– (ii) die Ermittlung eines aus Sicht des Käufers angemessenen Kaufpreises,
– (iii) die Gestaltung und Verhandlung des Unternehmenskaufvertrags,
– (iv) die Beweissicherung (Nachweis, dass bestimmte Informationen nicht offengelegt wurden) und ggf. auch schon
– (v) die spätere Führung der Geschäfte der Zielgesellschaft301 und ggf. Integration im Konzern des Käufers.
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Im Rahmen der Punkte (ii) und (iii) ist Gegenstand der Due Diligence die Ermittlung der Chancen und Risiken der Zielgesellschaft. Verzahnt werden die Due Diligence-Ergebnisse zu möglichen Risiken im Unternehmenskaufvertrag vor allem durch die Garantien und Freistellungen. Dort, wo der Käufer aufgrund der Due Diligence berechtigterweise den Eindruck haben kann, umfassend mit Informationen ausgestattet worden zu sein, wird er auf besonders engmaschige Garantien302 weniger Wert legen. Dort, wo er konkrete bezifferbare Risiken erkannt hat, wird er sie einpreisen. Dort, wo er konkrete, noch nicht materialisierte und bezifferbare Risiken erkannt hat, wird er – wenn diese Risiken eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung haben – die Aufnahme von Freistellungen303 verhandeln wollen.
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Der Verkäufer verfolgt mit der Ermöglichung der Due Diligence insbesondere die Zwecke:
– (i) den Verkauf durch einen marktgerecht gestalteten Prozess zu ermöglichen und optimale Verkaufsbedingungen zu schaffen,
– (ii) selbst frühzeitig Chancen und insbesondere Risiken zu erkennen, um so damit im Verkaufsprozess optimal umgehen zu können,
– (iii) seine gesetzlichen Aufklärungspflichten zu erfüllen (str.),
– (iv) durch das frühzeitige Erkennen von Chancen und Risiken die Abgabe von Garantien „ins Blaue hinein“, die von der wohl herrschenden Meinung als vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung angesehen werden, zu vermeiden und
– (v) später nachweisen zu können, welche Informationen er offengelegt hat.
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Ob eine durch den Käufer unterlassene Due Diligence im Sinne des § 442 Abs. 1 BGB per se,304 nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen,305 oder gar nicht grobe Fahrlässigkeit begründet,306 ist praktisch kaum relevant, weil in modernen Unternehmenskaufverträgen unter weitestmöglicher Abbedingung (nach § 276 Abs. 3 BGB und § 444 BGB nicht möglich für Vorsatz und Arglist) der gesetzlichen Vorschriften ein eigenes Haftungsregime etabliert wird. Entscheidend ist vielmehr, welche Konsequenzen der Unternehmenskaufvertrag vorsieht.307
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Von dieser möglicherweise bestehenden kaufrechtlichen Obliegenheit des Käufers zu unterscheiden sind die gesellschaftsrechtlichen Fragen, (a) ob die Organe einer deutschen Käufergesellschaft gesellschaftsrechtlich verpflichtet sind, die Entscheidung über den Erwerb eines Unternehmens nur auf Basis einer Due Diligence zu treffen, (b) in welchem Umfang und welcher Tiefe das zu geschehen hat und (c) in welchem Umfang und in welcher Tiefe der Geschäftsleiter308 die Informationen aus der Due Diligence höchstpersönlich aufgenommen haben muss.
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Eine Pflicht, per se eine Due Diligence durchzuführen, ist abzulehnen.309 Vielmehr gelten auch für diese Entscheidung die Grundsätze der Business Judgement Rule. Danach liegt bei einer unternehmerischen Entscheidung eine Pflichtverletzung dann nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dafür muss er nach einer vom BGH in ständiger Rechtsprechung entwickelten Formel alle in der konkreten Entscheidungssituation verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpfen und auf dieser Grundlage die bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung tragen.310 Dabei wird dem Vorstand vom BGH allerdings ein dem konkreten Einzelfall angepasster Spielraum zugestanden, den Informationsbedarf zur Vorbereitung seiner unternehmerischen Entscheidung selbst abzuwägen und dabei die Faktoren Zeit, Kosten und Nutzen und die Bedeutung der Entscheidung aus Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters zu berücksichtigen.311 Eine angemessene Informationsgrundlage dürfte regelmäßig nicht vorliegen, wenn gar keine Due Diligence durchgeführt wurde. Das gilt aber nicht absolut. Etwas anderes kann durchaus gelten, wenn im Einzelfall die – sorgfältig zu dokumentierende – Abwägung zwischen Preis, anderen Konditionen, vertraglich begründeten Sicherungsmechanismen312 einerseits und denkbaren Risiken aus der unterlassenen Prüfung313 oder Verdachtsmomenten314 andererseits ausnahmsweise für einen Erwerb ohne vorherige Due Diligence spricht.315 An eine solche Abwägungsentscheidung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Auch eigene anderweitige Sachkenntnisse der Organmitglieder können ausnahmsweise ausreichen und eine Due Diligence ausnahmsweise entbehrlich erscheinen lassen.316 Ob Eilentscheidungen ohne vorherige Due Diligence möglich bleiben müssen,317 erscheint fraglich. Selbst bei größter Eile, die bei einem Vorgang wie einem Unternehmenskauf denkbar erscheint, dürfte zumindest eine eingeschränkte Due Diligence auf Basis öffentlich verfügbarer Informationen (sog. Desk-Top-Review oder Outside-In-Review) möglich und gesellschaftsrechtlich erforderlich sein. Dies ist letztlich aber eine Frage des Einzelfalles.
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Hinsichtlich des Umfangs und der Tiefe der Due Diligence sind die Entscheidungsspielräume deutlich größer. Nach der ständigen BGH-Formel zur Business Judgement Rule sind zwar „alle verfügbaren Informationen“ heranzuziehen. Allerdings bezieht sich dies auf die in der konkreten Entscheidungssituation verfügbaren Informationen. Dies wird man dahingehend interpretieren können, dass die Informationen ausreichen, die angesichts der konkreten Entscheidungssituation, namentlich der Tragweite und der Eilbedürftigkeit als angemessen erscheinen können.318 Strategische Käufer mit einschlägigen tiefen Branchen- und Marktkenntnissen kommen (etwa im Vergleich zu Finanzinvestoren, die weniger tiefe Branchen- und Marktkenntnisse durch Garantien des Managements der Zielgesellschaft kompensieren)319 oft mit weniger umfangreichen und weniger tiefen Due Diligence-Prüfungen aus.320 Ist ein Erwerb aus der Insolvenz geplant, bei der der Insolvenzverwalter als Verkäufer regelmäßig nur vertraglichen Mindestschutz bietet, ist regelmäßig eine intensivere Due Diligence geboten.321 Gibt es objektive Gründe für besondere Eile und einen straffen Zeitplan, rechtfertigt dies eine bewusste Hinnahme von Informationslücken auch im Rahmen einer Due Diligence.322 Was das im konkreten Fall bedeutet, bedarf genauer Analyse im Einzelfall. Als Daumenregel wird man sagen können: Je problematischer und komplexer die Zielgesellschaft und je bedeutender die Transaktion für die Käufergesellschaft ist, desto höher sind die Anforderungen an die Due Diligence. Je stärker der Umfang der für die Due Diligence offengelegten Informationen hinter dem Üblichen zurückfällt, desto größer ist die Anforderung an die Dokumentation der Entscheidung, dennoch zu erwerben.323
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Die so in der Due Diligence gewonnenen Informationen muss der Vorstand zumindest in Form von schriftlichen und mündlichen Zusammenfassungen aufnehmen, also zur Kenntnis nehmen und zum Bestandteil seiner Entscheidung machen. Zudem muss ihm möglich sein, im Bedarfsfall unmittelbare Informationsquellen wie Due Diligence-Berichte oder den jüngsten Entwurf des Unternehmenskaufvertrags zu lesen und Experten zu befragen.324 Mit zunehmender Bedeutung der Transaktion für die Käufergesellschaft wächst die Granularität, mit der der Vorstand Informationsquellen selbst studieren muss. So kann bei besonders wichtigen und großen Transaktionen ausnahmsweise erforderlich werden, dass der Vorstand Due Diligence-Berichte und andere Transaktionsdokumente selbst vollumfänglich aufnimmt.325
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