Praxiswissen für Kommunalpolitiker. Franz Dirnberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Dirnberger
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783782506281
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eines Zweckverbandes kann auch durch die zuständige Aufsichtsbehörde erfolgen, wenn die Erfüllung einer Pflichtaufgabe aus Gemeinwohlgründen zwingend erforderlich ist (Art. 28 KommZG).

      In den 70er-Jahren fand in Bayern die Gebietsreform statt. Ziel war es, leistungsfähige, finanziell abgesicherte Verwaltungseinheiten zu schaffen. Um den Gemeinden weitgehend ein „Überleben“ zu sichern, wurde die „Verwaltungsgemeinschaft“ eingeführt. In der Verwaltungsgemeinschaft werden benachbarte, selbstständige Gemeinden mit einer gemeinsamen Verwaltungsstelle ausgestattet, d. h., jede Gemeinde behält ihren Gemeinderat und Bürgermeister. Bei der Vorbereitung und dem Vollzug gefasster Beschlüsse bedient sich die jeweilige Gemeinde der personellen und sächlichen Ausstattung der Verwaltungsgemeinschaft. Bestimmte Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises, wie z. B. Passwesen werden vom Personal der Verwaltungsgemeinschaften erledigt.

      Im Übrigen entscheidet für den eigenen Wirkungskreis die jeweilige Kommune. Nähere Regelungen finden sich in der Verwaltungsgemeinschaftsordnung (VwGemO).

      Für Betrieb und Unterhalt sowie Verwaltungspersonal ist die Verwaltungsgemeinschaft zuständig. Als juristische Person des öffentlichen Rechts handelt die Verwaltungsgemeinschaft im Rahmen ihrer Zuständigkeit durch den Verbandsvorsitzenden und die Verbandsversammlung. Letztere setzt sich aus den Bürgermeistern der Mitgliedsgemeinden und weiteren entsandten Gemeinderäten zusammen. Die Verwaltungsgemeinschaft finanziert sich aus Finanzzuweisungen und einer Umlage, die von den Mitgliedsgemeinden erhoben wird.

      In den späten 90ern, aber auch oder gerade in der Zeit der wirtschaftlichen Rezession bis 2005 wurden – vor allem aus der Privatwirtschaft – sogenannte Public-Private-Partnership-Modelle als großer Befreiungsschlag und Wunderwaffe gegen jeden Liquiditätsengpass verkauft.

      Vgl. hierzu auch Teil 7 Kapitel 5.

      Beispiel:

      Die Gemeinde Börberg muss die Kläranlage sanieren. Kosten ca. 8 Mio. €. Das Geld ist nicht vorhanden, die Bürger der finanzschwachen Kommune sind ohnehin schon arg belastet. Die Pflichtaufgabe der Sanierung muss sichergestellt werden. Da bietet ein Privatinvestor an, die Sanierung der Anlage auf eigene Kosten durchzuführen. Er würde dann die Anlage gegen eine laufende Entschädigung zur Verfügung stellen und sogar, wenn dies gewünscht sei, den Betrieb übernehmen. Das Ganze würde dann nicht 8 Mio., sondern nur 7,5 Mio. € kosten.

      Warum, fragt der geneigte Leser, schlagen da die Gemeinderäte nicht sofort zu? 500.000 € weniger an Belastung ist ja kein Pappenstiel.

      Verlockend, zugegeben, aber die Tücke liegt im Detail! Zunächst gilt der Grundsatz: Der Private will und muss verdienen, die öffentliche Hand muss „nur“ kostendeckend arbeiten. Aber wenn der Private verdienen muss und trotzdem billiger ist, dann gilt offenbar doch die Vermutung, dass die öffentliche Hand unfähig ist wirtschaftlich zu handeln! Diese Einschätzung ist schlicht falsch! Einzuräumen ist zunächst, dass die öffentliche Hand z. B. anders als private Bauherren strikt an Vergaberecht gebunden ist. Ein Nachverhandeln von Angeboten ist für einen Privaten üblich, der Gemeinde aber meist verwehrt. Allein darin liegt erhebliches Sparpotenzial, das die Gemeinde eben wegen der strikten Bindung an bestimmte Verfahrensweisen nicht verwirklichen kann.

      Eine weitere, ja entscheidende Frage ist, ob das Angebot des Privaten auch tatsächlich das wirtschaftlichere ist. Bekommt die Gemeinde etwa keinen oder einen lediglich gekürzten Staatszuschuss für die Maßnahme, wenn sie einen Privaten beauftragt, kann das vermeintlich günstigere Geschäft schnell zum Bumerang werden. Was, wenn die Firma während des Baus insolvent wird?

      Da die geschuldeten Vergütungen für die erbrachte Leistung in der Regel Betriebsausgaben, damit Teil des kommunalen Verwaltungshaushaltes sind, erweisen sich PPP-Modelle zudem für haushaltsschwache Kommunen von vornherein als untauglich. Denn damit wird der ohnehin schon angespannte Haushalt zusätzlich belastet und ggf. sogar die dauerhafte Leistungsfähigkeit gefährdet. Ein entsprechender Haushalt wäre also möglicherweise gar nicht genehmigungsfähig!

      Fazit: Es gilt: Es prüfe genau, wer sich auf Dauer bindet. Die höchst komplexen Zusammenhänge und Vertragsgrundlagen für derartige Kooperationen bedingen grundsätzlich die Einschaltung von Experten. Sofern ein PPP-Angebot tatsächlich bei Abwägung aller relevanten Punkte wirtschaftlicher ist gilt allerdings: Zuschlagen und machen!

      So sinnvoll und kostensparend ein Denken und Handeln jenseits des Kirchturmes wäre, so schwierig ist allerdings die Realität. Sicher gibt es einige ermutigende Beispiele, vor allem im Bereich der integrierten ländlichen Entwicklung. Aber dauerhaft funktionierende und belastbare Partnerschaften im Sinne eines arbeitsteilig synergetischen Zusammenwirkens sind selten.

      Woran liegt das?

      Zum einen an der Tatsache, dass das Verlassen eintrainierter und überkommener Verhaltensweisen schwer ist. Zum anderen daran, dass in der politischen Wahrnehmung Zusammenarbeit oft als politische Unfähigkeit oder Schwäche fehlinterpretiert wird. Zum Dritten, dass keiner etwas aufgeben und als Verlierer dastehen will.

      Zum Vierten, dass die Partner einer möglichen Zusammenarbeit wirtschaftlich oder finanziell zu unterschiedlich strukturiert sind.

      In den aller meisten Fällen lässt sich ein Scheitern oder Nichtverfolgen kommunaler Partnerschaften aber immer darauf zurückführen, dass die politischen Akteure, seien es die Bürgermeister, die Stadträte oder die Bürger selbst nicht miteinander können oder wollen.

      Das bedeutet aber keinesfalls, dass interkommunale Zusammenarbeit von vorneherein eine Todgeburt oder ein Placebo wäre, das sich auf den Bau von Radwegen oder gemeinsame Kulturveranstaltungen beschränkt! Kommunale Zusammenarbeit kann im Sinne der Bürger viel erreichen. Aber der Boden muss bereitet werden. Das ist schwer und braucht einen sehr langen Atem. Kommunale Zusammenarbeit funktioniert vor allem dort, wo die Akteure sie wollen. Kommunale Zusammenarbeit funktioniert, wo für die Beteiligten Win-win-Situationen entstehen.

      Der Staat hat längst erkannt, dass Allianzen bestimmte Aufgaben schneller und besser und billiger für die Bürger erbringen können. Das ist auch der Grund, warum in vielen Förderprogrammen mittlerweile ein Sonderbonus, also mehr Geld gewährt wird, wenn ein Projekt als interkommunales umgesetzt wird.

      Die digitale Gesellschaft macht nicht vor den Toren der Kommunalverwaltung halt. Es ist einer der herausragenden change management Prozesse, der den Gemeinden bevorsteht. Gemeint ist der Sprung ins digitale Zeitalter. Dabei geht es nicht um die Transformation analoger in digitale Arbeitsprozesse. Die digitale Verwaltung der Zukunft muss völlig neu gedacht und strukturiert werden und es wird zu Systembrüchen kommen, wenn Entscheidungsprozesse tatsächlich digital stattfinden.

      Das beginnt bei so einfachen Dingen wie der eindeutigen Identifizierung von Antragstellern im elektronischen Verfahren, betrifft sichere Signaturen und sichere Datenverarbeitung. Einer der größten Fallstricke sind die höchst unterschiedlichen und z.T. inkompatiblen Verarbeitungssysteme, die aktuell genutzt werden. Die Kehrseite des Föderalismus ist unsere Vielteiligkeit, ist das Problem, dass es anders als in Dänemark oder Litauen eben keine einheitlich und zentral gesteuerten Vorgaben für eine landeseinheitliche DV-Struktur gibt. So erklärt sich auch, dass die Industrienation Deutschland im Bereich der digitalen Transformation einen schlechten Platz im hinteren Drittel der europäischen Länder einnimmt.

      Im Bereich der Kommunalverwaltung ist es schwer, aktuell Empfehlungen auszusprechen, denn die Umstellungen sind teuer und auf das falsche Pferd ist mangels einheitlicher Normierung schnell gesetzt. Es bleibt daher strategisch abzuwarten, ob die Arbeitsergebnisse des E-Government-Pakts und Online-Zugangsgesetzes zu eindeutigen Handlungsempfehlungen