld des Sozialrechts. Weil aber alles Recht stets konkret ist, steht im Mittelpunkt der Juristenausbildung die Rechtsfindung im Einzelfall. Die Arbeit am konkreten Fall kann jedoch nur auf Grund eines soliden Überblicks über das Gesamtsystem des Rechts gelingen. Dafür fehlen an der Universität aber oftmals Zeit und Raum. Der vorliegende Klausurenkurs im Sozialrecht soll das vertiefte Studium des Sozialrechts im Rahmen der Schwerpunktausbildung begleiten und fördern.
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Das in Deutschland geltende Sozialrecht ist inzwischen nahezu vollständig im Sozialgesetzbuch kodifiziert. Derzeit wird das Recht der sozialen Entschädigung schrittweise in das SGB XIV überführt. Die einzelnen Bücher folgen in ihrer Anordnung deutscher Tradition. Die das Rechtsgebiet generell prägenden Grundsätze werden in mehreren allgemeinen Teilen (SGB I, SGB IV, SGB X) den Regelungen über die einzelnen Leistungszweige vorangestellt. Diese sind in den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuches getroffen. Für die Rechtsanwendung kommt es deshalb regelmäßig darauf an, die Gesamtheit der sozialrechtlichen Regeln bei der Lösung des einzelnen Falls zur Geltung zu bringen. Dies verlangt – ähnlich der Rechtsanwendung in StGB und BGB – nach einer Zusammenschau von Bestimmungen aus systematisch unterschiedlichen Teilen eines Gesetzbuches.
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Der Klausurenkurs soll in die Technik der Fallbearbeitung im Sozialrecht einführen und den Studierenden dieses Rechtsgebiet anhand von Beispielen näher bringen. Dabei werden die sozialrechtlichen Grundprobleme – nämlich die Frage nach dem sozialrechtlichen Schutz einzelner Personengruppen, der Definition einzelner sozialer Risiken und die Ausgestaltung einzelner Leistungen – an den erörterten Fällen illustriert. Die verfassungs- und europarechtlichen Überlagerungen des Sozialrechts werden in verschiedenen Beispielsfällen verdeutlicht.
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Sozialrechtliche Klausuren folgen – wie in anderen Rechtsgebieten – im Wesentlichen drei Aufgabentypen: erstens, der Anwaltsklausur. Bei ihr steht die Rechtsverwirklichung im Mittelpunkt. Es ist die Stichhaltigkeit der von einem Sozialleistungsträger getroffenen Entscheidung zu prüfen. Der zweite Typus ist die Richterklausur. Für ein erhobenes Rechtsschutzbegehren sind dessen Statthaftigkeit, Zulässigkeit und die Begründetheit aus richterlicher Perspektive zu würdigen. Es geht um die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Klage. Die Prüfung kann aber auch den Erfolgsaussichten von Widerspruch, Berufung oder Revision gelten. Als letzter Typus kommt eine Klausur aus der Perspektive des Normanwenders in Betracht. Bei dieser aus dem Blick von Exekutive, Legislative oder Judikative erhobenen Frage ist zu prüfen, ob bestehendes oder zu schaffendes Recht mit höherrangigen Normen – namentlich Gesetzes-, Verfassungs- und Europarecht – in Einklang steht. Wegen der Unterschiedlichkeit der Aufgabenstellungen sind auch unterschiedliche Prüfungswege vorgezeichnet. Bei der Anwaltsklausur sind zunächst die materielle Rechtslage und danach die Möglichkeiten prozessualer Durchsetzung zu untersuchen. In der Richterklausur sind zunächst Statthaftigkeit und Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs zu klären; daran schließt die materiell-rechtliche Prüfung an. Bei der Normanwendungsklausur sind beide Wege möglich und sinnvoll.
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