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Sinnvoll kann es schließlich sein, auch noch nach Vollzug mit den dann bestehenden erweiterten Möglichkeiten als Gesellschafter eine – ergänzende – Compliance Due Diligence bei der Zielgesellschaft durchzuführen. So kennen sowohl der UK Bribery Act als auch die Regierungsrichtlinien des Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) eine Durchgriffshaftung des Erwerbers (Successor Liability), wenn er nicht nachweisen kann, die Zielgesellschaft hinreichend im Rahmen der Due Diligence auf Compliance-Verstöße geprüft und die Compliance-Organisation der Zielgesellschaft hinreichend in die eigene Compliance-Organisation integriert zu haben. Sie kann bei hinreichendem US- bzw. UK-Bezug468 auch einen deutschen Erwerber treffen. Eine Tathandlung nach dem FCPA muss zur Förderung von Korruptionszahlungen beim Aufenthalt auf dem Hoheitsgebiet der Vereinigten Staaten von Amerika vorgenommen werden oder auch nur die USA betreffen.469 Die Handlung gilt bereits dann als in den USA begangen, wenn eine von vielen Handlungen in den USA stattfindet, die zusammen zur bezweckten Amtstätigkeit führen.470 Für den US-Bezug und damit eine Strafbarkeit nach dem FCPA genügen vergleichsweise kleine Berührungspunkte. Übergeordnete Kriterien für die umfassten Handlungen sind nicht auszumachen, vielmehr beschränkt sich die Literatur auf die Darstellung von Beispielen, die als Tathandlungen ausreichen sollen. Dazu gehören folgende Tätigkeiten:
– Absenden einer E-Mail aus den USA,471 senden einer E-Mail durch die USA und E-Mail-Verkehr mit Empfängern, die sich in den USA aufhalten,472
– Führen eines Telefongesprächs innerhalb der USA,473
– Überweisung von Geld durch eine US-Bank,474
– Geldtransfer über ein Konto der USA.475
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Der Käufer kann diese Successor Liability nach dem FCPA beschränken oder ausschließen, indem er die Zielgesellschaft (praktisch aufbauend auf die Erkenntnisse der Due Diligence) auf Schwachstellen überprüft (Gap Analysis) und erkannte Schwachstellen beseitigt (Remediation).476 Zudem sind die Zielgesellschaft und deren Geschäftsleitung (ohnehin) nach deutschem Recht verpflichtet, Verdachtsfälle aufzuklären, Verstöße abzustellen und zu ahnden. Sollte eine Due Diligence Anhaltspunkte für solche Verdachtsfälle ergeben haben, erscheint auch aus diesem Grunde eine vertiefte Prüfung nach Closing angezeigt. Erfolgt sie innerhalb unternehmenskaufvertraglich vereinbarter Verjährungsfristen, mögen die Sachverhaltsfeststellungen auch Grundlage für Ansprüche aus Garantieverletzungen sein.
293 Berens/Strauch, in: Berens/Brauner/Strauch/Knauer, Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 5ff. 294 Fleischer/Körber, BB 2001, 841. 295 Schiessl, in: FS Wegen, S. 313, 321f. 296 Dies wird vertragstechnisch durch Aufnahme einer Vollzugsvoraussetzung erreicht, nach der der Käufer nur bei einem für ihn zufriedenstellenden Ergebnis der Confirmatory Due Diligence vollziehen muss, vgl. Henle, in: Jaletzke/Henle, M&A Agreements in Germany, S. 90f. 297 Vgl. von Falkenhausen, NZG 2015, 1209ff.; Greitermann/Funk, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 691. 298 Berens/Strauch, WPg 2002, 511, 517, 524. 299 Hasenauer/Stingl, Due Diligence, II. F. 2, S. 76f. 300 Greitermann/Frank, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 780. 301 Meurer, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 5 Rn. 1. 302 Dazu unten Rn. 891. 303 Dazu unten Rn. 885. 304 So etwa Merkt, BB 1995, 1041, 1047; die Möglichkeit einer Verkehrssitte nicht ausschließend: Greitermann/Frank, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 728; LG Berlin, Urt. v. 1.2.2005 – 5 O 176/04, juris, Rn. 168; OLG Oldenburg, Urt. v. 22.6.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434, 436. 305 Dazu Lampen/Roth, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 16 Rn. 108. 306 So die herrschende Meinung, vgl. etwa Beisel, in: Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, § 2 Rn. 9f. m.w.N. 307 Dazu unten Rn. 1030, 1048, 1159ff. 308 Damit ist hier und im Folgenden der Oberbegriff für Geschäftsführer und Vorstand gemeint. 309 So die herrschende Meinung, vgl. nur Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 23; Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 111f.; a.A.: BGH, Urt. v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, NJW 1977, 2311, 2312f.; OLG Oldenburg v. 22.6.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434, 435 (Pflicht zur Due Diligence bei beabsichtigtem Erwerb einer insolvenzreifen Klinik); LG Hannover, Urt. v. 23.2.1977 – 1 0.123/75, AG 1977, 198, 200; LG München, Urt. v. 15.10.2010 – 5 HK O 2122/09, ZIP 2010, 2451: jedenfalls bei einem Transaktionsvolumen von 5,7 Mrd. EUR; LG Frankfurt, Urt. v. 7.10.1997 – 3/11 O 44/96, WM 1998, 1181, 1185. 310 BGH, Beschl. v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361. 311 BGH, Urt. v. 12.10.2016 – 5 StR 134/15, NJW 2017, 578, 580; vgl. auch Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 110. 312 Dazu Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 113. 313 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 23 (Abwägung zwischen Transaktionsgenauigkeit, Preis und anderen Konditionen). 314 Etwa abgeleitet aus der Weigerung der Zielgesellschaft/des Verkäufers, dem Käufer eine Due Diligence zu ermöglichen, vgl. dazu Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 112. 315 Ähnlich Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 23 (Abwägung zwischen Transaktionsgenauigkeit, Preis und anderen Konditionen); Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 112 (der dies allerdings im Rahmen einer theoretischen Kontrollüberlegung erwägt). 316 Meurer, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 6 Rn. 12. 317 So Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 23. 318 Lang/Balzer, WM 2012, 1167, 1168f.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, Rn. 20; so auch Bauer, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 203 319 Hohaus/Kaufhold, BB 2015, 709, 710. 320 Hohaus/Kaufhold, BB 2015, 709, 710; Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 113. 321 Goette, DStR 2014, 1776, 1779; Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 113. 322