Kompaktlehrbuch mit Praxistipps
Prof. Dr. Bijan Nowrousian
Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW
Luca Bahne
Polizeikommissar z. A.
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Print-ISBN 978-3-415-07128-5
E-ISBN 978-3-415-07130-8
© 2022 Richard Boorberg Verlag
E-Book-Umsetzung: abavo GmbH, Buchloe
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Vorwort
Statt eines Vorwortes: Gebrauchsanweisung zum Arbeiten mit dem Buch
Der reguläre Text: Strafrecht …
Das Buch enthält über den regulären Text hinaus Passagen, die jeweils als „Praxisbox“ überschrieben sind.
Der reguläre Text ist dabei das Strafrechtslehrbuch im engeren Sinne. Er umfasst das gesamte Pflichtprogramm für das ganze Polizeistudium, von einer Einführung in die Methoden über allgemeine Fragen wie Vorsatz und Rechtswidrigkeit bis zu den relevanten Straftatbeständen[1] – und enthält dabei alles, was für den Studienerfolg im Strafrecht nötig ist.
Seinem Verständnis nach ist es dabei weniger ein Lehr-, sondern vor allem ein Lernbuch: Der Stoff wird also nicht einfach präsentiert, sondern anhand eines aktiven Arbeitens mit dem Normtext und der schrittweisen Lösung von Fällen mit dem Leser erarbeitet. Den maximalen Nutzen hat man daher, wenn man nicht nur mitliest, sondern aktiv mitdenkt, also selber mit Normtext, Systematik und gestellten Leitfragen arbeitet und so Schritt für Schritt nicht nur neues Wissen erwirbt, sondern zugleich immer mehr Sicherheit in der selbstständigen Arbeit mit juristischen Methoden.
Die Praxisbox
Der eilige Leser, etwa bei der Vorbereitung auf eine nahende Klausur, kann sich daher auf den regulären Text beschränken. Empfohlen ist dies aber ausdrücklich nicht!
Denn die Praxisbox schlägt die Brücke vom strafrechtlichen Studienstoff zum polizeilichen Alltag: Schlaglichtartig und themenbezogen finden sich dabei Hinweise auf begleitende eingriffsrechtliche Maßnahmen, Bezüge zur Anzeigenaufnahme und zur Aktenführung, Ausführungen zum Tatnachweis in der Praxis und zum gezielten Führen von Ermittlungen sowie immer wieder knifflige Fälle, die einem in der Praxis durchaus begegnen können.
Auf diese Art werden die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Studienfächern deutlich, zeigt sich die hohe praktische Relevanz des Strafrechts auch für die schutzpolizeiliche Arbeit, wird der strafrechtliche Stoff auf originelle Art weiter eingeübt und vertieft – und wird von Anfang an Lust gemacht darauf, all das eines Tages selber in der Praxis umzusetzen.
Die Autoren wünschen daher eine Lektüre, die nicht nur bildet, sondern vor allem auch Freude und Vorfreude weckt. Ein Feedback und Anregungen für Verbesserungen nehmen sie dabei gerne entgegen.
Literatur und Rechtsprechung sind bis zum 25.06.2021 berücksichtigt.
Münster/Soest, im August 2021
[1]Enthalten sind alle Straftatbestände aus allen Pflichtmodulen im Studiengang PVD der HSPV NRW, ergänzt um die Delikte der Bedrohung, § 241 StGB, und der Geldwäsche, § 261 StGB.
Erster Teil:Grundlagen und Methodik
1.Strafrecht – was ist das?
Was ist „Strafrecht“ eigentlich überhaupt? Womit befasst es sich? Was unterscheidet es von anderen Rechtsgebieten? Darum soll es zuerst gehen. Die Frage ist also zunächst: welche Rechtsgebiete gibt es überhaupt? Was macht diese dabei aus? Und vor allem: was macht das Strafrecht dabei aus? Zur Illustration dient dabei nachfolgender
Fall 1:
Der B hat sich seinen Traum von einem Haus im Grünen verwirklicht und außerhalb der Stadt ein Haus gebaut. Leider hat er die erforderliche Baugenehmigung nicht eingeholt und hätte sie aus Landschaftsschutzgründen auch nicht erhalten. Als das Bauamt davon erfährt, schickt der zuständige Sachbearbeiter S dem B ein Schreiben, in dem steht, dass B das Haus beseitigen müsse. B, der weiß, wo der ihm flüchtig bekannte S wohnt, ist so verärgert, dass er zum Haus des S fährt und dort so lange gegen den Briefkasten tritt, bis dieser viele Beulen hat. Welche Rechtsgebiete sind berührt?
Als Hinführung soll folgende erste Überlegung dienen: Was im Fall hat überhaupt alles rechtliche Relevanz und wen betrifft es jeweils?
Es gibt zunächst die Beseitigungsanordnung (und vorangehend den Schwarzbau durch B). „Beteiligt“ an der Beseitigungsanordnung sind B und die Baubehörde.
Rechtlich relevant ist ferner die Zerstörung des Briefkastens:
Zum einen kommt es durch die Tritte des B zur Entstehung eines materiellen Schadens bei dem S als Privatperson; beteiligt sind insoweit B und S.
Ferner steht eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) im Raum. Auch hier ist S als Geschädigter irgendwie beteiligt, aber es ist auch das Feld von Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafgerichten.
Nach den Beteiligten lassen sich diese Rechtsverhältnisse nun systematisieren:
Die Beseitigungsanordnung betrifft das Verhältnis Bürger – Staat.
Es geht also um eine Hierarchie und damit ein vertikales Verhältnis bzw. eine Über- und Unterordnung.
Rechtsfragen, die dieses Verhältnis betreffen, gehören zum öffentlichen Recht.
Weitere Beispiele öffentlich-rechtlicher Regeln wären: Erteilung eines Aufenthaltstitels für Ausländer, Erteilung einer Gewerbeerlaubnis, Erteilung eines Waffenscheins.
Beim Schadensersatz für den zerstörten Briefkasten stehen sich – wieder im Fall – mit B und S zwei Bürger gegenüber.
Es geht also um eine Rechtsfrage zwischen rechtlich gleichgestellten Bürgern, also ein horizontales Rechtsverhältnis.
Das Rechtsgebiet, in dem sich Bürger mit Forderungen gegenüberstehen, heißt Zivilrecht (oder auch „bürgerliches Recht“).
Weitere Beispiele sind: Kaufverträge, Mietverträge, Beauftragung eines Handwerkers (sogenannte Werkverträge).
Im Fall kann S von B Schadensersatz verlangen.
Soweit es die Sachbeschädigung als Straftat betrifft, gilt Folgendes:
Zwar ist eine Sache des S zerstört worden, S ist also Geschädigter. Die strafrechtliche Rechtsfolge ist aber nicht der Ersatz des entstandenen Schadens, sondern eine Bestrafung. Der B wird also vom Staat bestraft, etwa mit einer an den Staat (!) zu zahlenden Geldstrafe.
Die Bestrafung erfolgt dabei durch den Staat in Form eines Gerichts, und dies in einem vertikalen Verhältnis bzw. einem Über- und Unterordnungsverhältnis.
Es geht im Strafrecht also um öffentliches