c.„Keine Strafe ohne Gesetz“
Lässt sich ein Verhalten unter kein (zum Tatzeitpunkt geltendes) Gesetz subsumieren, ist es straflos. Denn es gilt der eherne Grundsatz: Keine Strafe ohne Gesetz! Dies findet sich auch ausdrücklich in § 1 StGB, folgt aber auch aus der Idee des Rechtsstaats. Nachträglich geschaffene Straftatbestände, die ein zur Tatzeit noch strafloses Verhalten erfassen würden, können daher auch nicht rückwirkend angewandt werden, sondern nur für Täterverhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem die neue Norm in Kraft tritt. Es gilt also auch ein Rückwirkungsverbot. Der Sinn ist, dass der Bürger immer sicher wissen können muss, was er jetzt und hier darf und was unter Strafe verboten ist. Rückwirkende „Überraschungen“ darf es daher nicht geben.
d.Gutachtenstil
Die Abarbeitung des Prüfungsschemas erfolgt in einem bestimmten, streng festgelegten Aufbau und Stil, der Gutachtenstil heißt.
Der Stil verlangt die Prüfung auf folgende Art in vier Schritten:
•Hypothese: Hier benennen Sie das Tatbestandsmerkmal, unter das Sie subsumieren wollen.•Definition: Hier stellen Sie dar, wie das Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist.•Subsumtion: Hier erfolgt dann die eigentliche Prüfung, ob das Sachverhaltselement dem Tatbestandsmerkmal entspricht.•Ergebnis: Hier stellen Sie fest, ob das Tatbestandsmerkmal erfüllt ist oder nicht.
Im „Briefkasten-Fall“ aus dem Beginn des Buches klingt dies dann so (was kursiv und in Anführungszeichen ist, ist im Folgenden das, was Sie in der Klausur hinschreiben würden, wenn auch dort natürlich ohne Anführungszeichen):
„Der B könnte sich einer Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB strafbar gemacht haben, indem er den Briefkasten des S demoliert hat.“
Das ist die Einleitung der Prüfung des Straftatbestands, also hier der Sachbeschädigung. Sie nennen das Delikt mit Paragrafennummer und mit der Bezeichnung sowie – mit nur einem Satz – was passiert ist.
Sodann beginnen Sie mit dem Abarbeiten des Prüfungsschemas von oben nach unten, also zunächst mit dem objektiven Tatbestand. Sie schreiben als (Zwischen-)Überschrift:
„Objektiver Tatbestand:“
Hier genügt dieses Schlagwort ohne Fließtext.
Sodann sind die Tatbestandsmerkmale durchzuprüfen – und dies nun nacheinander für jedes Merkmal im Gutachtenstil, also im Fließtext der oben beschriebenen Art.
„Der Briefkasten müsste eine Sache gewesen sein.“
Das ist im Fall für das erste Tatbestandsmerkmal, dass Sie prüfen – Sache – die Hypothese, die Sie klären wollen.
„Sachen sind körperliche Gegenstände.“
Das ist die Definition des Begriffs „Sache“.
„Der Briefkasten war aus festem Material und somit ein körperlicher Gegenstand.“
Das ist ihre Subsumtion. Hier ist diese denkbar einfach.
In Prüfung und Praxis können hier aber erhebliche Probleme liegen, die es zu lösen gilt; dazu später mehr. Schon hier aber ein wichtiger Hinweis: Die Subsumtion darf sich nicht einfach in einer Wiederholung der Definition erschöpfen! Es wäre zu wenig, einfach nur zu schreiben: „Der Briefkasten war ein körperlicher Gegenstand“. Sie müssen vielmehr – und sei es auch kurz – erläutern, warum das TB-Merkmal erfüllt ist (bzw. nicht erfüllt, wenn dies der Fall sein sollte).
„Der Briefkasten war eine Sache.“
Das ist im Fall das Ergebnis zur Prüfung dieses Tatbestandsmerkmal.
Sie gehen dann zum nächsten Tatbestandsmerkmal über:
„Der Briefkasten müsste für B fremd gewesen sein.“ (Hypothese)
„Fremd ist eine Sache, die dem Täter nicht oder nicht alleine gehört.“ (Definition)
„Der Briefkasten gehörte dem S.“ (Subsumtion)
„Der Briefkasten war für B fremd.“ (Ergebnis der Prüfung dieses Tatbestandsmerkmales)
„B müsste den Briefkasten beschädigt haben.“ (Hypothese zum nächsten Tatbestandsmerkmal)
„Beschädigen ist jede Verletzung der Sachsubstanz oder jede dauerhafte Einschränkung der Brauchbarkeit.“ (Definition)
„B hat den Briefkasten zerbeult und damit die Sachsubstanz verletzt.“ (Subsumtion)
„B hat den Briefkasten beschädigt.“ (Ergebnis)
„B hat den objektiven Tatbestand des § 303 StGB erfüllt.“ (Gesamtergebnis Ihrer Prüfung aller Tatbestandsmerkmale)
Beachte noch mal: Die Klammerzusätze dienen nur der Erläuterung, schreiben müssten Sie hier nur das, was kursiv gesetzt ist!
Woher stammen nun die Definitionen?
Teils stammen sie aus dem Gesetz. Ein Beispiel: „Sache“ ist in § 90 BGB legal (also: durch das Gesetz) definiert. Solche „Legaldefinitionen“ sind aber sehr selten.
Im Regelfall „entstehen“ die Definitionen aus der Auslegung der Norm durch die Strafgerichte oder durch die Rechtswissenschaft.
Sie werden alle fürs Pflichtstudium nötigen Definitionen im Buch erhalten. Sie müssen sie nur auswendig lernen!
Auch wenn das Lernen strafrechtlicher Definitionen eine nicht nur unwesentliche Mehrarbeit in Ihrem Studium bedeutet, ist es nicht nur zum Erfolg in der Klausur notwendig. Es ist auch für die genaue Einordnung von strafrechtlichen Sachverhalten in der polizeilichen Praxis mehr als hilfreich. Oft unterscheiden Nuancen in Definitionen zwischen strafbarem Handeln und zivilrechtlichen Streitigkeiten oder auch strafbarem und schlicht erlaubtem Handeln. Also gilt – einmal mehr –: Lernen lohnt sich! Denn Sie lernen sie fürs (Berufs-)Leben.
Beachte: Mit der beschriebenen Technik können Sie nun einzelne Straftatbestände prüfen. Wie ein kompletter Fall aufzubauen ist, dazu später mehr.
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