Es gibt mithin drei große Rechtsgebiete: Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht.
Entsprechend ergibt sich zur Beschreibung dessen, was Strafrecht ist, die folgende
Definition „Strafrecht“:
Das Strafrecht umfasst diejenigen öffentlich-rechtlichen Normen, die die Voraussetzungen und Folgen eines mit Strafe bedrohten Verhaltens regeln.
Die Funktion des Strafrechts besteht dabei im Rechtsgüterschutz. Der Straftatbestand der Sachbeschädigung etwa schützt das Eigentum (vor Beschädigung und Zerstörung), der Straftatbestand des Totschlags, § 212 StGB, schützt das Leben, der der Körperverletzung gem. § 223 StGB die Gesundheit.
2.Strafrecht – wozu brauche ich das?
Mit welchen der genannten Rechtsgebiete befassen sich nun Polizeibeamte?
Natürlich: mit dem Strafrecht, soweit es um die Aufklärung begangener Straftaten geht: Die Polizei ist zusammen mit der Staatsanwaltschaft (die gegenüber der Polizei weisungsbefugt ist) Ermittlungsbehörde; sie ermittelt alle Fakten, die nötig sind, um zu entscheiden, ob eine Straftat begangen und dem Beschuldigten nachweisbar ist.
Dies ist (in der Regel zumindest) die Aufgabe der Kriminalpolizei.
Mit dem öffentlichen Recht befasst sich die Polizei, soweit es um die Verhütung (zukünftiger) Straftaten und allgemein die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geht. Hier ist die Polizei zwar nicht alleine zuständig, viele andere Behörden befassen sich ebenfalls mit der Durchsetzung des öffentlichen Rechts, etwa das Bauamt, das Ordnungsamt pp. Aber neben diesen diversen anderen Behörden setzt eben auch die Polizei öffentlich-rechtliche Normen gegenüber dem Bürger durch. Beispiele wären: Verkehrskontrolle, Begleitung von Demonstrationen mit dem Ziel, dafür zu sorgen, dass dort nicht gegen Auflagen oder gegen Gesetze verstoßen wird, Streifenfahrt.
Dies ist die Aufgabe der Schutzpolizei.
Wie ist es aber mit dem Zivilrecht? Befasst die Polizei sich auch damit?
Von einigen wenigen Ausnahmekonstellationen abgesehen lautet die Antwort darauf eindeutig: Nein!
Zivilrechtliche Ansprüche muss der Bürger vor einem Zivilgericht selber geltend machen.
Entsprechend werden Sie in Ihrem Studium auch mit Strafrecht und öffentlichem Recht in hohem Maße und als Kernfächer befasst werden. Zivilrecht lernen Sie als angehende Polizeibeamte aber nicht, weil Sie es für Ihren Beruf nicht brauchen.
3.Strafrecht – wie geht das?
a.Normstruktur und Subsumtion
Fall 1 (Fortsetzung):
Der B ist zwischenzeitlich wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB verurteilt worden, weil er den Briefkasten des S zusammengetreten hat. Wie ist das Gericht dazu gekommen, darin eine Sachbeschädigung zu sehen?
Hierfür muss nun auf den einschlägigen, also den in Frage kommenden Straftatbestand aus dem Strafgesetzbuch geschaut werden. Dies ist hier wie oben bereits genannt § 303 I StGB, Sachbeschädigung. Der Straftatbestand der Sachbeschädigung gem. § 303 I StGB, um den es also geht, lautet:
„Wer (rechtswidrig) eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird (…) bestraft.“
Welche Elemente enthält diese Norm? (Über das eingeklammerte „rechtswidrig“ lesen Sie bitte hinweg, dies hat keine eigenständige Funktion.)
„Wer (rechtswidrig) eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird (…) bestraft.“
Die enthaltenen Elemente sind also:
•Sache•Fremdheit der Sache•Beschädigen oder•Zerstören•Vorgesehene Strafe
Entscheidend zum Verständnis der Norm ist nun die folgende Frage: Wie ist die Verknüpfung dieser Elemente?
Die Verknüpfung erfolgt nach einem „Wenn…, dann…“-Schema: „Wenn jemand eine fremde Sache zerstört oder beschädigt, dann wird er bestraft.“
Die Norm enthält also bestimmte Voraussetzungen, nämlich das „Wenn“, und eine bestimmte Folge, nämlich das „Dann“. So sind alle Normen aufgebaut!
Das „Dann“ in einer Norm heißt dabei Rechtsfolge.
Das „Wenn“ heißt Tatbestand.
Die Struktur ist also: Wenn jemand den Tatbestand erfüllt, dann tritt die Rechtsfolge ein.
Der Tatbestand besteht nun aus mehreren Elementen (bei § 303 StGB: Sache, Fremdheit, Beschädigen oder Zerstören).
Diese heißen Tatbestandsmerkmale.
Normen bestehen also (immer) aus Tatbestandsmerkmalen und einer Rechtsfolge. Dies ist keine Besonderheit des Strafrechts. Es gilt in allen Rechtsgebieten.
Zu beachten – und ganz zentral zum Verständnis – ist ferner noch etwas, was ebenfalls in allen Rechtsgebieten gilt:
Die Rechtsfolge tritt nur ein, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind; fehlt auch nur eines, tritt die Rechtsfolge nicht ein!
Einzige Ausnahme von dieser Regel sind alternative Tatbestandsmerkmale, im Gesetz leicht an dem Wort „oder“ zu erkennen. Hier reicht es, wenn eines der alternativen Merkmale erfüllt ist. Bei § 303 I StGB etwa muss die fremde Sache beschädigt oder zerstört werden. Es reicht also eines von beidem, aber jedenfalls eins muss dann auch erfüllt sein, damit die Rechtsfolge eintritt.
Zurück zum Fall: Es soll nun – nach dem Blick auf die Norm – auf den Sachverhalt, also die (erzählte bzw. in der Praxis: geschehene) Geschichte, geschaut werden. Welche inhaltlichen Elemente hat dieser Sachverhalt, soweit es den Briefkasten betrifft?
Enthalten sind folgende tatsächlichen Elemente:
Es gibt einen Briefkasten.
Dieser ist Eigentum des S.
B hat so lange dagegengetreten, bis der Briefkasten kaputt war.
Die Aufgabe juristischer Falllösung besteht jetzt darin, zu prüfen, ob sich die – konkreten, in jedem Fall individuellen – Sachverhaltselemente unter die – abstrakten – Tatbestandsmerkmale einer Norm – im Strafrecht: eines Straftatbestandes – fassen lassen. Man vergleicht also quasi Lebenssachverhalt und Norm und prüft, ob es für jedes Tatbestandsmerkmal eine Entsprechung im Lebenssachverhalt gibt.
Dieser Vorgang heißt Subsumtion. Man subsumiert einen konkreten Lebenssachverhalt unter eine Norm.
Gibt es zu jedem Tatbestandsmerkmal ein Sachverhaltselement, tritt die Rechtsfolge ein. Wenn nicht, tritt sie nicht ein.
Im Strafrecht bedeutet dies: Gibt es zu jedem Tatbestandsmerkmal eines Strafgesetzes ein Sachverhaltselement (und liegen keine Ausnahmen vor, die sich aus anderen Normen ergeben, dazu später mehr), hat sich der Beschuldigte strafbar gemacht.
Um nun richtig zu subsumieren, muss der Reihe nach für jedes einzelne Tatbestandsmerkmal untersucht werden, ob es durch ein Sachverhaltselement erfüllt ist.
Mögliche tatsächliche Entsprechungen zu den Tatbestandsmerkmalen des § 303 StGB sind im Fall nun:
Sache: Es gibt den Briefkasten.
Fremdheit der Sache für B: Der Briefkasten gehörte S.
Zerstören: B hat den Briefkasten vollständig demoliert.
Das Ergebnis ist also: Zu allen Tatbestandsmerkmalen gibt es ein Sachverhaltselement. Die Rechtsfolge kann also eintreten.
Dazu ein weiteres Beispiel zur Übung:
Fall 2:
Der B will seinem Erzfeind O