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Bzgl. des Verkäufers ist zu beachten, dass dieser nicht als Verantwortlicher angesehen wird, da die personenbezogenen Daten der Zielgesellschaft zugeordnet werden und diese daher datenschutzrechtlich verantwortlich für die personenbezogenen Daten ist. Daher dürften die Informationspflichten nach Art. 13, 14 DSGVO primär die Zielgesellschaft treffen.
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Praxistipp:
Auch angesichts der unklaren Rechtslage, ob durch die Offenlegung personenbezogener Daten Benachrichtigungspflichten ausgelöst werden, empfiehlt es sich, solche Daten, wenn ihre Offenlegung für den Abschluss der Transaktion wichtig ist, so spät wie möglich im Rahmen der Due Diligence zur Verfügung zu stellen und die Entscheidung sorgfältig zu dokumentieren.
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Es empfiehlt sich schließlich, dass die Verantwortlichen bei Verkäufer und Zielgesellschaft die von ihnen im Zusammenhang mit der Offenlegung und einer unterbliebenen Benachrichtigung potenziell Betroffener angestellten Erwägungen schriftlich dokumentieren, um damit den Vorgaben des Art. 5 Abs. 2 DSGVO zu genügen.420
(d) Kartellrechtliche Verpflichtungen
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Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, ob es im Rahmen der Due Diligence zur Offenlegung wettbewerblich sensibler Daten an einen Wettbewerber (als Bieter) und damit zum Austausch wettbewerblich relevanter Informationen mit diesem kommen kann.421 Darin kann ein Verstoß gegen das fusionskontrollrechtliche Vollzugsverbot (Gun Jumping) und ein Verstoß gegen das Kartellverbot liegen.422
(e) Kapitalmarktrechtliche Grenzen
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Schließlich kommen u.U. kapitalmarktrechtliche Grenzen in Betracht und stellen Anforderungen an die Durchführung der Due Diligence.
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Diese Anforderungen hat in erster Linie ein Aktienemittent zu beachten, der einen Geschäftsbereich oder eine Tochtergesellschaft verkauft. Sie können aber auch etwa bei einer GmbH relevant werden, die Schuldtitel emittiert hat und einen Geschäftsbereich oder eine Tochtergesellschaft verkauft.
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Praktische Bedeutung können im Rahmen einer Due Diligence aus Verkäufersicht insbesondere sog. Insiderinformationen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 a) MAR haben, deren Offenlegung im Datenraum beabsichtigt ist. Denn nach Art. 14 c) MAR ist die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen verboten. Verstöße gegen Art. 14 MAR können nicht nur zivilrechtliche, sondern auch straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen Art. 14 MAR kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden (§ 119 Abs. 3 WpHG i.V.m. § 15 StGB). Ein leichtfertiger Verstoß stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die bei juristischen Personen mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 15 Mio. oder, sofern höher, 15 % des Gesamtumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres sanktioniert werden kann (§§ 120 Abs. 14, 18 Satz 1 Nr. 1 WpHG und § 30 OWiG).
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Während die Prüfung und Vermeidung potenzieller Verstöße gegen das Datenschutzrecht, gegen vertragliche Vertraulichkeitsverpflichtungen oder kartellrechtliche Schranken der Informationsweitergabe quasi zum täglichen Brot bei der Vorbereitung einer Due Diligence gehören, ist die Wahrscheinlichkeit, unrechtmäßig Insiderinformationen offenzulegen, in der Praxis deutlich geringer.423 Das liegt insbesondere an den Anforderungen, die an Insiderinformationen gestellt werden. Es muss sich nach Art. 7 Abs. 1 a) MAR verkürzt zusammengefasst nämlich um nicht öffentlich bekannte, präzise Informationen handeln, die direkt oder indirekt einen Emittenten betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs der vom Emittenten ausgegebenen Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.
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Die beabsichtigte Transaktion als solche kann eine Insiderinformation sein. Allerdings wird in der Praxis zumindest dann, wenn ein größerer Verkaufsprozess initiiert wird, diese Absicht oft bereits vor Beginn der Due Diligence öffentlich bekannt gemacht worden sein.
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Bei Informationen, die in den Datenraum eingestellt werden, kann es sich ebenfalls um Insiderinformationen handeln. Dies sollte bei der Vorbereitung des Datenraums nicht zuletzt angesichts der empfindlichen Strafen oder Geldbußen, die drohen können, auch sehr sorgfältig geprüft werden. Oft dürften aber in dem hier relevanten privaten M&A-Umfeld, wenn eine Emittentin einen Geschäftsbereich oder eine Tochtergesellschaft verkauft, diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Das liegt zum einen daran, dass sie oft nicht geeignet sind, den Kurs des Emittenten erheblich zu beeinflussen. Zum anderen sind Insiderinformationen nach Art. 17 MAR unverzüglich zu veröffentlichen. Die Emittentin darf sich nach Art. 17 MAR nur vorübergehend von der Verpflichtung zur Veröffentlichung selbst befreien. Daher sind Informationen im Datenraum, die ausnahmsweise grundsätzlich als Insiderinformationen qualifizieren, dies nur für einen kurzen Zeitraum.
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Gibt es doch ausnahmsweise Insiderinformationen, die einem potenziellen Erwerber im Rahmen der Due Diligence offengelegt werden sollen, stellt sich zunächst die Frage, ob dies „unbefugt“ im Sinne des Art. 14 MAR geschieht. Da für einen erfolgreichen Verkauf gerade auch die Offenlegung von Insiderinformationen im Rahmen einer Due Diligence unerlässlich ist, weil vermutlich kein Erwerber ohne ihre Kenntnis die Zielgesellschaft kaufen würde, sieht die herrschende Meinung eine Offenlegung im Rahmen der Due Diligence als zulässig an.424 Deshalb kommt es auf eine Abwägung, die bei einer unbefugten Weitergabe im Sinne des Art. 14 MAR nach Art. 10 MAR diese ausnahmsweise rechtfertigen kann,425 regelmäßig nicht an.426 In der Praxis werden in solchen Fällen Vertraulichkeitsvereinbarungen abgeschlossen, in denen sich der potenzielle Erwerber verpflichtet, die ihm zur Verfügung gestellten Insiderinformationen nicht für solche Zwecke zu verwenden, die gegen geltendes (Insiderhandels-)Recht verstoßen.
3.7.5 Vorvertraglicher Auskunftsprozess, begleitende Expertengespräche, Managementpräsentationen und Standortbesichtigungen
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Begleitet wird die Due Diligence regelmäßig von einem vorvertraglichen Auskunftsprozess (Q&A-Process), begleitenden Expertengesprächen (Expert Sessions), Managementpräsentationen (Management Presentations) und – je nach Branche – Standortbesichtigungen (Site Visits).
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